Ein Hauch von Vorsehung. Ava Patell

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Название Ein Hauch von Vorsehung
Автор произведения Ava Patell
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783746718651



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... Woher ...«

      Sie hob erneut eine Augenbraue und strich sich ein paar Haare zurecht. »Ich bin Darea, Schätzchen. Gewöhnen Sie sich daran«, grinste sie.

      Erneut blinzelte Kaden auf die Bücher. »Danke«, meinte er erstaunt.

      Sie nickte nur. »Ja, ja, ja. Und jetzt Abflug. Andere Leute arbeiten hier.« Aber ihr Tonfall nahm ihrer Aussage die Schärfe. Kaden beschloss, nicht weiter zu fragen, griff sich die Bücher und lief dann zurück zu den Fahrstühlen. Als sich die Türen hinter ihm schlossen, schluckte er schwer. War das gerade wirklich passiert?

      ***

      Als Nikolaj schließlich an Dareas Schreibtisch trat, grinste sie nur. Wortlos reichte er ihr den unterzeichneten Vertrag.

      »Abheften und Zugangsdaten einrichten bitte.«

      Sie nickte.

      »Schickst du ihm gleich unsere Termine für die Tage ab Freitag? Freitag wird sein erster Tag.«

      Dareas grüner Blick traf seinen. »Sieh es als erledigt an.«

      »Sehr gut. Ich muss jetzt los, sonst verpasse ich meinen Termin im Chez Valérie

      »Das weiß ich, Nikolaj.« Sie sah tatsächlich einen Moment gekränkt aus und er musste schmunzeln.

      »Natürlich weißt du das.« Nikolaj schnupperte leicht. Die Erinnerung an einen sanften Duft hing noch in der Luft, immer noch verschleiert und stark von Nervosität überdeckt.

      »Er riecht gut, nicht wahr?«, fragte Darea. »Nicht so wie McAllister aus der Buchhaltung.«

      Dareas Lächeln verfolgte Nik noch, als er in den Fahrstuhl stieg. Aber es war tatsächlich so wie sie sagte. Kaden Williams hatte einen angenehmen Eigengeruch, etwas, das sehr wichtig war, wenn man bedachte, wie eng sie zusammen arbeiten würden. Der Hauch Vanille, warm und süßlich, aber nicht zu aufdringlich, und die Granatapfel-Nuance sprachen Nikolaj an. Darüber hatte immer Nervosität gehangen, heute ebenso deutlich wie vor drei Tagen im Biltmore. Das heutige Auftreten des jungen Mannes würde er wohl auch so schnell nicht vergessen. Unsicher, absolut unpassend und unscheinbar gekleidet.

      Er hoffte wirklich, Kaden Williams am Freitag anders gekleidet zu sehen. Es ging ihm nicht darum, dass im Label Anzugspflicht herrschte, denn die gab es tatsächlich nicht. Aber modische Kleidung war Pflicht, immerhin repräsentierte sein Assistent Nikolaj selbst und er repräsentierte Dark Side Records.

      ***

      Die ganze Bahnfahrt auf dem Heimweg gingen Kaden die Gedanken durch den Kopf. Er hatte einen Vertrag unterschrieben und wenn er sich nicht zu dämlich anstellte, würde er eine Menge Geld verdienen. Er würde in einer riesigen Firma arbeiten und vielleicht sogar ein paar Musiker kennenlernen! Nun, vielleicht nicht kennenlernen. Aber aus der Ferne sehen. Den Rest des Tages verbrachte er damit, in den Büchern zu stöbern, die Darea ihm gegeben hatte. Rechnungswesen für Dummies , Betriebswirtschaft für Einsteiger und ähnliches war in der bunten Mischung dabei. Es waren eine Menge Zahlen, aber auf den ersten Blick waren die Bücher gut geschrieben und machten die Grundlagen deutlich. Dennoch gab es eine Menge, die Kaden noch zu lernen hatte und sicherlich auch einiges, das nicht in Büchern geschrieben stand. Es war eine Herausforderung. Genau wie die Aufgabe, die ihn am nächsten Tag erwartete.

      In dem Kaufhaus in der Abteilung für Herren war er nahezu verloren. Aber er fand einen freundlichen Verkäufer, der ihm mit Rat und Tat zur Seite stand. Immerhin brauchte er etwas Passendes zum Anziehen. Und so zahlte Kaden am Ende und nach guten zwei Stunden 100 Dollar für einen Anzug, 25 Dollar für ein Hemd und noch mal 20 Dollar für eine dazu passende Krawatte. Das war ein verdammt teurer Einkauf, aber immerhin würde er sich damit nicht blamieren. Dachte er zumindest.

      In der Nacht schlief er mehr als unruhig. Sein Gehirn dachte erneut in alle möglichen Richtungen. Was alles passieren konnte. Die Bahn konnte nicht fahren. Er könnte im Fahrstuhl stecken bleiben. Oder angefahren werden. Ein Schneesturm. Hagelschauer. Oder er würde sich mit Essen bekleckern. Am Morgen fühlte er sich überfahren. Er hatte viele Szenarien durchgespielt, aber an eines hatte Kaden nicht gedacht. Nämlich daran, wie man eine Krawatte band. Es war ein Vorteil der modernen Zeit, dass man im Internet so gut wie für alles Tutorials fand. Dennoch brauchte er eine gute Viertelstunde und auch dann ging dieser Knoten noch immer nicht so recht als respektabler Knoten durch. Doch für mehr hatte er keine Zeit. Kaden stopfte ein paar Bücher in seine Umhängetasche, seine Geldbörse dazu und machte sich dann auf den Weg.

      Je näher er seinem Ziel kam, desto nervöser wurde er und er war froh, eine extra Portion Deo aufgelegt zu haben. Im Fahrstuhl befreite er sich von seinem Mantel und kam pünktlich in der richtigen Etage an. Da er jedoch nicht wusste, wie genau sein Arbeitstag aussehen würde, hielt er es für das Klügste, sich bei Darea Harrison zu melden. Mutig trat er auf ihren Arbeitsplatz zu und sie hob den Blick, als sie die Bewegung wahrnahm. Heute hatte sie die Haare hochgesteckt, was ihren schlanken Hals betonte. Sie stutzte, als sie den jungen neuen Angestellten näher kommen sah, erhob sich und trat um den Tresen herum, eine Hand lag locker auf der gläsernen Oberfläche.

      »Guten Morgen«, grüßte Kaden und sie hob eine Augenbraue. Eine Bewegung und doch schien sie tausend Bedeutungen zu haben. Ein schlanker Finger deutete an ihm auf und ab.

      »Was ist das?«, fragte sie.

      Kaden sah an sich hinunter. »Ein Anzug?«, versuchte er es.

      Ihre Augenbraue schob sich noch ein Stück höher. »M-hm«, machte sie nur und trat auf ihn zu. »Was haben Sie nur mit der Krawatte gemacht?«, fragte sie und sie sprach das Wort Krawatte aus, als wäre es eine Beleidigung. Mit einem Ruck zog sie sie ihm vom Hals.

      »Ich bin nicht sehr geübt im Binden von Krawatten«, meinte Kaden sichtlich verunsichert, während sie den Kragen des Hemdes hoch schlug und mit wenigen, geübten und sicheren Handgriffen einen perfekten Knoten band.

      »Offensichtlich auch nicht im Kaufen«, konstatierte sie. Sie zog die Krawatte fest, vielleicht etwas zu fest und klappte den Kragen herunter. »Na ja. Mehr kann man da wohl nicht machen«, seufzte sie schließlich. Es hatte einen unzufriedenen Unterton und machte deutlich, dass sie ganz und gar nicht glücklich war über das, was er da trug und als Arbeitskleidung für angebracht erachtete. Und auch Nikolaj schien diese Meinung zu teilen, als er jetzt den Kopf aus der Bürotür steckte und Kaden erblickte. Er erstarrte mitten in der Bewegung.

      »Um Himmels Willen.«

      Darea rollte mit den Augen. »Nicht wahr?«, fragte sie nur.

      Nikolaj trat aus dem Büro und sah an Kaden auf und ab. Sein Gesicht wirkte zweifelnd. Nahezu ungläubig. »Haben Sie sich das ganz allein angetan?«

      »Was stimmt denn mit dem Anzug nicht?« Er saß doch ganz gut, wie Kaden fand.

      Die Antwort lag für Nikolaj auf der Hand. Dieses Stück Kleidung hing an Kaden wie ein nasser Sack. Die Ärmel waren zu lang, die Krawatte wollte irgendwie nicht so recht dazu passen. So konnte er ihn doch unmöglich mit zu Terminen nehmen!

      »Ich sagte, Sie sollen sich vorteilhafter anziehen, nicht… Haben Sie sich beraten lassen?«

      »Natürlich.«

      Nikolaj betrachtete sich den Anzug erneut. Ein 100 Dollar-Exemplar. Wenn überhaupt. Er räusperte sich. »Nun gut.« Er deutete auf die Tür hinter sich. »Legen Sie ab, dann zeige ich Ihnen die Personalküche.« Er warf Darea einen nahezu verzweifelten Blick zu, bevor er Kaden die Küche zeigte und ihm etwas zu trinken anbot, was Kaden ablehnte.

      Er war zu aufgeregt, um etwas zu sich zu nehmen und zupfte immer wieder an seinem Anzug. Bis vor fünf Minuten hatte er sich nur unsicher gefühlt. Jetzt fühlte er sich absolut schrecklich.

      Auf dem Weg zurück in das Büro wurden sie von Darea aufgehalten, die vor Nikolaj trat und ihm auffordernd die Hand hinhielt. Der stutzte und sah sie fragend an.

      »Was?«

      Sie schnalzte mit der Zunge und rollte mit den Augen. »Die Firmenkreditkarte. Zack, zack. Mr. Williams