Tausend und Ein Gespenst. Александр Дюма

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Название Tausend und Ein Gespenst
Автор произведения Александр Дюма
Жанр Зарубежная классика
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Издательство Зарубежная классика
Год выпуска 0
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Processen hatte uns indessen ein Proceß, der noch weit schrecklicher war, als die andern, beide tief betrübt.

      Es war der Proceß der Königin Maria Antoinette.

      Am 4. October begonnen, wurde dieser Proceß mit Tätigkeit betrieben; am 14. October war sie vor dem Revolutionstribunale erschienen; am 16. war sie um vier Uhr Morgens verurtheilt worden, und um eilf Uhr des selben Tages hatte sie das Schaffot bestiegen.

      Am Morgen hatte ich einen Brief von Solange erhalten, welche mir schrieb, daß sie einen solchen Tag nicht vorübergehen lassen wollte, ohne mich zu sehen.

      Gegen zwei Uhr kam ich nach unserer kleinen Wohnung der Straße Talanne, und fand Solange ganz in Thränen. Ich war selbst über diese Hinrichtung tief erschüttert. Die Königin war in meiner Jugend so gütig gegen mich gewesen, daß ich eine tiefe Erinnerung an diese Güte bewahrt hatte.

      O! Ich werde mich dieses Tages immer erinnern; es war ein Mittwoch, es herrschte in Paris mehr als Traurigkeit, es herrschte Schrecken.

      Ich selbst empfand eine seltsame Entmuthigung, Etwas wie die Ahnung eines großen Unglückes. Ich hatte versuchen wollen. Solange wieder Kräfte zu verleihen, welche in meine Arme zurückgeworfen weinte, und die tröstenden Worte hatten mir gefehlt, weil kein Trost in meinem Herzen war.

      Wir brachten die Nacht wie gewöhnlich mit einander zu; unsere Nacht war noch weit trauriger als unser Tag. Ich erinnere mich, daß ein in einem Zimmer über den unsrigen eingeschlossener Hund bis gegen zwei Uhr Morgens heulte.

      Am folgenden Morgen erkundigten wir uns; sein Herr war ausgegangen, indem er den Schlüssel mitnahm, auf der Straße war er verhaftet und vor das Revolutionstribunal geführt, um drei Uhr verurtheilt, und um vier Uhr schon hingerichtet worden.

      Wir mußten uns trennen, die Unterrichtsstunden Solanges begannen um neun Uhr Morgens. Ihr Pensionat befand sich in der Nähe des Jardin des Plantes. Ich zögerte lange sie gehen zu lassen. – Sie selbst konnte sich nicht entschließen mich zu verlassen. – Aber zwei Tage außerhalb zu bleiben, hieß sich Nachforschungen aussetzen, welche in der Lage Solanges immer gefährlich waren.

      Ich ließ einen Wagen kommen, und begleitete sie bis an die Ecke der Straße des Fossés-Saint-Bernard; – dort stieg ich aus, und sie setzte ihren Weg fort. Während des ganzen Weges hatten wir uns umarmt gehalten, ohne ein Wort auszusprechen, indem wir die Bitterkeit unserer Thränen, welche bis auf unsere Lippen flossen, mit dem Schmerze unserer Küsse vereinigten.

      Ich stieg aus dem Fiaker; aber statt mich nach meiner Wohnung zu entfernen, blieb ich auf denselben Platz gefesselt, um länger den Wagen zu sehen, der sie fortführte. – Nach Verlauf von zwanzig Schritten hielt der Wagen, Solange streckte ihren Kopf aus dem Schlage, wie als ob sie errathen hätte, daß ich noch da wäre. – Ich eilte zu ihr. Ich stieg wieder in den Fiaker und verschloß die Fenster. Ich drückte sie noch ein Mal m meine Arme, aber es schlug neun Uhr am Thurme Saint-Etienne-du-Mont. – Ich trocknete ihre Thränen ab, – ich verschloß ihre Lippen mit einem Kusse, und indem ich aus dem Wagen sprang, entfernte ich mich im Laufe.

      Es schien mir, daß Solange mich zurückriefe, aber diese Thränen, all dieses Zögern, konnte bemerkt werden. Ich hatte den unglückseligen Muth, mich nicht umzuwenden.

      Ich kehrte verzweifelt nach Haus zurück. Ich brachte den Tag damit zu, an Solange zu schreiben; am Abend sandte ich ihr einen Band.

      Ich hatte soeben meinen Brief auf die Post geworfen, als ich einen von ihr erhielt.

      Es war sehr mit ihr gezankt worden; man hätte eine Menge Fragen an sie gerichtet und ihr gedroht ihr ihren nächsten Ausgang zu nehmen.

      Ihr nächster Ausgang war der bevorstehende Sonntag; aber Solange schwor mir, daß sie in jedem Falle, sollte sie auch mit der Vorsteherin der Erziehungsanstalt brechen, mich an diesem Tage sehen würde.

      Auch ich schwor es; es schien mir, wenn ich sie sieben Tage lang nicht sehen würde, was geschähe, wenn sie ihren ersten Ausgang nicht benutzte, ich wahnsinnig werden würde.

      Um so mehr, als Solange einige Besorgniß ausdrückte. Ein von ihrem Vater angekommener Brief, den sie bei ihrem Nachhausekommen gefunden hatte, schien ihr erbrochen gewesen zu sein.

      Ich brachte eine schlimme Nacht zu und nach ihr einen noch schlimmeren Tag. Ich schrieb wie gewöhnlich an Solange, und da es der Tag meiner Versuche war, so ging ich gegen drei Uhr zu meinem Bruder, um ihn mit nach Clamart zu nehmen.

      Mein Bruder war nicht zu Haus; ich ging allein. Es war ein gräßliches Wetter; die verwaiste Natur ergoß sich in Regen, in diesen kalten und strömenden Regen, der den Winter meldet. Auf meinem ganzen Wege hörte ich die öffentlichen Ausrufer mit heiserer Stimme die Liste der Verurtheilten des Tages kreischen; sie war zahlreich; es befanden sich darunter Männer, Frauen und Kinder. Die blutige Ernte war reich, und es konnte mir nicht an Gegenständen für die Sitzung fehlen, welche ich für den Abend zu machen im Begriffe stand.

      Die Tage endigten frühzeitig. Um vier Uhr kam ich nach Clamart; es war fast Nacht.

      Der Anblick dieses Friedhofes mit seinen ungeheuren frisch aufgehäuften Gräbern, mit seinen seltenen und in dem Winde wie Skelette klappernden Bäumen, war traurig und fast abscheulich.

      Alles, was nicht umgegrabene Erde war, war Gras, Disteln oder Brennnesseln. Jeden Tag erfüllte die aufgegrabene Erde die grüne Erde.

      Unter allen diesen Hügeln des Bodens stand das Grab des Tages weit offen und erwartete seine Beute; man war von dem Zuwachse der Verurteilten benachrichtigt, und das Grab war weit größer als gewöhnlich.

      Ich näherte mich ihm unwillkürlich. Der ganze Grund war voller Wasser; arme, nackte und kalte Leichen, welche man in dieses wie sie kalte Wasser werfen würde!

      Als ich an das Grab gelangte, glitt mein Fuß aus, und ich wäre beinahe hinein gefallen; meine Haare sträubten sich. Ich war durchnäßt, ich hatte Fieberschauder; ich ging nach meinem Laboratorium.

      Es war, wie ich gesagt habe, eine ehemalige Kapelle; ich suchte mit den Augen (warum suchte ich? Ich weiß es nicht), ich suchte mit den Augen, ob nicht an der Wand oder auf dem,, was der Altar gewesen war, irgend ein Zeichen des Gottesdienstes geblieben wäre. Die Wand war nackend, der Altar kahl. An der Stelle, wo sich ehemals der Tabernakel, das heißt Gott, das heißt das Leben, befunden halte, befand sich ein seines Fleisches und seiner Haare beraubter Schädel, das heißt der Tod, das heißt das Nichts.

      Ich zündete mein Licht an, stellte es auf den Tisch, der zu meinen Versuchen diente, und dem ganz mit jenen Werkzeugen von seltsamer Form bedeckt war, die ich selbst erfunden hatte, und setzte mich tiefsinnig; – an was dachte ich? – an die arme Königin, welche ich so schön, so glücklich, so geliebt gesehen hatte; die am Tage zuvor, von den Verwünschungen eines ganzen Volkes verfolgt, auf einem Karren nach dem Schaffotte geführt worden war, und die jetzt, mit dem Rumpfe ohne Kopf, in dem Sarge der Armen schlief; sie, welche unter dem vergoldeten Getäfel der Tuilerien, von Versailles und von Saint-Cloud geschlafen hatte.

      Während ich mich in diese traurigen Träumerein versenkte, verdoppelte sich der Regen, der Wind zog in gewaltigen Stößen vorüber, indem er seine schaurige Klage zwischen den Zweigen der Bäume, zwischen den Stengeln der Kräuter verbreitete, die er erbeben ließ.

      Mit diesem Getöse vereinigte sich bald etwas wie ein schauriges Rollen des Donners; nur statt in den Wolken zu grollen, rollte dieser Donner auf dem Boden, den er erbeben ließ.

      Es war das Rollen des rothen Karrens, der von dem Revolutionsplatze zurückkehrte, und in Clamart einfuhr.

      Die Thüre der kleinen Kapelle ging auf, und zwei von Regen triefende Männer traten mit einem Sacke ein.

      Der eine war derselbe Legros, den ich im Gefängisse besucht hatte, der Andere war ein Todtengräber.

      – Hier, Herr Ledru, sagte der Knecht des Scharfrichters zu mir, hier ist Ihre Sache; – Sie haben heute Abend nicht nöthig sich zu eilen; – wir lassen Ihnen den ganzen Pack da; – morgen wird man sie begraben; – es wird Tag sein; – sie werden sich keinen Schnupfen dadurch zuziehen, eine Nacht im Freien zugebracht zu haben.

      Und mit einem abscheulichen Gelächter stellten diese beiden Besoldeten