Ein naheliegendes Opfer. Elisa Scheer

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Название Ein naheliegendes Opfer
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783844278705



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zuckte mit den Schultern. „Schwer zu sagen. Mit Jonathan gab es in der Firma häufiger Ärger, kein Wunder. Sebastian ist Kunstmaler geworden und hat auf Kleinelektronik gepfiffen, Tatjana und Sybilla sind bloß Mädchen. Und generell, glaube ich, kann er mit Kindern nicht so viel anfangen. Ich habe ihn nur ein paar Mal mit seinen Kindern erlebt, aber da herrschte so ein – wie soll ich sagen? – gezwungener Ton, als kennten sie sich gar nicht richtig. Als – ja, als hätte er sie erst als Erwachsene überhaupt erst kennengelernt. Sie müssten die Kinder fragen – aber als wir geheiratet haben, das war 1996, da waren die Kinder vierzehn, zwölf, zehn und eins. Mein Gott, eins? Das hatte er mir damals natürlich nicht so genau gesagt… also, ganz ehrlich, er war schon ein ziemlicher Arsch, wenn man es recht bedenkt.“

      Anne zwinkerte. „Wird das ein Geständnis?“

      „Tut mir leid – ich war´s nicht, auch wenn es mich ab und zu in den Fingern gejuckt hat. Und nicht nur mich, da bin ich sicher. Fragen Sie mal Marie Louise, seine erste Frau. Die war zwar sicher auch sauer auf mich, aber bestimmt noch mehr auf den Göttergatten.“

      Max nickte und wollte auch etwas fragen: „Wissen Sie, wie Ihr Mann seinen Besitz hinterlassen hat?“

      „Da fragen Sie mich was… ich denke, die Firma kriegt wohl Jonathan, der interessiert sich wenigstens dafür. Sein Geld… vielleicht verteilt er es unter die Kinder? Wäre ja wohl auch das Übliche. Ich denke, ich kriege nur ein bisschen was – er hat erst vor ein paar Tagen gesagt, im Falle seines Todes müsste ich mir keine großen Hoffnungen machen.“

      „Ist ja reizend“, fand Max.

      Carina lachte spöttisch. „Wir hatten uns gestritten und ich habe wahrscheinlich recht mordlüstern dreingeschaut. Vielleicht ist es wenigstens etwas mehr als bei einer Scheidung – oops, rede ich mich gerade um Kopf und Kragen?“

      „Wir wissen das schon einzuordnen“, beruhigte Anne sie. „Und Ihre Vorgängerin bekommt nichts?“

      „Ich weiß es nicht. Vielleicht eine Kleinigkeit. Eigentlich hat er sie bei der Scheidung schon über den Tisch gezogen, da könnte er ihr doch wenigstens jetzt… naja, zu spät.“

      Anne nickte und kam zu einem delikateren Thema: „Herr Creutzer war ja nun offenbar nicht jemand, der die eheliche Treue erfunden hat… kann es sein, dass er zurzeit wieder einmal ein außereheliches – äh – Interesse hatte?“

      Carina lächelte. „Haben Sie hübsch gesagt. Ja, ich denke, das hatte er. Er hat mich vor einigen Tagen so angeschaut und gemeint, ich würde auch nicht jünger. Der Arsch!“, fügte sie finster hinzu.

      „Und was haben Sie geantwortet?“, wollte Max wissen.

      Jetzt kicherte sie regelrecht. Eher ungewöhnlich für eine frisch gebackene Witwe, fand Anne. Aber vielleicht hatte der bewundernde Blick von Max ja damit etwas zu tun – soo alt war Carina Creutzer ja wirklich noch nicht, dreiundvierzig, wenn die Daten stimmten.

      „Ich hab ihn gefragt, ob er keinen Spiegel hat. Und er hat gemeint, er könne sich das leisten, er habe schließlich andere Qualitäten. Dazu ist mir nichts mehr eingefallen, ich hätte bestenfalls hysterisch kreischen können. Hab ich keine anderen Qualitäten? Und was soll das bei ihm überhaupt gewesen sein? Charmant war er nicht, großzügig war er nicht – vielleicht hat er gedacht, Macht macht sexy, aber CE ist nun nicht gerade ein Weltkonzern, oder?“

      Max gab ihr eilfertig Recht, was ihr durchaus zu schmeicheln schien. Anne hatte jetzt allerdings das Gefühl, aus Carina Creutzer alles herausgeholt zu haben, deshalb leitete sie den Abschied ein. Beim Hinausgehen sahen sie noch, wie die trauernde Witwe sich über das Sofa streckte und nach ihrem Handy angelte.

       Weißt du schon das Neueste? Jemand hat meinen Alten umgelegt…

      17

      Am frühen Abend saßen sie wieder alle im Präsidium und trugen die Ergebnisse zusammen.

      „Der Creutzer war ein Arsch“, verkündete Liz.

      „Hörensagen“, konterte Anne, „du kanntest ihn ja gar nicht persönlich. Aber einen Beliebtheitswettbewerb hätte er nicht gewonnen, da hast du Recht.“

      „Auf jeden Fall mögen ihn seine Frauen nicht so sehr“, ergänzte Joe. „Diese Marie Louise hat er mit vier Kindern sitzen gelassen!“

      „Das Jüngste gerade ein Jahr alt“, wusste Max.

      „Der Sauhund“, kommentierte Liz. „Gut, sie konnte es sich leisten, aber trotzdem, so geht´s ja auch nicht!“

      „Und jetzt macht er die zweite Frau runter, offenbar hat er die dritte am Start. Leider wusste die zweite Frau nicht, wer das sein könnte.“

      „Die erste auch nicht. Aber wenn man an sein Beuteschema denkt, dann würde ich sagen, eher klein, dünn, blond.“

      „Hart formuliert, in der Sache aber wohl korrekt“, meinte Anne.

      „Es gibt übrigens noch eine Frau“, ergänzte Joe. „Der Creutzer hat noch zeitgleich mit Nummer eins einer anderen ein Kind gemacht, einer Christine Merten. Die könnte doch auch Rachegelüste hegen?“

      „Nach zwanzig Jahren?“ Anne fand das unglaubhaft.

      „Eher nach dreißig“, musste Joe zugeben, „das Kind ist so alt wie die ältere Tochter, Tatjana. Eine Tochter, Kira heißt sie.“

      „Gut“, sagte Anne, „ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber mir langt es jetzt. Wir wissen, dass er mit seinen Frauen ganz schön Schlitten gefahren ist, dass die sich aber auch nichts gefallen lassen, und wir müssen morgen mal die Finanzen der Firma untersuchen, denn nach dem, was ihr berichtet habt“ – sie wies auf die Tafel – „ist da auch nicht alles okay. Und dann graben wir die Merten samt Tochter aus und knöpfen uns die mal vor. Ach ja, und vielleicht weiß ja in der Firma jemand, wer die mysteriöse Nummer drei oder wieviel-auch-immer sein könnte. Wer was macht, klären wir morgen, okay? Ich finde, wir müssen uns nicht bei jedem Fall die Nächte und die Wochenenden um die Ohren schlagen.“

      „Das heißt, wir lösen den Fall bis Freitagmittag?“, schlug Liz vor, die für ihre freche Klappe berühmt war.

      „Wäre günstig“, stimmte Anne zu und grinste.

      DI, 05.05.2015

      18

      „Also, wer macht jetzt was?“, fragte Joe, als die Kaffeebecher gefüllt waren und die Brezentüte herumging.

      „Wir haben im Angebot: die Exgeliebte, die uneheliche Tochter, die Firmenfinanzen und die Frage, wer die neue Dame der Wahl war“, fasste Anne zusammen.

      „Ich nehme die Exgeliebte“, preschte Liz vor. „Dann mache ich die Tochter“, verkündete Max. Anne warf ihm einen milden Blick zu. „Packst du das?“

      „Logisch! Was soll daran denn so schwer sein?“

      „Weiß ich noch nicht. Die Tochter kann von Hascherl bis ausgekocht ja alles sein. Sei auf jeden Fall auf der Hut!“

      Max brummte.

      „Ich schaue harmlos und versuche, die neue Freundin zu finden“, bot Joe an. Anne musste lachen. „Ja, dein Schwiegersohn-Gesicht ist manchmal schon wirklich nützlich gewesen. Gut, dann nehme ich mir die Finanzen der Firma vor. Wer fertig ist, kommt wieder her und wartet. Vielleicht gibt es dann ja auch schon einen Obduktionsbericht oder etwas Interessantes, das uns weiterhilft.“

      Alle nickten, steckten die restlichen Brezen als Proviant ein und erhoben sich.

      19

      Liz hatte Christine Merten im Internet, bei INPOL und in den Daten der Leisenberger Meldestellen nachgeforscht und so wenigstens die Adresse der Dame herausgefunden – Augustinerweg 5 in Mönchberg. Am Hungertuch schien die Merten also nicht zu nagen, obwohl sich der Kindsvater ja wohl mehr als schofel benommen hatte. Tapfere Frau – oder andere Geldquelle? Erst ermitteln, dann Schlüsse