Название | Eine schwierige Familie |
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Автор произведения | Elisa Scheer |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783737583329 |
„Dann trägt sie sicher auch zum Haushalt bei?“ Diese Frage erschien Sophie selbst etwas heuchlerisch, aber Raben musste seine Probleme schließlich selbst formulieren.
„N-nein.“ Sein rundliches Gesicht lief rosa an.
„Ach? Warum nicht?“
„Naja… also, Paula achtet schon sehr darauf, dass es gerecht zugeht. Und wenn Conny gratis wohnt, dann sie natürlich auch.“
Ja, das wusste Sophie schon – aber war ihm eigentlich klar, wie blödsinnig das war?
„Ich weiß, die Begründung ist etwas seltsam, aber ich habe dem nichts entgegenzusetzen.“ Er zuckte die Achseln.
Warum nicht?, lag Sophie auf der Zunge, aber dafür war es noch zu früh.
„Das heißt, beide Schwestern leben auf Ihre Kosten?“
Er nickte. „Ludwig natürlich auch, der verdiente ja nichts.“
„Dafür müsste ja praktisch Ihr ganzes Gehalt draufgegangen sein… und im Gegenzug konnte nicht mal jemand den Staubsauger durchs Haus schieben?“
Er schüttelte den Kopf und schien den Tränen nahe. Selbsterkenntnis oder Selbstmitleid?
In diesem Moment wurde seine Kohlenhydratbombe serviert und beim Essen kehrte seine gute Laune schnell wieder zurück. Essen als Trost, notierte Sophie sich im Stillen.
Sobald der erste Hunger gestillt zu sein schien, fragte sie dann doch direkt: „Warum lassen Sie sich das eigentlich gefallen?“
„Was denn?“ Er spießte mehrere Pommes Frites mit der Gabel auf.
„Dass Ihre Geschwister Sie so ausnehmen.“
„Finden Sie, das tun sie?“ Anscheinend hatte er gesättigt eine deutlich rosigere Sicht auf die Situation.
„Nun, auf Gegenseitigkeit scheint mir Ihr Zusammenleben nicht wirklich zu beruhen. Oder was tragen Ihre Geschwister bei?“
Schulterzucken. „Müssen Sie denn etwas beitragen? Eltern verlangen das doch auch nicht von ihren Kindern?“
„Von erwachsenen Kindern im Allgemeinen schon“, widersprach Sophie und verkniff es sich, ihm eine Pommes zu klauen. Nach ihren Ausführungen zur Nachtruhe würde das ihre Position nur schwächen. „Außerdem sind Sie doch nicht der Vater.“
„Nein, aber nach dem Tod unserer Eltern… naja, ich bin eben der Älteste…“
„Moment mal“, überlegte Sophie, „Ihre Geschwister sind zwischen 35 und 28 Jahren alt, richtig?“
„Ja, warum?“
Als ob er sich das nicht denken konnte!
„Und Ihre Eltern sind wann verstorben?“
„Unsere Mutter 1999 und unser Vater 2004.“
„Das heißt, als Sie endgültig die Rolle des Ersatzvaters übernommen haben, waren ihre Geschwister zwischen fünfundzwanzig und achtzehn Jahre alt?“
„Äh – ja.“
„Und Sie haben sich verpflichtet gefühlt, ihnen weiterhin ein Elternhaus zu ermöglichen, wie sie es gewöhnt waren?“
„So ungefähr.“
„Ihr Vater hat auch nie versucht, seine Kinder mal – sagen wir – aus dem Nest zu stoßen?“
„Aber nein, warum denn? Das ist hier doch schließlich unser Elternhaus.“
Sophie nickte, allmählich resignierend. Der Mann hatte ja offenbar gar kein Problembewusstsein. Oder ein gewaltiges Talent, sich alles schönzureden.
Besser gesagt schönzufuttern – jetzt war der Teller nämlich leer. Die Bedienung servierte ab, Sophie orderte noch ein Wasser und kam sich dabei selbst etwas arg asketisch vor.
Raben dachte über ein Dessert nach, beschloss aber dann doch, es lieber zu lassen.
„Sie hängen also sehr an Ihrem Haus? Wenn es doch Ihr Elternhaus ist?“
Raben seufzte. „Naja… also so besonders auch nicht. Ich meine, das Haus ist schon recht alt und nicht gerade gut in Schuss… ich müsste eine Menge Geld hineinstecken, um es auf einen vernünftigen Standard zu bringen…“
„Geld, das Sie nicht haben, oder?“
„Stimmt.“
„Und wenn Sie es hätten? Würden Sie es investieren? Immerhin ist das Haus Jugendstil, nicht?“
„Nicht gerade ein Musterexemplar, Denkmalschutz ist keiner drauf.“
Interessant, dass er das schon eruiert hatte…
„Und ganz ehrlich – ich glaube nicht, dass ich das Geld da reinstecken würde, wenn ich es hätte. Das Haus ist doch auch viel zu groß.“
„Och… für drei Leute?“
„Auch für drei Leute. Es war mal gedacht für eine Familie mit vielen Kindern, einigen Verwandten und auch etwas Personal. Die Hälfte aller Zimmer steht sowieso leer.“
Sophie nickte. „Ich würde Ihnen gerne eine Hausaufgabe stellen.“
Raben lachte auf. „Eine Hausaufgabe – wie früher in der Schule?“
„Ganz genau. Ich möchte, dass Sie sich eine Vision schreiben.“
„Wie funktioniert das?“
„Sie beschreiben Ihr Leben, so wie es für Sie ideal wäre. Schreiben Sie nicht im Konjunktiv und nicht als Wunsch, sondern als Tatsache. Zum Beispiel: Ich lebe in einem kleinen Strandhaus an der kalifornischen Pazifikküste und schreibe jedes Jahr ein bahnbrechendes Werk über die Literatur der Empfindsamkeit - oder was auch immer Ihr persönlicher Traum ist.“
„Und dann analysieren Sie das?“
„Nicht unbedingt – also nur, wenn Sie das möchten. Eigentlich ist eine Vision nur für Sie selbst bestimmt. Mit etwas Übung kann man daraus herleiten, wohin man möchte. Und wenn man sein Ziel mit seinem momentanen Standort vergleicht, kann man auch überlegen, welche Schritte einen von A nach B bringen können. Das nennt man eine Ist-Soll-Analyse.“
Raben nickte. „Das klingt sehr – wie soll ich sagen? – sehr technisch.“
„Vielleicht. Es hat sich allerdings durchaus bewährt. Versuchen Sie es ruhig. Und Sie entscheiden selbst, was davon Sie mit mir besprechen wollen. Einverstanden?“
Das Nicken kam etwas zögernd, aber immerhin.
„Dann können wir jetzt über etwas anderes sprechen“, verfügte Sophie. „Für heute war das genug Coaching.“
„Können wir morgen damit weitermachen?“
„Ich schau mal nach.“ Sie zog ihr Smartphone aus der Tasche und studierte den Terminkalender. „Ja, wieder um sieben? Wieder hier?“
„Vielleicht etwas früher? Damit Sie auch etwas essen können?“
„Gut – um sechs. Wieder hier?“
„Gerne. Oder ist das für Sie umständlich zu erreichen? Ich weiß ja gar nicht, wo Sie wohnen…“
Sophie sah von ihrem Telefon auf. „In Henting. Das ist also gar kein Problem.“
„Henting… sozusagen gegenüber?“
„Schon sehr sozusagen. Ich habe keinen Blick auf den Fluss – und außerdem wohne ich ein ganzes Stück weiter östlich. Aber weit weg ist es nicht, das stimmt.“
„Stammen Sie aus Henting?“
„Nein. Unser Elternhaus stand in Waldstetten, aber unsere Eltern haben Leisenberg verlassen, sobald Fritzi volljährig war. Ihnen war hier zu wenig los, was Kunst und Kultur betrifft. Sie leben jetzt ja