Sünden von einst. Elisa Scheer

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Название Sünden von einst
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737562799



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Dinge doch bestimmt aufgeschrieben.“

      „Wissen Sie das oder vermuten Sie es nur?“, fragte sie zurück.

      „Ich vermute es. Ich weiß nicht viel über ihn.“

      „Was ist denn mit Ihrer Mutter? Sie haben sie noch gar nicht erwähnt.“

      „Sie ist vor zwanzig Jahren gestorben, ich kann mich nur noch vage an sie erinnern.“

      „Und ich gar nicht mehr“, ergänzte Nathalie, die plötzlich neben uns auftauchte und Frau Kerner die Hand reichte. „Nathalie Lamont, guten Tag.“

      Die Kerner erwiderte den Gruß und fragte weiter: „Hat Ihr Vater denn nie von ihr erzählt?“ Nathalie schüttelte den Kopf. „Kein Wort. Wir wissen nicht mal, woran sie eigentlich gestorben ist – oder, Nina?“ Ich konnte nur zustimmen.

      „Seltsam“, murmelte die Kerner und winkte einem jungen Mann zu, der aus dem Haus trat. „Na?“

      Der junge Mann warf uns einen forschenden Blick zu und zuckte dann die Achseln. „Nichts Vernünftiges.“

      „Vielleicht sollten Sie Vaters Anwalt informieren“, schlug Nathalie vor, „der kann Ihnen sicher Genaueres sagen. Über unsere Mutter und Vaters Lebensstil und all so was. Wir wissen wirklich nichts, wir durften ja nur auf Aufforderung eintreten. Der Anwalt heißt – äh.“

      „Kastner“, half ich aus. „Das heißt, wenn es immer noch der gleiche ist wie früher?“ Nathalie nickte. „Als er mich rausgesetzt hat, war´s noch der gleiche, und das ist erst vier Jahre her.“

      „Und wenn nicht, weiß er bestimmt, wer sich jetzt um das Mandat kümmert. Kastner“, wiederholte ich, „Leopold Kastner, oder?“

      „War´s nicht Luitpold?“, fragte Nathalie.

      „Kann auch sein. Na, beides wird´s ja wohl nicht geben.“ Der junge Mann notierte sich das, dann sah er auf: „Brauchst du mich noch, Charlie?“

      „Nein. Wenn ihr drinnen fertig seid, lasst die Leiche abtransportieren. Und kriegt mal raus, wo die Haushälterin steckt. Versiegelt das Zimmer, das dürfte reichen.“

      Er nickte brav und wandte sich ab. Nathalie betrachtete versonnen seine niedliche Hinterfront und zwinkerte mir dann zu. Ich bewahrte mühsam die Fassung, als Frau Kerner die Augen zum Himmel verdrehte und Immer das Gleiche murmelte. „Bitte?“, fragte ich aber doch, und sie winkte ab und musterte unsere fast identischen dunkelblauen Anzüge. „Nicht gerade die typische Freitagabendkleidung, oder?“

      „Er hasste Blue Jeans“, erläuterte Nathalie und starrte dem knackigen Polizistenhintern immer noch nach.

      „Nathalie, hör auf zu sabbern“, mahnte ich leise, „ich denke, du hast den tollen Hardy?“ Sie wandte sich widerstrebend ab. „Hast ja Recht. Aber niedlich ist der schon...“

      „Sollten Sie heute auch hier antreten?“

      „Nein“, erläuterte Nathalie, „nie beide zusammen. Zwei gegen einen, davor hatte er wohl Angst. Heute war bloß Nina dran, mich hätte es wahrscheinlich in zwei Wochen erwischt. Was das Ganze sollte, ist uns sowieso nie klar geworden – er konnte uns doch gar nichts mehr, es war nur ein schwächlicher Versuch zu Psychoterror.“

      „Vielleicht wollte er sich selbst einreden, dass er noch Einfluss auf uns hatte“, gab ich zu bedenken, aber eigentlich glaubte ich selbst nicht daran, und Nathalie warf mir auch einen entsprechenden Blick zu.

      „Besitzen Sie eine Waffe?“, wollte Frau Kerner wissen. Nathalie lachte schallend, und ich schüttelte den Kopf. „Höchstens ein Küchenmesser. Aber Sie dürfen sich gerne bei mir umsehen. Hier, meine Karte – wegen der Adresse.“

      Nathalie kramte ebenfalls eine Karte hervor, und wir erhielten im Austausch je eine Karte von Frau Kerner. „Kriminalhauptkommissarin“, las Nathalie vor. „Ist das viel?“

      „So mittel“, antwortete die Kerner. „Ja, ich weiß schon, mit DS, DI und DCI könnten Sie mehr anfangen, was?“

      „Kunststück, wenn die besten Krimis immer noch aus England kommen.“

      „Weißt du was?“, fragte Nathalie plötzlich. „Jetzt sind wir Vollwaisen. Komischer Gedanke.“

      „Deshalb fühle ich mich auch nicht anders“, antwortete ich, „aber vielleicht kommt das noch. Ich hab ja noch gar nicht erfasst, dass er tot ist... Wer macht so was?“

      „Genau das ist die Frage“, warf die Kerner ein und fixierte mich. „Fällt Ihnen zu diesem Mann nicht doch noch was ein?“

      „Mann?“ Nathalies Blicke schossen von ihr zu mir und wieder zurück. „Welcher Mann? Der berühmte Landstreicher?“

      „Sehr betroffen wirken Sie beide wirklich nicht“, wurden wir kritisiert. „Der Mann, den Ihre Schwester beim Verlassen der Villa gesehen hat.“

      „Da war ein Mann? Ist er´s vielleicht gewesen?“

      Ich zuckte die Achseln. „Keine Ahnung. Einen rauchenden Colt hatte er jedenfalls nicht in der Hand. Ich hab ihn doch nur ganz kurz gesehen und erschrocken war ich auch. Außerdem möchte ich bloß mal wissen, wo die Frau Zittel ist. Und wer hatte einen Grund, ihm das anzutun?“ Warum Nathalie da grinste, verstand ich nicht. „Was hat Ihr Vater eigentlich beruflich gemacht?“, wechselte die Kerner das Thema.

      „Nichts mehr, denke ich. Er hatte mal eine Firma, aber die hat er 2001 verkauft. Ob eine von uns sie weiterführen wollte, hat er gar nicht gefragt. Typisch.“

      „Was für eine Firma?“

      „Lamont und Partner AG. Autozubehör. Er war Zulieferbetrieb für mehrere Automobilhersteller, Gurtsysteme und all so was. Aber wegen der Einzelheiten erkundigen Sie sich am besten bei seinem Anwalt, kleinen Weiberhirnen hat er die Details nicht anvertraut.“

      „Das klingt etwas bitter. Was machen Sie denn beruflich?“

      „Ich arbeite in der Finanzabteilung von Markt&Geld, und Nathalie studiert noch.“

      „Die Wirtschaftszeitschrift? Also sind Sie Betriebswirtin?“

      „Und Volkswirtin. Ich hätte die Firma schon leiten können, und 2001 war ich auch schon lange fertig, aber ob er das wusste... Bei diesen Terminen redet - redete ja immer nur er. Na, egal, bei Markt&Geld ist es bestimmt interessanter.“

      „Ich will auch lieber Wirtschaft unterrichten als richtig authentisch auf die Schnauze zu fliegen“, fügte Nathalie hinzu und kicherte, als mein Magen laut knurrte. „Sorry, wir wollten ja eigentlich nach diesem Zwangsbesuch in den Biergarten, also hab ich noch nichts gegessen.“

      „Das sollten Sie dann aber mal tun“, fand die Kerner mit einem Blick auf meine dürre Figur. „Ich denke, für heute war´s das. Sie sollten morgen Mittag, so gegen zwölf, mal im Präsidium vorbeischauen, bis dahin haben wir sicher noch mehr Fragen. Und wir werden in den nächsten Tagen sicher auch mal bei Ihnen vorbeischauen.“

      „Aha – Hausdurchsuchung? Vielleicht haben wir ja doch die Waffe irgendwo versteckt?“

      „Also, zu diesem Zeitpunkt müssen wir natürlich jeden verdächtigen. Sie waren ja hier, Frau Lamont – und Sie? So gegen sechs Uhr? Die genaue Todeszeit wissen wir leider noch nicht.“

      „Ich hab mich mit meiner Nachbarin gestritten, bis Nina angerufen hat. Die Zimtzicke hat sich mal wieder wegen meiner Musik aufgeregt. Dabei muss man Queen laut hören, oder?“

      „We Will Rock You auf jeden Fall“, stimmte die Kerner amüsiert zu und entließ uns.

       5

      „Warum hast du vorhin so blöd gegrinst?“, fragte ich, als wir im Wittelsbacher Hof saßen – drinnen, wo es an diesem herrlichen Abend total leer war. Ein Rest von Pietät?

      „Wann denn? Ich grinse öfter mal.“ Nathalie las