Ein naheliegendes Opfer. Elisa Scheer

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Название Ein naheliegendes Opfer
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783844278705



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Equipments ausgesprochen nützlich sein.“

      „Eine Win-win-Situation sozusagen“, erläuterte Toni, der auch einmal etwas beitragen und nicht nur still die juristischen Formulierungen prüfen wollte.

      Christen lächelte. „Ja, den Eindruck habe ich aus ihrem detaillierten Exposé auch gewonnen. Wir hatten ja auch einen Vorschlag zur Zusammenarbeit mit Creutzer Electronics, aber dieser Entwurf war deutlich weniger durchdacht und vor allem deutlich weniger günstig für uns.“

      „Das kann ich mir vorstellen“, rutschte es Kira heraus.

      Christen grinste. „Ach ja?“

      Kira errötete. „Naja, man hört ja so manches in der Branche – ohne dass ich jetzt über CE herziehen möchte… Aber sie scheinen deutlich stärker an ihrem eigenen Vorteil als an einer gleichberechtigten Zusammenarbeit interessiert zu sein.“

      Christen nickte. „Den Eindruck hatte ich auch. Gut, dann werden wir dieses Projekt gemeinsam durchziehen. Sie sind zeichnungsberechtigt?“

      Kira hatte eine Vollmacht von Dr. Söltl dabei, der heute dringend nach Berlin gemusst hatte. Der Vertrag wurde feierlich unterzeichnet, es gab noch feste Händedrücke und für jeden ein Gläschen Prosecco.

      Als sie mit Toni recht vergnügt die Firmenzentrale von Criscom verließ, kam ihnen ein elegant gekleideter junger Mann entgegen und Kira prustete leise, als sie ihn sah. Er dagegen eilte blicklos an ihr vorbei ins Gebäude.

      „Was lachst du?“, wollte Toni prompt wissen.

      „Das eben war der junge Creutzer, Jonathan. Tja, wer zu spät kommt, den bestraft das Leben… hihi.“

      „Klar, die sind die Konkurrenz – aber du kannst die schon gar nicht leiden, oder?“

      „Stimmt. Auch wenn ich ihn persönlich gar nicht kenne, der olle Creutzer ist ein Arsch. Allein schon, wie der Mama damals behandelt hat…“

      Toni drückte tröstend ihre Schulter. „So ein Erzeuger ist schon blöd… aber es heißt doch immer, die beste Rache ist ein gutes Leben, nicht? Und jetzt haben wir ihm ein fettes Geschäft weggeschnappt.“

      „Ganz genau!“

      Sie machten High Five und stiegen wieder ins Auto.

      5

      „Was soll das heißen?“, fragte Hans Peter Creutzer scharf.

      „Genau, was ich gesagt habe“, antwortete Jonathan nicht ohne gereizten Unterton. „Die Idee ist dir verflixt spät gekommen, und DE hat uns bei Criscom ausgestochen. Die waren schneller. Und vielleicht war ihr Angebot auch besser.“

      „Bist du verrückt geworden?“ Creutzer starrte seinen Ältesten erbost an, was diesen nur mäßig beeindruckte.

      „Nein“, sagte der, „aber weißt du was? Wenn ich nicht ohnehin hier arbeiten würde, würde ich garantiert keine Verträge mit CE abschließen.“

      Sein Vater schien einen Moment lang sprachlos, also fuhr Jonathan rasch fort: „Deine Verträge nutzen generell nur dir, und warum sollte sich jemand darauf einlassen?“

      Offensichtlich verstand der Senior gar nicht, worauf sein Sohn hinauswollte. „Natürlich nützen unsere Verträge uns! Wozu sollten wir sie sonst abschließen?“

      „Ja, aber was hätte die andere Seite davon?“

      Creutzer lächelte schlau.

      „Du willst also die Gegenseite nur über den Tisch ziehen – und weißt du was? Das hat sich in der Branche mittlerweile herumgesprochen, und deshalb will auch niemand mehr mit uns Verträge abschließen oder sonstwie kooperieren.“

      „Unsinn, das liegt doch nur daran, dass du so schlecht verhandelst! Ich bin wirklich schwer enttäuscht von dir.“

      „Mir kommen die Tränen“, schnappte Jonathan. „Nein, abgesehen davon, dass du zu spät auf den Zug mit Christen aufgesprungen bist und DE einfach schneller waren, haben die offenbar auch ein Angebot gemacht, das beiden Seiten nützt. Aber das ist dir ja vollkommen fremd.“

      „Aus gutem Grund, du Weichei! Was anderen nützt, schadet mir doch! Das Leben ist ein Kampf, schon vergessen? Der Starke frisst den Schwachen, und ich habe nicht vor, der Schwache zu sein, da kannst du ganz sicher sein. Und wenn du nicht so denkst, ist in dieser Firma kein Platz für dich. Du würdet Creutzer Electronics nur an unsere Feinde verschenken!“

      Jonathan verdrehte die Augen. „Sag mal, hörst du dir eigentlich mal selbst zu? Feinde? Stark und schwach? Leben als Kampf? Hast du zu viel Nazischeiße gelesen oder woher kommt dieser Schwachsinn?“

      Sein Vater lief rot an und brüllte: „Hinaus! Du bist gefeuert!“

      Jonathan ging zur Tür, aber dort drehte er sich noch einmal um: „Gefeuert? So einfach ist das nicht, weißt du?“

      „Ich ändere mein Testament!“

      „Dann musst du aber auch abkratzen, sonst tritt es ja nicht in Kraft. Viel Spaß dabei.“

      6

      „Warum bist du denn so nervös?“, wollte ihre Kollegin wissen, und Alina stieß einen tiefen Seufzer aus. „Ich muss nachher zum Chef… was der bloß jetzt wieder will?“

      Lilo setzte sich auf die Kante von Alinas Schreibtisch, der daraufhin leise knackte. „Wieso wieder? Musst du denn öfter zu ihm? Warum?“

      „Keine Ahnung, aber der Kerl ist mir sowas von unangenehm. Nervt er dich denn nicht?“

      Lilo fuhr sich durch die kurzen dunklen Locken. „Nö. Eingestellt hat mich der Personalchef, also, nach dem Einstellungstest, und den Creutzer hab ich vielleicht einmal gesehen – genau, bei dieser allgemeinen Begrüßung, wo er ein paar kalte Worte gesprochen hat - und irgendwas von Lebenskampf. Kam mir ein bisschen braun vor.“

      „Wie, braun?“

      „Naja, so nazimäßig eben. Die hatten es doch immer so mit Kampf und Krieg.“

      Alina riss die blauen Augen weit auf. „Das auch noch! Meinst du echt – aber so alt ist er doch nun auch wieder nicht? Ich meine, die Nazis, das ist doch fast siebzig Jahre her?“

      „Gibt immer noch welche.“ Lilo rutschte wieder von der Tischkante und zupfte ihre stramm sitzenden schwarzen Hosen zurecht. Unwillkürlich sah Alina auf ihre eigenen zierlichen Schenkel und strich sich dann übers Haar.

      „Und, was will er immer so von dir?“

      „Er hat mal was von Nachwuchsförderung gesagt, aber was er sich darunter so genau vorstellt – mir ist der Mann richtig widerlich. Ich glaube fast, der will mir an die Wäsche. Was soll ich da bloß am besten machen?“

      „Hm.“ Lilo studierte Alina: mittelgroß, zierlich, blond. Wenn der Senior auf so was stand, dann war sie selbst – dunkelhaarig und eher stämmig gebaut, sehr sportlich und mit einem lauten Mundwerk gesegnet – wohl außer Gefahr. „Hast du schon mal mit der Frauenbeauftragten gesprochen?“

      Alina schnaufte. „Die hat doch total Schiss vor dem Creutzer! Ich soll einfach deutlich Nein sagen, hat sie gemeint, mehr fällt ihr auch nicht ein. Weichei.“

      „Blöd… und wenn er dich anpackt und du ihm in die Eier trittst, kommt das auch nicht so gut.“

      „Toller Tipp. Dann kann ich mir ja gleich einen neuen Ausbildungsbetrieb suchen! Ich hätte es doch damals bei Digital Equipments versuchen sollen, Mist.“

      „Wie ist denn das, wenn du zu ihm musst? Macht er dann so eklig die Tür zu und schließt ab und kommt dann immer näher?“

      „Nimmst du mich eigentlich nicht ernst? So ein richtig schmutziger alter Mann ist er auch wieder nicht, eher macht er so subtil Druck – ob ich denn nicht weiterkommen möchte. Ob ich keinen Blick dafür habe, wer mir weiterhelfen könnte. Verdammt, ich schlaf mich doch nicht