Название | "Wir schaffen das" |
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Автор произведения | Benjamin Webster |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783745097009 |
Renate und Wolfgang machten sich an den Abwasch. Er trocknete ab und fragte sie dabei: „Gibt es etwas Neues im Viertel, schließlich war ich fast zwei Wochen nicht hier?“ Renate: „Eigentlich nicht. Das heißt doch. Im alten Laden von Frau Huber, kommt ein Gemeindezentrum herein. Es sollen sich drei Sozialarbeiter, um die Belange der Einwohner des Viertels kümmern.“ Wolfgang: „Du meinst den Lebensmittelladen, der schon drei Jahre leer steht?“ Sie nickte und antwortete: „Genau der.“ Er fragte weiter: „Und um was kümmern die sich dann? Muss man jetzt bei denen den Hartz IV Antrag ausfüllen und abgeben?“ Renate: „Keine Ahnung, aber im Flur habe ich noch den Flyer liegen, den mir einer der Sozialarbeiter in die Hand gedrückt hat.“ Wolfgang: „Wurde auch Zeit, dass die vom Rathaus etwas unternehmen, schließlich sind wir wie Neukölln und Kreuzberg auch ein Problemviertel. Ich glaube aber nicht, dass die Sozial fuzzis was erreichen. Die haben schon einmal vor Jahren das Gleiche versucht und sechs Monate später, war der Spuk vorbei. Wie viele haben sie dieses Mal abgestellt?“ Renate: „Es waren zwei Männer und eine Frau, alle so um die Mitte dreißig. Aber ich muss sagen, sie waren sehr freundlich. Mitte Januar eröffnen sie das Gemeindezentrum offiziell. Wenn du aber etwas wissen willst, kannst jetzt schon telefonisch nachfragen. Das steht aber alles auf dem Flyer.“ Wolfgang: „Gibt es bei der Eröffnung auch was zu futtern?“ Renate: „Du denkst auch nur ans essen, frag lieber einmal nach, wer die 120.- Euro Zuzahlung fürs Krankenhaus übernimmt.“ Wolfgang: „Ich dachte du warst schon beim Amt und bei der Kasse?“ Renate: „Versuch es einfach, vielleicht kennen die eine Möglichkeit, dass wir nicht bezahlen müssen. Probieren geht bekanntlich über studieren.“ An der Haustür klingelte es. Wolfgang fragte: „Erwartest du noch jemand?“ Renate: „Ich habe keinen eingeladen. Das wird bestimmt wieder Inge sein. Sie geht jeden Tag einkaufen, aber immer vergisst sie etwas.“ Wolfgang legte das Geschirrhandtuch beiseite und ging zur Haustür. Wie er öffnete, riefen auf einmal vier Nachbarn ganz laut: „Überraschung.“ Jeder streckte ihm etwas entgegen. Es waren Wein, Sekt und einen selbstgebackenen Kuchen. Inge hatte noch Kaffee mitgebracht und meinte: „Schön, das du wieder zu Hause bist. Was ist, sollen wir da draußen in der Kälte Wurzeln schlagen? Oder glaubst du, du könntest mit Renate zusammen, alles allein futtern und trinken?“ Wolfgang antwortete: „Ich weiß jetzt gar nicht was ich sagen soll, am Besten, ihr kommt erst einmal herein.“Wie alle im Wohnzimmer standen, kam Renate aus der Küche und Inge sagte zu ihr: „Wir haben uns gedacht, wir überraschen Wolfgang mit einer Überraschungsparty.“ Renate: „Und aus welchem Grund, er hat weder Geburts- noch Namenstag?“ Inge: „Na, weil er wieder gesund und munter unter uns weilt. Gott sei Dank war es nicht so schlimm. Bringst du bitte Tassen und Teller, den Kuchen habe ich selbst gebacken.“An diesem Abend gab es reichlich Kaffee, Kuchen und Sekt. Und die Freude darüber, dass Wolfgang wieder gesund aus der Klinik entlassen wurde, war echt und nicht gespielt. So einfach geht Mitgefühl und Nachbarschaft, wenn man es will. Aber viele Mitmenschen können gar keine Gefühle mehr zeigen. Teils liegt es daran, weil sie schon zu oft enttäuscht wurden, oder schlicht und einfach abgestumpft sind. In unserer Zeit ist das schon fast Normalität geworden. Jeder für sich, die anderen sind mir egal. Hauptsache ich und davon viel und reichlich. Geld regiert die Welt, da stören Gefühle nur. Oft bleibt da, die Ehrlich- und Menschlichkeit auf der Strecke.Renate hielt Wort. Sie ließ Wolfgang erst eine Woche später wieder auf die Strasse. Irgendwann am Nachmittag trennten sich ihre Wege. Wolfgang brache die gesammelten Flaschen zu verschiedenen Discountern und löste diese ein, während sich Renate vor ein renommiertes Bankhaus setzte, ihr Schild und einen Pappbecher auspackte. Still saß sie da und harrte der Dinge. Das brauchte sie auch, weil auf dem Schild stand: „Ich bin ein Opfer des Systems. Ich suche verzweifelt nach Arbeit, aber niemand stellt mich ein.“ Viele die aus der Bank kamen, nahmen nicht einmal Notiz von ihr. Hier und da blieb ein Kunde stehen und warf ihr ein paar Cent in den Becher. Nach drei Stunden packte sie alles zusammen und zog Bilanz. 10,45 Euro hatte sie erbettelt, was immerhin mehr war, als sie beim Flaschensammeln bekommen hätte. Am Abend kamen noch einmal 6,75 Euro von Wolfgang dazu. So hatten die beiden 17,20 Euro verdient, Geld das sie gut gebrauchen konnten, wie viele in der Warschauer Strasse. Zum Beispiel Familie Schröder, die nur drei Häuser weiter wohnte. Es ist eine vierköpfige Familie. Vater Karsten, 49 Jahre, Mutter Ute, 47 Jahre, sowie die beiden Kinder Uwe und Stefan mit 14 und 16 Jahren. Sie wohnten bereits seid 10 Jahren hier und hatten auch schon bessere Zeiten erlebt. Denn Vater Schröder, war inzwischen seid 13 Monaten arbeitslos und erhielt somit die Grundversorgung, sprich Hartz IV Leistungen vom Vater Staat. Vorher hatte er einen guten Job als Filialleiter einer Supermarktkette. Er verlor seinen Job, weil die Filiale wegrationalisiert wurde. Zu wenig Umsatz, besser gesagt, zu wenig Gewinn. So fielen dieser Maßnahme fünf weitere Arbeitsplätze zum Opfer. Nur die beiden Azubis kamen in einer anderen Filiale unter. War ja auch klar, erstens sind Azubis arbeitsrechtlich besonders geschützt und zweitens, sind es billige Arbeitskräfte. Trotz vieler Bewerbungen, bekam Karsten keine neue Arbeit. Und Ute ging es nicht besser. Sie hatte zuletzt vor 16 Jahren gearbeitet, aber wie ihre ältester Sohn Uwe auf die Welt kam und kurz danach Stefan, war an arbeiten nicht mehr zu denken. Mutter Ute führte den Haushalt und Papa Karsten schaffte die Kohle ran. Diese Rollenverteilung passte auch in Kartens politische Einstellung, war er doch stockkonservativ eingestellt und ein leidenschaftlicher Fan der Kanzlerin. Nur in letzter Zeit verstand er die Welt nicht