Grundreinigung. Elisa Scheer

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Название Grundreinigung
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737559751



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recht viel versprechend. Ich holte mir ein Stück Zeitung aus dem Altpapierkorb und machte mich daran, sie abzuziehen – zuerst alle, in denen Feuerrot enthalten war, also etwa jede zweite. Einige gingen schon spurlos runter, die anderen hinterließen noch weiße Reste, aber keine widersetzte sich grundsätzlich.

      Schon besser! Die weißen Reste kriegten noch einen Klecks Etikettenlöser, und ich nahm mir alle vor, die rosa und lila Blütenblätter hatten – das war fast der komplette Rest. Nur drei mit blau-gelb-orange-weiß-blau blieben über, die waren wohl seltener – Sammlerstücke? Mit den diversen Siebziger- und Achtziger-Revivals waren diese scheußlichen Dinger sicher auch wieder in Mode gekommen. Gegen Viertel vor sieben war die letzte Prilblume erlegt und in der Zeitung begraben und ich schrubbte mit einem Teigschaber vorsichtig die letzten Spuren von den Schranktüren, bevor ich sie intensiv mit Glanzreiniger behandelte. Die Küchenmöbel sahen fast wie neu aus! Als auch noch der Boden gewischt und ein frisches Handtuch aufgehängt war, bewunderte ich mein Werk. Da kam Kampmann herein, zwei Plastiktüten in der Hand, und sah sich blinzelnd um. „Sie haben den Dingern echt den Garaus gemacht? Die Küche sieht ja gleich völlig anders aus! Danke!“

      „Aber bitte, das ist doch mein Job“, wehrte ich ab und half ihm beim Auspacken. Mist, dass er nun selbst einkaufen ging, mit dem Spriteuro hatte ich fast schon gerechnet! „Na und? Ihre Vorgängerin hat ein bisschen daran herumgekratzt und dann gefunden, die Dinger sähen doch sehr nett aus, so fröhlich.“

      „Die Mistviecher gefallen doch vielen Leuten, sonst wären sie jetzt nicht wieder auf den Prilflaschen hintendrauf. Komisch, dass Pril nie mal was anderes probiert hat, Oldtimer, Segelschiffe, Schlümpfe, kleine Kätzchen oder so. Die Prilblumen waren wohl der einzige geistige Höhenflug.“

      Ich bemerkte seinen Blick und klappte schleunigst den Mund wieder zu.

       Du sollst deine Kunden nicht endlos zutexten.

       „Ich werde mal die Wäsche aufhängen...“, murmelte ich und verzog mich wieder in den Keller, wo die Maschine schon länger fertig war.

       Als ich wieder nach oben kam, war Kampmann in seinem Arbeitszimmer verschwunden, jedenfalls sah ich ihn nicht mehr. Besser so, sonst brach ich bloß wieder in einen Redeschwall aus – heute hatte ich ihn schon mit meinen Ansichten über Prilornamente und mit meinen Figurproblemen genervt, das reichte ja wohl. Wie sah es denn im Wohnzimmer aus? Die grüneichene Schrankwand bestand jetzt nur noch aus einem einzigen Teil, und das Zimmer wirkte völlig unbenutzt. Ich entstaubte es rasch und ließ alle Holzteile – mit Ausnahme der Schrankwandreste, eine letzte Ölung brauchten die wohl auch nicht mehr – kräftig mit Politur ein. Was machte der Typ eigentlich mit einem prachtvollen Esstisch ohne Stühle? Und wozu drei Sofas zum Lümmeln, aber kein Fernseher? Nicht mal eine Stereoanlage war zu sehen! Tat er gar nichts, außer auf seinen leeren Bildschirm zu starren?

       Immerhin hatte er jetzt eine Küche, die für einen erwachsenen Menschen taugte. Und ein ordentliches Wohnzimmer. Naja, sauber war es wenigstens. Und ich hatte immer noch eine Dreiviertelstunde Zeit, also konnte ich noch schnell das Gästeklo und das Bad durchwischen und mal die Treppe putzen, die ich bis jetzt immer ignoriert hatte. Allmählich konnte ich manische Hausfrauen verstehen – diese Putzerei machte tatsächlich Spaß, man sah so schön schnell Ergebnisse, vor allem, wenn die Bude vorher so wüst ausgesehen hatte. Und viel denken musste man auch nicht. Kurz vor acht verräumte ich meine Gerätschaften und kontrollierte noch einmal alle Zimmer, dann klopfte ich brav an der Arbeitszimmertür. „Ich wäre für heute fertig...“

       „Warum so zaghaft im Konjunktiv?“ Kampmann grinste und ich grinste unwillkürlich zurück.

       „Konditionalis, ergänzen Sie wenn Sie nichts mehr für mich zu tun haben.“

      „Touché! Wie würden Sie das Haus außen streichen, wenn es Ihres wäre?“

      Ich überlegte. „Weiß... oder ganz helles Gelb sähe auch gut aus, das passt zur Entstehungszeit. Oder ein ganz, ganz blasses Hellbraun, aber nicht so senffarben. Das hat nass wohl weniger heftig ausgesehen?“

      „Keine Ahnung, ich war das nicht. Vielleicht sollte ich das klarstellen – ich war das alles nicht, ich hab das Haus vor einem Jahr samt Inventar gekauft, also unterstellen Sie mir nicht so einen miserablen Geschmack.“

      „Tschuldigung. Und jetzt fangen Sie an zu renovieren?“

      „So nebenbei. Wenn mir sonst nichts einfällt...“

      „Glauben Sie, Freecell hilft gegen die Schreibblockade?“

      „Was würden Sie vorschlagen?“ Das klang ziemlich scharf. „Entschuldigung, das war unverschämt. Geht mich auch nichts an“, zog ich mich sofort zurück.

      „Sagen Sie schon!“

      „Naja, ein bisschen surfen? Oder fernsehen, vielleicht kommen Sie dabei auf Ideen?“

      „Wissen Sie denn, was ich schreibe?“ Ich zuckte die Achseln. „Mein Vater glaubt sich an Krimis zu erinnern. Ich muss gestehen, mir hat der Name nichts gesagt."

      „Krimis stimmt. Und Sie meinen, da schaue ich mir irgendeine Krawallsendung an und stürzte dann an den Computer, um genauso einen Mord stattfinden zu lassen? So billig geht es nicht, Anne.“

      „Tut mir Leid, ich verstehe ja nichts davon. Ich dachte nur... Haben Sie noch einen Wunsch?“ Er warf mir einen schwer deutbaren Blick zu. „Ich fürchte, nein. Sie dürfen nach Hause gehen. Haben Sie einen Vorschlag für Freitag?“

      „N-nein. Bis Freitag dann.“

      Seine Finger spielten mit einem Lineal. „Ja, bis Freitag. Schönen Tag noch.“

      Ich schaute, dass ich wegkam, Kampmann machte mich regelrecht nervös. Sein Grinsen nahm ich aus dem Augenwinkel aber doch noch wahr, bevor ich die Arbeitszimmertür hastig von außen schloss.

      Auf dem Heimweg wunderte ich mich selbst. Sicher, er war ganz nett, und hässlich war er auch nicht, aber solche Kerle gab´s doch reichlich – und war ich nicht gerade erst mühsam einen losgeworden? Gierte ich schon nach dem nächsten? Nach einem mittelalterlichen unbekannten Schriftsteller mit Zottelhaaren und Schreibblockade, der in einem scheußlichen Haus lebte? Gut, sein Geschmack war das offenbar nicht. Aber bloß, weil er sich grüne Eiche und Senffassade nicht selbst ausgesucht hatte, musste ich ihm ja noch nicht in die Arme sinken – die er im Übrigen wirklich nicht gerade einladend ausgebreitet hatte.

      Ich war eine dumme Kuh. Wenn ich einen Funken Verstand hätte, würde ich putzen wie eine Weltmeisterin, das Geld nehmen, um meine Finanzen in Ordnung zu bringen, meine Dissertation schreiben, privat bestenfalls mal mit Ingrid und Carla einen zwitschern gehen und ab April die fette Karriere machen – als zufriedener Single. Nie ums Fernsehprogramm streiten, niemandem hinterher räumen, nie mehr Sex, bloß um von Streitpunkten abzulenken, sich nie mehr runtermachen lassen. Tolle Aussichten – aber warum freuten sie mich nicht so, wie ich das geglaubt hatte?

      Wenigstens saß der selbst ernannte Szenepapst nicht schon wieder vor meiner Tür, er hatte auch keine Briefe, verwelkten Rosen oder sonstigen Müll hinterlassen. Ich ließ meine Tasche fallen, zog die Jacke aus, ging sofort aufs Klo, um jedes überflüssige Gramm auszuschalten und stieg dann auf die Waage. Siebzigkommafünf. Also sechsundsechzigkommafünf? Ich drehte an der Eichschraube herum, bis die Einstellung so aussah, wie ich es wünschte. Gestern hatte ich vor lauter sportlichem Eifer nicht mehr daran gedacht. Einen Apfel konnte ich noch essen, und dann gab es eine Runde Gymnastik. Immerhin hatte ich beim Putzen den Muskelkater vergessen, aber sobald ich mich auf den Boden setzte, kam er zurück.

      Ächzend und schnaufend absolvierte ich meine Übungen. Wieso war ich eigentlich so schlecht beieinander? Ich rauchte nicht, ich war nicht direkt sehr fett, ich bewegte mich täglich mit dem Putzeimer, da musste ich doch bessere Kondition haben? Offenbar nicht, jedenfalls schaffte ich wieder überall nur die Hälfte und fiel dann frustriert aufs Bett. Und der Apfel hatte nicht gerade gesättigt! Aber mittlerweile war es fast neun, wenn ich jetzt noch etwas aß, schlug es sicher doppelt an... Andererseits, nur so ein kleines Stückchen von dieser gemein lecker