Die Geisterbande Dekalogie. Dennis Weis

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Название Die Geisterbande Dekalogie
Автор произведения Dennis Weis
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783750213913



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er mir in die Augen, schaute in den Rachen, fühlte Puls und nahm mir Blut ab. Ich war sehr tapfer. Eigentlich war ich allergisch gegen Blutabnahmen. Gemeint waren hier diese Riesenspritzen, die in meine dünnen Arme gestochen werden sollten. Das konnte nicht gut gehen. Aber dieses Mal war es anders. Ich nahm es hin und es war okay, nicht super und ich würde es wahrscheinlich beim nächsten Mal wieder mit Kampf abwehren wollen.

      „So…das war’s“, sagte Dr. Klein und zog die Nadel wieder heraus, „jetzt ganz fest drücken, sonst gibt es blaue Flecken.“

      Ich drückte so fest wie ich konnte. Dafür legte mir der Arzt einen Karamellbonbon auf das Bett.

      „Weil du so tapfer warst“, erklärte er.

      Dann räumte er seine Instrumente wieder ein und verabschiedete sich von mir.

      „Noch ein, zwei Tage Bettruhe“, erzählte er meiner Mutter auf dem Weg aus meinem Zimmer, „dann sollte es wieder gehen.“

      „Ich müsste sie da noch was fragen“, sagte meine Mutter und schloss die Tür, sodass ich nicht mithören konnte.

      Es weckte meine Neugierde dermaßen, sodass ich beschloss aufzustehen. Ich schaffte nur mit allergrößter Mühe, mich aufrecht hinzustellen. Mein Kreislauf meldete sich sofort, aber ich konnte mich halten.

      „Was kann ich denn für Sie tun?“ fragte der Doktor mit freundlicher Stimme.

      „Wissen Sie, mein Sohn träumt schlecht und erzählt seit unserem Umzug in dieses Haus ständig von Geistern und irgendwelchen Monster“, erzählte meine Mutter, „was sollen wir da tun?“

      „Seien Sie für ihn da“, antwortete der Arzt, „er ist nur unsicher und die Geister scheinen seine Ängste zu repräsentieren. Wenn Sie ihm Aufmerksamkeit geben, verschwinden diese Geister und Monster.“

      „Vielen Dank“, sagte meine Mutter und geleitete den Doktor nach draußen.

      Ich machte mich zurück in mein Bett, ehe meine Mutter Verdacht schöpfen konnte, denn wie ich sie einschätzte würde sie noch „mal gucken kommen“. Und ich sollte recht behalten. Ich tat als schliefe ich wieder, als meine Mutter das Zimmer betrat. So würde sie sich nicht lange dort aufhalten. Ich weiß, es klingt böse, aber in diesem Moment konnte ich meine Mutter einfach nicht haben. Auf eine Art machte ich all diese Sachen, um sie und auch meinen Paps zu schützen.

      Nach einer Weile verließ sie mein Zimmer und es herrschte Ruhe. Meine Gedanken hatten freien Lauf. Und sie kreisten sich um Larvaster, der bald hier sein würde. Zunächst ließ es mich verzweifeln, keine Lösung zu haben, meine Eltern vor dem Poltergeist schützen zu können, aber dann nervte mich es nur noch. Ich hatte ein Gefühl der Machtlosigkeit und des Versagens. Es war ganz gleich wie ich etwas anpackte, ich bekam es nicht hin, alle zu retten.

      Wenn doch nur Peter frei sein könnte!

      Und da fiel es mir wie Schuppen von den Augenbrauen: Die Lösung musste in diesem Buch stehen, dass der Professor aus Peters Erzählung hatte. Ich nahm mir vor, bei Nacht erneut aufzustehen und auf den Dachboden zu gehen, um Peter zu fragen, wo es sich befinden könnte. Mit diesem Gedanken kehrte meine Müdigkeit zurück. Ich ließ zu, dass meine Augen sich schließen konnten. Dennoch versuchte ich mir vorzustellen, keinen Albtraum mehr zu bekommen.

      Ich wurde durch ein leichtes Ruckeln und den Worten meiner Mutter geweckt: „Tjalf, aufwachen.“

      Ich stellte fest, dass ich tatsächlich geschlafen hatte, ohne einen schrecklichen Traum zu erleben. Im ersten Moment dachte ich, es könnte ja die Möglichkeit bestehen, dass es jetzt ein böser Traum war, aber als ich meine Mutter ansah, wusste ich, dass ich mich in der Realität befand.

      „Wie geht es dir?“ fragte sie.

      „Gut“, antwortete ich und rieb mir die Augen, „ich habe Hunger.“

      Mein Magen knurrte für zehn starke Männer. Ich hatte schließlich den gesamten Tag nichts gegessen. Meine Mutter grinste.

      „Na dann komm‘ mein Großer“, sprach sie und reichte mir eine Hand, „ ich helfe dir hoch und dann gehen wir zusammen nach unten, Abendbrot essen.“

      Ich richtete mich auf und merkte, dass es mir schon deutlich besser ging. Selbst das Aufstehen war nicht so schwer, wie ich es eingeschätzt hatte. Ich freute mich. Zum einen, da es schrecklich war, ans Bett gefesselt zu sein und zum anderen wegen meines heimlichen Plans heute Nacht. Ein zusätzlicher Nebeneffekt war, dass ich nun ausgeschlafen war, was meine nächtliche Aktivität erleichtern sollte.

      „Guten Abend Tjalf“, begrüßte mich mein Vater, als ich die Küche betreten hatte, „wie ich sehe, geht es dir besser.“

      Ich ahnte, dass er noch mehr auf dem Herzen hatte, denn ich sah die auffordernden Blicke meiner Mutter, die ständig meinen Vater anmorsten. Ich setzte mich erstmal hin und bediente mich am Abendbuffet. Meine Mutter musste gewusst haben, dass mit mir wieder alles gut wird- oder sie hatte es gehofft.

      Nichtsdestotrotz hatte sie reichlich Essen zubereitet. Da waren Muffins, Rührei mit Speck, Bacon, Würstchen und Eier. Sogar Nutella und Marmelade fand ich auf dem Abendbrottisch, obwohl wir nie so etwas abends aßen. Sie hatten sich wohl wirklich um mich gemacht. Kein Wunder, wenn ich ihnen von Geistern und Monstern berichtete. Ich musste noch lernen, dass nicht jeder diese Welt sehen, geschweige denn verstehen konnte. Nicht einmal ich kapierte, was da abging.

      „Ähem“, sprach mein Vater auf einmal und es fiel ihm schwer, „ich muss ähm mochte dir noch etwas sagen….“

      Wieder schaute er erst zu meiner Mutter. Es war wie ein billiges Laienspiel, aber ich ließ mir nicht anmerken, dass ich es durchschaut hatte, denn mein Vater gab sich Mühe und die wollte ich ihm nicht zerstören.

      „Tjalf, es tut mir Leid, dass ich in letzter Zeit und gerade gestern gemein zu dir war“, sagte er und es war das bisher netteste, was er je gesagt hatte.

      Ich wusste gar nicht wie ich reagieren sollte, denn obwohl ich es spürte, war ich in diesem Augenblick gefangen und genoss es. Meine Mutter schaute mich an. Es erinnerte mich an unserem Mathematiklehrer, der immer, wenn sich zwei gestritten hatten, wollte, dass sie sich vertrugen und gegenseitig auch die des anderen annahmen.

      „Ich nehme die Entschuldigung an“, sprach ich und wie mein Vater ging der Blick erneut zu der Richterin, ähm ich meinte meiner Mutter.

      Sie nickte, was zur Erleichterung von allen führte und wir konnten endlich mit dem Essen fassen beginnen, denn ich hatte Bärenhunger. Ich aß wie ein Scheunendrescher und schlang alles in mich hinein, als hätte ich jahrelang keine Nahrung zu mir genommen. Wie lecker alles auf einmal war!

      „Ich werde aber nun wieder ins Bett gehen“, teilte ich meinen Eltern mit, „mir geht es viel besser, aber ich denke Schlaf tut mir ganz gut. Ich mache mich im Bad noch bettfertig- Gute Nacht.“

      Meine Mutter gab mir einen Kuss auf die Wange: „Schlaf schön, „flüsterte sie mir ins Ohr.

      Von meinem Vater gab es ein High Five. Dann machte ich mich fertig und ging in mein Zimmer. Da ich warten musste bis auch mein Paps und meine Mama ins Bett gingen, so wie in der ersten Nacht, legte ich mich in mein Bett, um bei einer möglichen Kontrolle durch meine Mutter keinen Verdacht zu schöpfen.

      Was ich unterschätzte, war das sogenannte Suppenkoma. Es war das Müdigkeitsgefühl nachdem man sich den Bauch vollgeschlagen hatte. Es hatte mich voll umgehauen und ich schlief ein, ohne mich dagegen wehren zu können.

      Ich wachte mitten der Nacht auf. Ich merkte es daran, dass zum einen der Mond in seiner vollen Pracht in mein Fenster schien und zum anderen war es einfach sehr still- nachtstill. Ich stand sofort auf, da ich keine Zeit verlieren wollte. Larvaster könnte jederzeit kommen und dann stünde ich ziemlich blöd da.

      Ich schlich mich aus meinem Kinderzimmer und über den Flur, um zur Dachbodenluke zu gelangen. Was ich nicht bedacht hatte war, dass der Stab für die Treppe nicht an seinem gewohnten Platz stand. Es irritierte mich zunächst, aber dann konnte ich mir einen Reim darauf machen:

      Mein Vater