Grundreinigung. Elisa Scheer

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Название Grundreinigung
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737559751



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Also, wenn bei uns ein Lehrer mit einer Schülerin poppt, dann ist die Kacke schon ziemlich am Dampfen“, verteidigte sich Jani.

      „A-ri-a-ne! Bitte nicht solche Wörter bei Tisch!“ Mama klang direkt scharf.

      „Ja, aber an der Uni ist das nicht verboten. Man kann schließlich immer den Prof. wechseln, oder?“ Ich nickte zu Gelis Ausführungen und dachte über ein zweites Stück Kuchen nach. Lieber nicht, Heiners Frechheiten spukten mir immer noch im Kopf herum. „Schriftsteller ist er, oder?“, überlegte Papa weiter. „Krimis, glaube ich...“

      „Ihr habt Sorgen!“, fauchte Annika unvermittelt los, schob krachend ihren Stuhl zurück und rannte die Treppe hinauf in ihr Zimmer. Wir sahen ihr konsterniert nach. „Was hat die denn? Liebeskummer?“, fragte ich.

      „Null Punkte in der Matheklausur“, erläuterte Mama. „Ich kenne mich zwar mit diesen neuen Noten immer noch nicht so aus, aber es hört sich übel an.“

      „Null Punkte ist eine Bombensechs“, erklärte Geli freundlich. „Und sie hat schon zweimal die Hürde gerissen, also hat sie Angst um ihr Abitur. Ist doch logisch!“

      Damit war mein Putzjob natürlich vergessen. Wir überlegten, wie man Annika helfen konnte. Leider waren wir alle keine Mathecracks, wenn es auch bei Geli und mir für einen Dreier immer gereicht hatte. Jani war ganz gut, aber sie kannte den Stoff ja noch gar nicht. Schließlich fiel Geli ein Kommilitone ein, der Mathematik studierte und angeblich ganz toll erklären konnte. Zusammen stiegen wir die Treppe hinauf. Annika lag auf ihrem Bett und starrte an die Decke. „Na, habt ihr jetzt von meiner Schande gehört? Ich fall durchs Abi, wenn das so weiter geht! Oder ich werde gar nicht erst zugelassen.“

      „Du schreibst doch noch eine Klausur, oder?“ Annika brummte zustimmend. „Soll ich den Holger mal fragen, ob er mit dir übt?“

      „Holger – und wie noch?“

      „Holger Reuss, warum?“

      „Der Reuss? Der, bei dem der halbe Kurs sitzt? Der ist endlos ausgebucht, das kannst du vergessen.“

      „Wart´s ab. Ich kenne ihn ganz gut. Hast du die Klausur noch?“

      Unwirsche Kopfbewegung in Richtung Schreibtisch. Es sah gar nicht gut aus, alles rot, überall Fehlzeichen, und vorne am Rand stand schwungvoll O P. = 6. Am Ende der letzten Seite las ich Katastrophal! So kann es nicht weiter gehen, Annika! Das konnte einem das Wochenende schon verbittern.

      „Du Arme...“

      „Ich bin eben zu blöd für Mathe“, murmelte Annika.

      „Quatsch!“, widersprach Geli. „Holger sagt, Mathe kann jeder, wenn man es ihm richtig beibringt. Wieso sitzt denn der halbe Kurs bei ihm? Weil der Pfister nicht erklären kann, oder?“

      „Du hast den Pfister?“, hauchte ich entsetzt. „Scheiße, bei dem wäre ich auch mal fast durchgefallen, in der neunten. Das ist doch der letzte Chaot!“

      „Wem sagst du das“, seufzte Annika. Geli zog ihr Handy aus der Tasche und ging zum Telefonieren auf den Flur. Nach zwei Minuten war sie wieder da. „Morgen um sieben Uhr abends, bei ihm. Okay?“

      „Ernsthaft? Ist ja toll!“ Annika lebte wieder auf. „Wie hast du das gemacht?“

      „Tränendrüse. Um sieben wäre er eigentlich fertig, aber er quetscht dich noch dran. Du sollst alles mitbringen, auch die Klausur, und dann will er mal sehen. Aber du sollst dich auf blöde Termine einstellen, die guten sind schon fest vergeben.“

      „Macht nichts, ich würde auch um Mitternacht hingehen. Hauptsache, er bringt mich über die Hürde!“

      Wieder ein Problem gelöst! Wir trabten die Treppe wieder herunter. „Dass du Heiner abserviert hast... Ich fand ihn eigentlich ganz süß“, stellte Geli unterwegs fest. „Ja, äußerlich schon. Aber er ist ein Schmarotzer und wahnsinnig eingebildet. Nur er weiß, was Kultur ist, wir anderen sind spießige Banausen, nur dazu gut, das Genie zu umsorgen. Das wird einem irgendwann dann doch zu blöde.“

      „Mir kam er eigentlich schon ganz schlau vor. Weißt du noch, seine bösartigen Kommentare, als Titanic im Fernsehen lief?“

      „Ja, weiß Gott. Und wir sollten uns alle so einen experimentellen Film aus Tunesien stattdessen angucken. Mag ja sein, dass da mehr Aussage drinsteckte, aber auch Leonardo di Caprio hat doch eine Existenzberechtigung. Außerdem ist bei Heiner nichts echt. Du hättest mal erleben müssen, wenn Proletarierkultur und elitäre Hochkultur sich gegenseitig widersprochen haben, dann wusste er absolut nicht, wo er sich einordnen sollte. Null eigener Geschmack.“

      „Du bist ganz schön hart. Ich dachte, du hast ihn mal geliebt?“

      „Das legt sich, wenn du bloß das Hausdoofi bist, das - wie hat er so nett gesagt? – nur zum Putzen und zum Bumsen taugt. Nach diesem Satz, das muss ich leider zugeben, ist das Niveau der Diskussion ziemlich abgestürzt.“

      Geli kicherte. „Das hat er gesagt? Grob.“

      „Ich hatte ihn provoziert, aber er ist auch verdammt leicht zu provozieren. Was der von einer Frau will, ist schnell umrissen: zahlen, bewundern, poppen. Was sie denkt, ist irrelevant, er ist das Genie, und damit basta! Aber du kannst dein Glück gerne bei ihm versuchen, er scheint eine Mäzenin zu suchen. Gisi wollte ihn ja auch nicht zurück.“

      „Hat er denn so wenig Geld?“

      „Ach wo“, schnaufte ich, „er verdient ganz anständig. Aber das Privileg, den Avantgardepapst bei sich wohnen zu haben, kostet eben. Er spart sein Geld, wofür, weiß ich nicht. Vielleicht will er ein weiteres Filmfestival ins Leben rufen, es gibt ja noch kaum welche.“

      Geli lachte wieder. „Ich glaube, der ist mir auch zu teuer – und zu anstrengend. So toll ist der Job beim Tengelmann wieder nicht. Und in der WG wollen die den sicher auch nicht haben."

      „Aber ihm würde das gefallen“, sinnierte ich, „drei Weiber – fast schon ein Fanclub.“

      „Nö, lass mal, das muss ich nicht haben.“

      „Sehr vernünftig. Wäre ich bloß damals auch so schlau gewesen! Obwohl – ganz zu Anfang war er noch nicht so.“

      „Und jetzt bist du pleite?“ Das sagte sie klugerweise in dem Moment, als ich die Wohnzimmertür öffnete, und zwei Elternköpfe fuhren entsetzt herum.

      „Ja. Als ich gesagt habe, er soll im Monat dreihundert Euro auf den Tisch legen, sonst kriegt er nichts mehr zu essen, war es gar nicht mehr so schwer, ihn loszuwerden. Im Moment hab ich noch, glaube ich, sechzig Euro bis zum Dispolimit und etwa zwölf Euro in der Tasche. Ende des Monats müsste ich noch – siebzehn mal fünfzehn mal vier – äh – rund tausend Euro von JobTime kriegen. Und ich kaufe bloß noch bei Aldi ein, und nur ganz wenig.“

      „Sehr vernünftig“, lobte Papa und guckte gequält – offenbar hatte er schon erkannt, dass hier für einen Pumpversuch der Boden bereitet werden sollte. Ich hütete mich, sofort in diese Kerbe zu hauen, und bedankte mich nur fromm für dieses Lob. Nach einer weiteren Runde Smalltalk und dem vergeblichen Versuch, Jani auszureden, sich die Haare blauschwarz zu färben, um wie Morticia Addams auszusehen, machte ich mich umständlich zum Aufbruch bereit.

      Mama sprang sofort auf. „Komm vorher noch mal mit in die Küche!“ In der Küche füllte sie die Hälfte des Marmorkuchens in eine Tupperwaredose, packte die in eine Plastiktüte, steckte noch einige Konserven dazu und ein frisches Paket Kaffee und küsste mich. „Und melde dich, wenn du Hunger hast oder Geld brauchst!“

      „Mach ich“, versprach ich gerührt und schleppte die Tüte in den Flur, wo Papa neben dem Garderobenständer lauerte. Zwei kleine grüne Quadrate wurden mir unauffällig in die Hand gedrückt. „Aber sag´s nicht Mama!“

      Ich schloss meine Hand schnell und küsste ihn dankbar. „Ich sag kein Wort – und du kriegst es auch wieder, wenn ich in Lohn und Brot stehe, versprochen!"

      „Weiß ich doch! Nur Jani steckt ein