Ein naheliegendes Opfer. Elisa Scheer

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Название Ein naheliegendes Opfer
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783844278705



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„danach sicher gerne.“

      „Ihre Ausbildung dauert drei Jahre…“

      „Zweieinhalb“, antwortete Alina, „ich habe Abitur, da wird doch die Ausbildung verkürzt.“

      „Nun, das hängt natürlich immer vom Ermessen der Ausbilder ab, nicht? Aber ich bin sicher, wir können da eine für beide Seiten befriedigende Lösung finden…“

      Sein Lächeln bei befriedigende war eindeutig schmutzig. Er fuhr fort: „Aber das sollten wir nicht hier besprechen. Wissen Sie was? Ich werde das lange Wochenende in meiner Jagdhütte im Latschenwald verbringen, wissen Sie, wo das ist?“

      Interessiert mich doch nicht. Brav schüttelte sie den Kopf.

      „Nun, dann machen wir es doch so – Sie begleiten mich einfach, und wir unterhalten uns mal so richtig in Ruhe über Ihre Zukunft bei CE. Hier können Sie nämlich eine glänzende Zukunft haben!“

       Ja, als dein Betthase, du alter Bock. Und so toll läuft dein Laden auch wieder nicht.

      Sie zog sich rasch in Richtung Tür zurück und sagte nur: „Ich habe am Wochenende leider schon etwas vor, tut mir Leid. Gute Erholung in der Hütte!“

      Damit öffnete sie die Tür und rannte hinaus.

      Widerlich!

      Nicht, dass er ihr etwas getan hätte, so blöde war der Drecksack nicht – aber alleine schon dieses anzügliche Gerede! Und auf den Busen geglotzt hatte er ihr auch, obwohl sie sich wirklich fragte, wieso, denn so viel gab´s da gar nicht zu beglotzen. Bei Lilo wäre er da eindeutig besser versorgt. Sie kicherte und merkte, dass das schon leicht hysterisch klang.

      „Und?“, fragte Lilo, als sie wieder ins Büro kam.

      „Na, wie zu erwarten. Ich soll ihn übers Wochenende auf eine Hütte begleiten, um über meine Zukunft zu reden. Ich glaube, er wird mich rausmobben, wenn ich mich weiterhin ziere.“

      „Hat er das gesagt??“

      „Nö. Muss er auch nicht, das kann ich mir doch denken! Täte ich an seiner Stelle vielleicht auch. Dann stellt sich die nächste nicht so an.“

      „Hui, kannst du dich gut in den alten Sack reinversetzen – was verrät mir das über dich?“ Lilo feixte sie an. „Und was, hast du gesagt?“

      „Bin schon verabredet.“

      „Stimmt das?“

      „Klar. Mit zwei Krimis, meiner Katze und meinen Eltern. Saugemütlich. Und vielleicht schaue ich am Samstag mal in die Stadt. Schuhe oder so.“

      „Schuhe gehen immer“, gab Lilo ihr Recht. „Wenn du Lust hast, könnten wir auch zusammen… Kennst du „Shoe´s“?“

      „Logisch. Und „Step by Step“ am Fuggerplatz?“

      „Nein, ist der neu?“

      „Ja, ziemlich wenigstens. Okay, am Samstag um zehn am Fuggerplatz, vor dem Haltestellenpavillon?“

      10

      „Ich muss dich unbedingt sprechen!“ Helmut Steinmann stand breitbeinig in der offenen Tür, als wollte er seinen Kompagnon daran hindern, das Büro zu verlassen.

      Creutzer musterte ihn missgelaunt. „Dann mach´s gefälligst kurz, ich will in die Hütte. Also? Zwei Minuten!“

      „Benimm dich nicht so rotzig, du machst dir ja nur noch Feinde!“

      „Jetzt sind es nur noch neunzig Sekunden. Hast du auch irgendwas Wesentliches zu sagen?“

      „Du arrogantes Arschloch, hältst du dich eigentlich für allmächtig? Mit deiner großkotzigen Einstellung treibst du die Firma in den Ruin, ist dir das denn nicht klar?“

      „Das ist schließlich meine Firma!“

      „Nicht nur, du vergisst, dass ich dein Teilhaber bin!“

      „Ja, aber leider gehören dir nur dreißig Prozent, nicht? Schon blöd… entscheiden tue ich auf jeden Fall alleine, und ich weiß, was ich tue.“

      „Du? Du hast ja jeden Bezug zur Realität verloren – bist du eigentlich sicher, dass du noch ganz bei Verstand bist? Vielleicht kündigt sich da eine Demenz an?“

      Creutzer stellte seinen Aktenkoffer beiseite, schätzte die Entfernung ab und verpasste seinem Partner in aller Ruhe einen sauber platzierten Kinnhaken. Steinmann fiel hintenüber in den Flur und rutschte auf dem blanken Steinboden einige Meter weit. Creutzer nahm seinen Koffer wieder auf, schloss sein Büro ab, stieg über Steinmann hinweg und betrat den Lift. Steinmann, immer noch auf dem Boden liegend und sich das Kinn reibend, starrte ihm nach, die Augen voller Hass.

      MO, 04.05.15

      11

      Kira hatte sich für diesen witzigen Blazer aus rosaweißem Tweed entschieden, den sie bei Debenham´s gefunden hatte. Dazu die neue Liberty-Bluse, weiß mit winzigen rosa Blümchen und ebenso winzigen silbernen Sternchen. Sie liebte Liberty-Muster und kaufte sich in London jedes Mal mindestens eine Bluse.

      Um alles gut zur Geltung zu bringen, hatte sie dazu eine schmale schwarze Hose gewählt. Schwarze Pumps und alles war perfekt.

      Und Britta hatte wieder einen großen Hunger an begabten jungen Führungskräften bekundet. Kira hatte ihr da ja schon öfter einige Tipps gegeben, unter anderem vor einem guten Jahr den stellvertretenden Personalchef von CE, der mittlerweile für ein deutlich besseres Gehalt bei einem Softwareentwickler in Sussex arbeitete.

      Sie lächelte bei dem Gedanken, wie dumm Creutzer schauen würde, wenn ihm schon wieder jemand davonlief, und schlug die erste Mappe auf ihrem Schreibtisch auf. Ideen zur Vermarktung der neuen Power Banks. Wie etablierte man DE auf diesem Gebiet zur Megamarke? Branding war schon eine spannende Sache…

      Sie brauchten ein neues Logo. Mindestens so einprägsam wie der legendäre angebissene Apfel! CE hatte übrigens gar kein Logo. Tja, Pech gehabt.

      Merkwürdig übrigens, dass Creutzer noch gar nicht beim Chef aufgeschlagen war, um zu toben, weil sie ihm das Joint-Venture mit Criscom weggeschnappt hatten.

      Egal, vielleicht leckte er ja einfach still seine Wunden?

      Mittags konnte sie von der Salatbar aus, wo sie gedankenvoll ihren Salat mit Putenstreifen verzehrte, das oberste Stockwerk von CE hinter noch etwas dürftig belaubten Baumwipfeln sehen. Sie grinste kurz in die Richtung und aß dann gemütlich weiter.

      12

      „Jetzt ist er völlig übergeschnappt“, kommentierte Jonathan. „Und was bitte heißt „vorübergehend nicht erreichbar“?“

      „Keine Ahnung. Wenigstens die Mailbox müsste doch drangehen, oder?“, überlegte Steinmann, der bei ihm im Büro saß und nachdenklich Kaffee trank. Hier war er viel besser als beim Senior, der seine Sekretärin immer nur den billigsten Kaffee kaufen ließ.

      „Na, vielleicht schmollt er auch nur“, überlegte Jonathan weiter. „Am Donnerstag hat er sich ja schon recht ärgern müssen, gell? Alle haben ihm widersprochen, die Sache mit Criscom hat nicht geklappt, kein Wunder, sein Angebot war eine Frechheit.“

      Steinmann lachte auf. „Wieder mal nach dem Motto Ihr dürft zahlen und wir streichen den Profit ein? Ich kann gar nicht verstehen, wieso Christen da nicht begeistert war.“

      „Ganz genau. Mich lässt er ja nicht selbstständig verhandeln! Und bei DE haben die einfach geschicktere Leute. Wir können gute Mitarbeiter ja kaum halten, nicht bei den Gehältern und dem Führungsstil. Und wer widerspricht, gilt als Schwächling, den es auszumerzen gilt. Wer nicht widerspricht, wahrscheinlich auch“, fügte er nachdenklich hinzu. „Ich möchte bloß mal wissen, woher er diesen sozialdarwinistischen Schwachsinn hat.“

      „Eigentlich kann er sich doch nicht ernsthaft für