"Wir schaffen das". Benjamin Webster

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Название "Wir schaffen das"
Автор произведения Benjamin Webster
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783745097009



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Lobbyisten, die eine bestimmte Interessengruppe vertreten. Und die sorgen dann, oder versuchen es zumindest, dass alles so bleibt wie es ist, nur damit die Gewinne auch weiterhin kräftig sprudeln. Sie interessiert es herzlich wenig, wenn 12,5 Millionen Menschen und davon 2,5 Millionen Kinder in Armut aufwachen. Auch das es 7 Millionen Hartz IV Empfänger gibt, ist ihnen vollkommen piepegal. Sie sind es aber auch, die dann über den Fachkräftemangel klagen. Ich bin davon überzeugt, dass wir eine Million Arbeitskräfte aus dem Heer der Hartz IV Empfänger und der 2,8 Millionen Arbeitslosen haben, um diese angebliche Lücke stopfen zu können. Aber wo kein Wille ist, da ist bekanntlich auch kein Weg. In Wirklichkeit will man nur billige Arbeitskräfte haben, die weit unter dem Tariflohn arbeiten, um die Wertschöpfung zu maximieren. Gewinne um jeden Preis, schließlich muss man ja die Aktionäre zufrieden stellen. Und was ist mit den fälligen Steuern? Da finden die Herren immer wieder Steuerspar-Modelle und Gesetzeslücken, um Geld zu sparen. Ich finde das einfach asozial und kriminell. Und ich stehe mit dieser Meinung nicht alleine da. 65 % der Deutschen denken ähnlich. Aber das nur am Rande. Renate und Wolfgang hatten den Jahreswechsel mit einigen Nachbarn gebührend mit Bowle und Punsch gefeiert. Man legte zusammen und feierte bei den beiden. Wolfgang durfte erst wieder zum Flaschensammeln, als er wieder ganz fit war. Insgesamt vier Wochen war er nicht mehr im Einsatz. Renate hatte ihm extra eine gebrauchte Winterjacke, von der Kleiderkammer vom Roten Kreuz geholt. Sie war zwar nicht mehr die modernste, aber dafür war sie warm und hatte keine Löcher oder Risse. Sie fuhren wie gewohnt, ihre Stammplätze ab und sammelten eifrig Pfandflaschen. Bei einem Supermarkt, der auf ihrer Strecke lag, lösten sie die Flaschen ein. Und das ging so sechs Stunden, weil das Wetter mit knapp 12° mitspielte. Renate verabschiedete sich in Richtung Fußgängerzone, wollte sie doch noch ein paar Euro zusammenschnorren. Wie sie vor an einer Bank Platz nahm und ihr Schild und den Becher aufstellte sah sie, dass auf der gegenüberliegenden Seite ein junges Mädchen auch bettelte. Renate wusste, dass es nicht lange ging, bis das Ordnungsamt oder die Polizei einschreiten würde. Denn laut Verordnung des Senates in Berlin, ist es seid dem 23. Juni 2015, Kindern oder Erwachsenen mit Kinder, das Betteln untersagt, also verboten. Es wird sogar mit bis zu 500.- Euro bestraft. Sie überlegte schon, ob sie die Lokalität wechseln sollte, da beobachtete sie, wie ein Mann mittleren Alters, das Geld von dem Mädchen einsammelte und in seine Tasche steckte. Dies ging so schnell, dass man es fast nicht sah. Der Mann lief 50 Meter weiter, wo ein weiteres Mädchen saß und auch bettelte. Dort tat er das Gleiche, leerer Becher hinstellen und den vollen mit dem Geld mitnehmen. Renates Vermutung war, dass hier eine ganze Bande am Werk ist. Sie stand auf und folgte ihm mit gebührendem Abstand. Fast eine Stunde tat sie dies, bis er dann in einen PKW stieg und wegfuhr. Insgesamt hatte er neun Kinder, fünf Mädchen und vier Jungs, um ihr Geld erleichtert. Renate tat aus ihrer Warte das einzige Richtige. Sie notierte sich die Nummer des Wagens und rief die Polizei. Da sie anonym bleiben wollte, sagte sie ihren Namen nicht und gab dem Beamten nur die Fakten durch. Sie wartete noch eine halbe Stunde und sah, wie Männer und Frauen in Zivil, die Kinder einsammelte und in zwei Transportern verfrachtete. Sie war sichtlich erleichtert, wie die Kinder weg waren. Erstens, weil skrupellose Erwachsene die Kinder nur für ihren Zweck ausbeuteten und zweitens, war die lästige Konkurrenz weg. Nun konnte sie in aller Ruhe sich den besten Platz aussuchen, um ihrem „Geschäft“, dem betteln nachzugehen. Mitleid mit der Bande hatte sie nicht, denn wie sich später herausstellte, war es eine Bande aus Bulgarien, die quer durch Deutschland reiste, um die jugendlichen gezielt zum betteln einzusetzen. Da sie viel Zeit verloren hatte, war das Ergebnis auch entsprechend mager. Ganze 14,30 Euro hatte sie eingenommen, aber mit den Flaschen zusammen, waren es trotzdem an diesem Tag 26,70 Euro von Wolfgang und ihr. Abends saßen sie beim Abendessen, es gab Bohneneintopf. Sie hatte ihm gerade von der Bettlerbande und ihrem Anruf bei der Polizei berichtet. Wolfgang: „Glaubst du, dass es richtig war, die Polizei zu holen? Immerhin sind das arme Kinder oder Jugendliche, die im Endeffekt noch weniger haben wie wir.“ Renate: „Auf welchem Planeten lebst denn du eigentlich? Von wegen, die haben weniger wie wir. Die Banden betteln sich innerhalb kürzester Zeit ein Vermögen zusammen und dass noch Steuerfrei. Erst letzend kam ein Bericht im Fernsehen, wie das bei diesen Banden läuft. Da sammelt einer alle Kinder aus einem Dorf zusammen und fährt hier nach Deutschland. Dort stellt er sich irgendwo zwei alte Wohnwagen hin, wo die Jugendlichen dann wohnen. Jeden Morgen karrt er sie dann in die Innenstadt und dort müssen sie dann bis zu 12 Stunden betteln und das bei jedem Wetter. Und da kommt schon einiges zusammen. Bis zu 200.- Euro am Tag und das pro Kind. Und wenn du das auf den Monat umlegst, bei 10 Kindern, da kommen da locker 50- 60.000 Euro im Monat zusammen. Rechnet man die Unkosten ab, bleiben immer noch 40.000 Euro übrig. Und das ist ja nicht nur eine Bande, sondern gleich mehrere. Die einen betteln und die anderen begehen Taschendiebstahl oder verticken Drogen. Wir haben selbst genug Gauner und Spitzbuben, da brauchen wir nicht noch welche aus dem Ausland.“ Wolfgang: „Macht das denn einen Unterschied, ob ich jetzt von einem Ausländer beklaut werde, oder von einem Deutschen?“ Renate: „Im Prinzip ist es egal, aber wenn ein Ausländer dich beklaut, dann ist alles, mit ziemlicher Sicherheit weg. Und einen Deutschen, kann man auf Schadensersatz und Widergutmachung verklagen. Der Ausländer sitzt, wenn überhaupt kurz ein und wird dann abgeschoben. Wir haben ja auch nicht viel, aber klauen wir deswegen? Oder setzen wir Kinder zum Flaschensammeln und betteln ein?“ Wolfgang überlegte kurz und meinte dann: „Na ja, irgendwie hast du Recht. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass es in anderen Ländern der EU auch Not und Elend gibt. Und dafür sollte man auch Verständnis haben.“ Renate: „Mir geht die EU und der Rest der Welt am Hintern vorbei. Wir in Deutschland haben genug soziale Probleme. Um die sollten sich die Herren Politiker erst einmal kümmern, bevor man der halben Welt Asyl gibt und Milliarden hinterher wirft. Alle leben sie auf unsere Kosten und wenn wir etwas haben wollen, sind die EU und der Rest der Welt dagegen. Nein Wolfgang, bei uns liegt es sozial schon lange im Argen. Seid dieser Medienkanzler mit seinen Ökospinnern dran war, ist alles viel Schlimmer geworden. Ich kann mich noch daran erinnern, wie er auf einer Aussichtsplattform gestanden ist und sagte: Das ist die Politik der ruhigen Hand. Da habe ich gleich gedacht, na klar, wenn man die Hände in die Tasche steckt, kann man nichts bewegen. Ein Blender war er, sonst nichts. Er hat uns am Nasenring durch die Manege geführt.“ Wolfgang: „Aber es war nicht alles schlecht, was er gemacht hat. Er ist zum Beispiel nicht mit den Amis in den Krieg, gegen den Irak gegangen.“ Renate: „Hätte er auch nicht gekonnt, weil das laut unserer Verfassung gar nicht erlaubt ist. Wir dürfen uns nur verteidigen und in keinem Angriffskrieg mitmachen.“ Ihm gingen so langsam die Argumente aus. Er kannte seine bessere Hälfte und wusste, dass er in politischen Themen, keine gute Figur machte. Wolfgang stand auf und schnitt sich noch ein Stück Brot herunter, welches er zum Eintopf aß. Renate kratzte aus dem Topf den letzten Rest der Bohnen und fragte dabei: „Und wie ist deine neue Jacke? Ist sie warm genug?“ Wolfgang: „Sie ist soweit in Ordnung. Aber erst wenn es richtig kalt ist, kann ich dir sagen, ob sie auch warm hält. Für morgen haben sie Regen angesagt, da bleiben wir zu Hause und legen die Füße hoch.“ Renate: „Dann kannst du ja ins neue Gemeindezentrum gehen und das mit der Zuzahlung regeln. Mal sehen, was die neuen Sozialarbeiter so drauf haben.“ Wolfgang: „Aber wir haben doch schon alles bezahlt, was soll ich da noch regeln?“ Renate: „Ist ja gut, ich gehe mit dir mit, sonst wird das nichts.“

      Am Ende der Warschauer Strasse in Nummer 142, hatten sich die die sogenannten „Intellektuellen “ einquartiert. Dort hausten seit Jahren mehre Wohngemeinschaften mit ehemaligen Studenten. Es waren insgesamt drei WGs, mit je vier Bewohnern und im Erdgeschoss wohnte Harald Koslowski, mit Gattin Johanna. Harald war alles andere als entzückt über die Wohngemeinschaften. Für ihn waren es nur abgewrackte Hippies und Gammler, deren Eltern ihnen kein Anstand und Disziplin beigebracht hatten. Er ließ kein gutes Haar an ihnen und brachte das auch immer, lautstark zum Ausdruck. Nach Alfred Tetzlaffs Manier nannte er sie immer „die Sozis“ oder „linke Zecken“, während seine politische Heimat sehr braun ist. Und nun können sie sich ja vorstellen, was täglich in diesem ehrenwerten Haus los war. Schräg gegenüber, in der Nummer 139 wohnten vier Familien, die noch reguläre Arbeit hatten. Sie hatten ein gutes Einkommen, was man auch an ihren Autos sah. Gehobene Mittelklassewagen standen abends vor der Haustür, natürlich mit Anwohnerparkplatz. Das war in Haus Nummer 135 ganz anders. Hier wohnten Familien, die teilweise drei Jobs hatten, nur um über die Runden zu kommen, aber trotz allem noch Mietzuschuss beantragen mussten. Eine verrückte Welt ist das. Da hat man Arbeit