Eine schwierige Familie. Elisa Scheer

Читать онлайн.
Название Eine schwierige Familie
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737583329



Скачать книгу

zu tun, und so lange du es ohne Honorar machst, sehe ich da kein Problem. Glaubst du, du kannst ihm helfen?“

      Sophie zuckte die Achseln. „Ich kann´s versuchen, aber ich fürchte, um ihm zu helfen, müsste man seine restlichen Geschwister auf eine verlassene Insel schaffen und dann dieses versiffte Haus sprengen. Ob man ihn anders befreien kann, wage ich zu bezweifeln.“

      Restorff grinste. „Das sind nicht die Methoden, die wir sonst empfehlen. Wo steht denn dieses versiffte Haus?“

      „Auf der anderen Leißseite, Richtung Birkenried. Ein paar hundert Meter von der Leiß selbst entfernt.“

      Restorff runzelte die Stirn unter seinem wirren schwarzen Haarschopf. „Da oben? Aber – da wohnt doch niemand? Da ist doch nur Pampa, bis zum Gut Birkenried?“

      „Ex-Gut. Das wurde nach dem Brand der Stallungen doch aufgegeben, erinnerst du dich? Jedenfalls, da wohnt auch keiner – außer den Rabens eben. Völlige Pampa.“

      Restorff runzelte immer noch die Stirn. „Hab ich darüber nicht irgendwas gehört? Nein, ich komme jetzt nicht drauf, aber irgendwas war mit der Gegend da oben.“

      *

      Das mathematische Institut der Universität Leisenberg führte ein etwas klägliches Dasein in einem Gebäude, das man in den späten Sechzigern nachträglich in einen trüben Hinterhof in der Carolinenstraße gesetzt hatte.

      Patrick sah sich in der Straße um. „Die Carolinenstraße sieht immer noch aus wie kurz nach dem Krieg.“

      „Hier könnte man auch prima DDR-Filme drehen“, stimmte Katrin zu. „Nicht mal die Autos müsste man wegfahren.“ Sie trat einem schätzungsweise dreißig Jahre alten violetten Japaner ohne TÜV-Plakette gegen die Reifen.

      „Lass lieber – nicht, dass der sich in einer Staubwolke auflöst!“, mahnte Patrick im Spaß.

      „Macht doch nichts, der müsste sowieso entsorgt werden. Muss man nur noch den Staub aufkehren. Und hier ist jetzt die Uni? Ist ja deprimierend!“

      „Passt doch zu Mathematik“, fand Patrick und spähte in den Hofdurchgang. „Da hinten, glaube ich.“

      „Du warst wohl früher ein Mathe-Loser?“, neckte Katrin.

      „Du nicht?“

      „Nö. Vierzehn Punkte im Abitur.“

      „Olle Streberin. Hier sind wir richtig – Gott, wie hässlich!“

      Die blassgraue Fassade war durch Regenspuren und Graffiti geschmückt, die Eingangstür mit ihrem martialischen bronzenen Griff im Stil der mittleren Siebziger hatte einen Sprung in der Glasscheibe. Katrin drückte die Tür vorsichtig auf, nicht dass die womöglich auch zu Staub zerfiel!

      An der Wand hing immerhin eine dieser grauen Filztafeln, auf denen in umsteckbaren weißen Plastikbuchstaben vermerkt stand, wer wo residierte.

      „Gersch, Dr. – im Keller, das auch noch!“

      „Rechenzentrum. Vielleicht ist es im Keller ja kühler?“, mutmaßte Patrick und wandte sich dem Treppenhaus zu.

      Das Rechenzentrum empfing sie so wie erwartet – Großrechner, diverse Arbeitsstationen, Kabelsalat, Wärme, Gebrumm.

      „Herr Dr. Gersch?“ Katrin hörte sich regelrecht schüchtern an und ärgerte sich sofort darüber.

      „Ja?“ Ein Mann im weißen Kittel tauchte hinter dem Großrechner auf. „Was ist denn jetzt wieder kaputt?“

      „Kaputt? Nichts… wir kommen von der Kripo. Kramer mein Name, das ist mein Kollege Weber.“

      „Kripo? Wieso das denn?“ Gersch runzelte die Stirn, dann hellte sich sein Gesicht auf. „Ach so, ja – wegen der verschwundenen Geräte, ja?“

      „Nein“, hatte Patrick jetzt genug. „Wegen ihres Schwagers.“

      „Schwager? Bene? Was ist mit ihm? Sagen Sie bloß, er gibt -… aber was hätte dann die Kripo… nee, sagen Sie´s mir.“

      „Nicht Benedikt, Ludwig.“

      „Was ist denn mit dem Penner los? Sind Sie von der Drogenfahndung?“

      „Nein. Wir sind von der Mordkommission. Hat Ihnen denn keiner erzählt, dass Ludwig ermordet worden ist?“

      „Was?“ Gersch ließ seinen Schraubenzieher fallen. „Ermordet? Ja, wann denn? Ich hab ihn doch erst – okay, das war auch schon letzte Woche.“

      „Ach ja? Wo und wann genau haben Sie ihn denn gesehen?“

      Gersch hob den Schraubenzieher wieder auf und setzte sich, das Gesicht vom Bücken leicht gerötet.

      Unsportlich, dachte Patrick. Der Mann war einigermaßen jung, vielleicht Ende dreißig, und drahtig. Vom Bücken lila anlaufen taten doch sonst nur die Dicken mit dem hohen Blutdruck? Gut, wer wusste, an welchen Krankheiten Gersch litt; an die frische Luft kam er hier unten ja wohl eher nicht.

      „Also?“ Katrin bohrte nach, offenbar hatte ihr Patricks Geduld zu lange gedauert.

      „Was? Ach so, ja. Wo war das… Ja, im Rabenhaus natürlich. Ich wollte Benedikt etwas fragen – und Ludwig kam gerade über den Flur getrottet.“ Er grinste flüchtig. „Der hatte ja immer so einen Gang… als hätte er schon einen Schlaganfall hinter sich. Mein Vater ist nach seinem Schlag auch immer so etwas schief und stockend durch die Gegend getrottet, als würde er nur mit Mühe einen Fuß vor den anderen setzen. Aber Ludwig war wahrscheinlich bloß im Tran… und dann hat er mir sein berühmtes Lächeln geschenkt –“

      „Sein berühmtes Lächeln?“ Katrin war ganz ehrliches Interesse.

      „Ja… unheimlich. So hinterfotzig-strahlend, als wüsste er etwas über einen. War natürlich Quatsch, er hat einfach so gelächelt. Zu Hintergedanken hat´s bei dem doch schon lange nicht mehr gereicht. Ah… hat er genuschelt, der Mann mit System.“

      „Was hat er denn damit gemeint?“

      „Keinen Schimmer, war mir auch egal. Ich wollte doch bloß Bene fragen, ob er mir – naja, ich hatte einen kleinen Engpass, ist mir auch noch nie passiert…“

      „Sie wollten Benedikt von Raben also anpumpen?“

      „So ähnlich.“ Er schaute zu Boden, dann sah er trotzig wieder auf. „Ich zahl´s ihm schon wieder zurück, ich warte noch auf eine größere Zahlung.“

      „Wie viel war es denn?“

      Gersch zögerte. „Naja – zweitausend.“

      Katrin pfiff durch die Zähne. „Nicht wenig. Sagen Sie – so gut verdient Ihr Schwager doch auch nicht? Konnte er sich das denn leisen?“

      „Weiß ich nicht. Ich hab ihm halt gesagt, ich brauche es nur vorübergehend, der Wagen löst sich langsam auf und, naja… da hat er geseufzt und gesagt, na gut.“

      Patrick musterte ihn streng. „Aber Sie verdienen hier doch auch nicht so schlecht, oder? Ist das ein Zeitvertrag?“

      „Nein, eine Festanstellung. Öffentlicher Dienst. Geht schon, das stimmt.“

      „Und Ihre Frau arbeitet auch. Teilzeit?“

      „Nein, voll. So klein ist Larissa ja auch nicht mehr.“

      „Dann müssen Sie ein sehr, sehr ungünstiges Hypothekendarlehen abgeschlossen haben – und das, wo die Zinsen ein historisches Tief erreicht haben? Sehr merkwürdig. Herr Gersch, wozu brauchten Sie wirklich das Geld? Ihnen kann es eigentlich nicht schlechter gehen als Ihrem Schwager.“

      „Ich habe immerhin eine Familie!“ Überzeugend klang das nicht.

      „Ihre Frau verdient selbst. Und Ihr Schwager hat zumindest eine Schwester, die durchgefüttert werden muss.“

      „Die schreckliche Conny. Stimmt. Paula steuert zu Hause auch nichts bei, glaube ich“, gab Gersch zu,