Grundreinigung. Elisa Scheer

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Название Grundreinigung
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737559751



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hier erst montags, wahrscheinlich waren die Container schon voll.

      „Du meinst, solange ich noch nicht ganz verhungert bin, wäre ich verpflichtet, das Geld lieber dir in den Rachen zu werfen? Das sehe ich nicht ganz so, und jetzt hau endlich ab – und bleib auch weg, Mensch!“

      „Nicht ganz verhungert? Du siehst überhaupt nicht verhungert aus“, kommentierte er boshaft. „Von hinten schon dreimal nicht.“ Das überging ich vornehm und kramte meinen Schlüssel aus der Hosentasche.

      „Kann ich mit reinkommen?“

      „Um mir meine Einkäufe wegzufuttern, mich weiter zu beleidigen und die Wohnung in Unordnung zu bringen? Vielleicht möchtest du auch noch etwas ausleihen und nie zurückbringen – meinen Laptop, mein Schreibpapier, meine Stifte? Nein, du bleibst draußen.“

      „Warum tust du so, als hätte ich dich ausgenutzt?“ Oh, dieser unschuldige Blick, wirklich niedlich! Aber völlig nutzlos.

      „Weil es so war. Heiner, du findest sicher schnell eine andere, auf deren Kosten du leben kannst, du siehst doch gar nicht so schlecht aus. Mach dich auf die Suche und lass mich endlich in Ruhe.“

      „Ach ja? Stimmt, besser als du sehe ich auf jeden Fall aus. Ich glaube, du wirst immer fetter. Wie machst du das, wenn du dir angeblich kein Essen leisten kannst? Lässt du dich auf deinen Putzstellen füttern?“

      „Hau ab.“

      „Mach ich“, verkündete er sofort, stand aber nicht einmal auf. „Ich hab im Handumdrehen eine andere, bessere. Dir wird das Ganze noch übel leid tun – oder glaubst du, du findest noch mal jemanden wie mich?“

      „Hoffentlich nicht“, kommentierte ich. „Einer war anstrengend genug.“

      „Dann bleib doch in deiner Bedeutungslosigkeit und hol dir nachts selber einen runter.“

      „So nötig hab ich´s nicht, und von deiner Prominenz ist mir bis jetzt noch nicht gerade viel aufgefallen.“

      „Das liegt daran, dass du von Kultur so viel verstehst wie James Cameron von guten Filmen, nämlich überhaupt nichts. Ich sollte mich vielleicht mal an die Museumsverwaltung wenden... wieso die sich so eine unfähige Kuh wie dich ausgesucht haben? Vielleicht kann man da noch was machen...“

      „Tu das nur“, fauchte ich, „aber vergiss nicht, ich kenne auch Leute bei City News, und ich muss nicht den Dienstweg einhalten.“ Er wurde blass. „Das würdest du nicht tun!“

      „Warum nicht? Du hast mir doch gerade das Gleiche angedroht! Eine Hand wäscht die andere...“

      „Aber ich bin bei City News der einzige, der wirklich etwas von Kultur versteht! Ohne mich können die doch einpacken. Aber du bist doch wirklich zu blöde für deinen Job. Du taugst doch nur fürs Putzen und fürs Bumsen – obwohl, so toll warst du im Bett auch nicht.“

      Auch dieses Spiel konnte man zu zweit spielen, sobald ich die Tür auf hatte. „Das kannst du doch gar nicht beurteilen, mit so einem kleinen Schwanz wie deinem.“ Ich schoss in die Wohnung und knallte die Tür zu, dann schloss ich zweimal ab und legte die Kette vor. Heiner hämmerte noch etwas an die Tür und brüllte: „Blöde Schlampe, so was wie mich findest du nie wieder, du bist doch für alles zu blöd!“

      Ich antwortete nicht mehr, sondern drehte die Musik so laut auf, dass ich seine weiteren Tiraden nicht mehr hören konnte. Auf jeden Fall sollte ich Alex Dietersheimer anrufen und ihm tratschen, dass Heiner der einzig wahre Kulturredakteur war – der würde sich schön ärgern und Heiner hoffentlich aus dem Blatt mobben! Dieses eingebildete Arschloch! Das war doch wirklich unglaublich! Ich zitterte vor Wut, während ich meine Einkäufe – billigstes Dosenfutter, und er tat so, als würde ich mich mit den edelsten Speisen mästen und ihn hungern lassen! – verräumte. Dieser elende Hund, jetzt hatte er mir den gemütlichen Abend versaut... Zwar konnte er bei der Museumsverwaltung wahrscheinlich weniger erreichen als ich bei City News, aber dieses rattenmäßige Verhalten – was hatte ich denn da für einen Kerl in meiner Umgebung geduldet? Fast zwei Jahre lang? Ich verstand ja wohl auch nichts von Männern!

      Ich konnte lediglich für eins dankbar sein – er war draußen und ich war drinnen, und die Türen waren ziemlich massiv. Außerdem würde Heiner sie nie einschlagen, dabei könnte er sich ja seine kostbare Schreibhand verletzen oder sich Gott behüte einen Spreißel einziehen.

      Immer noch wütend wärmte ich mir gebackene Bohnen auf und aß dann ohne großen Appetit. Seine bösen Worte waren zwar sicher nur gesagt worden, weil er meine Schwachstellen kannte, aber sie nagten doch an mir. War ich zu fett? Hatte ich in den letzten Tagen derartig zugenommen? Meine dunklen Jeans (etwas anderes konnte man bei den Oberschenkeln nicht tragen) kniffen aber nicht mehr als sonst, fand ich. Mittendrin ließ ich die Gabel sinken und stellte mich im Bad auf die Waage. Siebzig Kilo bei einsachtundsiebzig... das war eher ein Kilo weniger als sonst! Eigentlich logisch, durch die Putzerei bewegte ich mich ja auch mehr als sonst. Vielleicht wurde ich noch schlank?

      Fünf

      Die Familie saß vollzählig um die Kaffeetafel. Ich ließ meinen Blick wandern: Meine Eltern sahen recht vergnügt drein – weil sie ihre Brut komplett um sich versammelt hatten? Ariane zog ein mürrisches Gesicht, wie es einer Siebzehnjährigen zukam, und popelte abwechselnd an ihrem schwarzen, abgesplitterten Nagellack und an einem total zerkrümelten Stück Marmorkuchen herum, Annika wirkte deprimiert und sagte gar nichts, Geli erzählte von einer Spanischvorlesung, die sie tief beeindruckt hatte, und Mama tat so, als verstünde sie etwas davon.

      Meine Eltern! Hatten vier Töchter und gaben allen einen Namen mit A, als seien wir ein Wurf junger Hunde! Post an A. Holler hatte uns vor große Probleme gestellt, solange wir noch alle hier wohnten, aber Geli und ich hatten ja mittlerweile etwas Eigenes: Geli wohnte mit zwei Freundinnen zusammen in einer etwas vergammelten Dreizimmerwohnung in der Altstadt, und ich hatte mein winziges Appartement.

      Annika hätte im Sommer auch ihr Abitur und würde dann so rasch wie möglich ausziehen, konnte ich mir vorstellen, also blieben meine Eltern nur noch auf Jani sitzen, die erst in der elften Klasse war und sich gerade im Grufti-Look gefiel. Hatte man das denn immer noch? Eine entsprechende Frage würde aber nur meine Uninformiertkeit und mein Spießertum zeigen, also sagte ich lieber nichts. Bei Spießertum fiel mir aber etwas anderes ein.

      „Ich hab Heiner rausgeschmissen“, verkündete ich also mitten in einen Monolog über Calderón. „Sehr gut“, lobte mein Vater, „ich konnte diesen Angeber noch nie leiden. Was war der Anlass?“

      „Er wurde mir zu teuer, er hat ja immer erwartet, dass ich sein Leben mitfinanziere. Und jetzt, wo ich den tollen Job erst im April antreten kann...“ So verpackte man unangenehme Nachrichten geschickt! Oder doch nicht?

      „Was?“ Mama fuhr auf, Calderón war vergessen. „Du hast die Stelle noch gar nicht?“

      „Nein, es gibt eine halbjährige Besetzungssperre. Im Moment putze ich für meinen Lebensunterhalt.“

      „Du putzt?“ Geli kicherte, wahrscheinlich dachte sie an das heillose Chaos, das immer in meinem Teeniezimmer geherrscht hatte.

      „Ja, eigentlich ist das ganz interessant. Obwohl es ja schon Spinner gibt...“

      Ich gab ein paar Geschichten über die Rössel zum Besten und erzählte dann auch von der grausigen Villa Kampmann. Allgemeines Gelächter – nur Annika verzog keine Miene. Papa überlegte halblaut. „Kampmann – Kampmann, den Namen hab ich doch schon mal gehört?“

      „In welchem Zusammenhang?“ Der mürrische Kerl interessierte mich ja doch! Vielleicht erfuhr ich hier, warum er so mürrisch war? „Weiß ich nicht mehr. Da war was... ich komm jetzt nicht drauf. Heißt er – Moment – äh – Clemens?“

      „Ja, ich glaube schon“, tat ich unwissend. „Der war mal an der Uni“, steuerte Geli bei, „aber das war vor meiner Zeit. Da gab´s irgendwelchen Ärger.“

      „Weshalb?“ Jetzt wurde ich richtig neugierig. „Weiß ich auch nicht, aber ich kann mich mal