Sünden von einst. Elisa Scheer

Читать онлайн.
Название Sünden von einst
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737562799



Скачать книгу

im Mund, gemütlich zurück.

      „Ach, sie hat dauernd irgendwelchen Kram gekauft, sogar an der Haustür. Da musste einer bloß mit einer abgedroschenen Geschichte daherkommen. Und erinnerst du dich noch an den Wolfi? Dem hat sie allen Ernstes abgekauft, dass er alleine auf dem Montblanc war, richtig raufgeklettert. Totale Heldenverehrung, und warum ich so was nie mache.“

      Ich kicherte. „Tja, du könntest ja mit der Geißenhöhe anfangen und dich dann langsam steigern.“

      „Dieses sanfte Hügelchen hinter Waldstetten? Typisch für dich!“

      „Komm, bei dem, was du so wegrauchst, bist du doch schon nach einer Treppe völlig außer Atem!“

      „Ich bin immer noch fitter als du!“, fauchte er mir ins Ohr. Ich kicherte noch mehr. „Jaja, wie du meinst. Ich glaube, jetzt löschst du meine Nummer endgültig, oder?“

      „Auf jeden Fall. Sobald ich die von meiner neuen Eroberung eingegeben habe. Ich sag dir, eine absolute Traumfrau...“ Nach diesem Partherpfeil schaltete er ab und ich grinste vor mich hin. Traumfrau, soso! So traumhaft wie Irma wahrscheinlich. Und davor wie ich und davor wie diese rachsüchtige Corinna und davor... keine Ahnung. Das konnte mir auch ziemlich egal sein. Aber so etwas wie Simon konnte ich wirklich nicht ernst nehmen!

       3

      Die Projektsitzung war so unergiebig gewesen wie erwartet, was zum einen daran gelegen hatte, dass Mayring schlecht gelaunt und Max in alberner Stimmung gewesen war (er hackte immer noch auf der Sache mit dem TV-Magazin herum, obwohl das weder spruchreif noch unser Thema war), zum anderen daran, dass wir alle drei schlecht vorbereitet waren und wichtige Unterlagen auf dem Weg von der Geschäftsleitung bis zu uns irgendwo falsch abgebogen waren.

      Schließlich war es schon kurz nach fünf, als ich meinen Schreibtisch endlich absperren und meine Tasche über die Schulter schwingen konnte. Hastig brauste ich von Zolling nach Mönchberg, ärgerlich über die Vorladung in die Gruselburg: Was man da an Sprit verplemperte! Zolling – Mönchberg, Mönchberg – Henting, Henting – Altstadt, Altstadt – Mönchberg: jedes Mal quer durch die Stadt. Aber etwas frisch machen sollte ich mich eben doch und ein bisschen einkaufen... Nein, einkaufen konnte ich auch morgen Vormittag. Allerdings war es dann im Supermarkt wieder rappelvoll... Nein, egal. Hauptsache nicht jetzt!

      Ich parkte schief vor dem Haus, lief nach oben, räumte meine Tasche aus, steckte die Postkarte von Vater ein (aus unerfindlichen Gründen wollte er sie immer zurück haben), schminkte mich ab, weil er keine angemalten Weiber mochte, ärgerte mich über meine Willfährigkeit, nahm den Schmuck ab, weil er auch keine mit Klunkern behängten Weiber mochte, ärgerte mich noch mehr, schlüpfte in flache, bequeme Schuhe mit dickerer Sohle (der scharfkantige Kies im Wittelsbacher Garten!), kontrollierte, wie viel Geld ich noch hatte, bürstete meine rotbraunen Locken, band sie im Nacken brav mit einer Spange zusammen, warf einen gehetzten Blick in die Runde – alles einigermaßen ordentlich, nur leicht angestaubt – und griff wieder nach dem Schlüssel.

      Eigentlich konnte er jetzt nicht meckern, fand ich – aber er würde es trotzdem tun, das wusste ich. Warum bestellte er uns eigentlich immer wieder zu sich? Bloß, um uns zuzupredigen? War er einsam? Bereute er, dass er uns so entschieden zum frühestmöglichen Zeitpunkt vor die Tür gesetzt hatte? Gott behüte, hatte Nathalie womöglich Recht und er wollte das Geld zurück, mit dem er sich von jeder weiteren Verantwortung freigekauft hatte?

      Das konnte er vergessen, beschloss ich, genauso wie ich es Nathalie gesagt hatte. Wir hatten nicht unterschrieben, dass das Geld nur geliehen war, und wenn er wirklich pleite war, sollte er erst einmal das Haus samt den Bergen von nutzlosem Inventar verscherbeln. Ich kurvte Richtung Henting und merkte, dass ich schon richtig aggressiv fuhr, weil ich mich so ärgerte. Wenigstens war vor dem Haus ein Parkplatz frei! Ich verzichtete darauf, mich halb auf den Bürgersteig zu stellen, er würde es ja doch wieder merken und mich anschnauzen. Als ob mein fast neuer Wagen Öl verlöre!

      Außerdem stand dieser schwarze BMW auch ganz auf der Straße. Dann mussten die drei Autos, die hier pro Tag durchfuhren, eben etwas aufpassen. Die Nachbarn hatten wohl Besuch? Netter Wagen, fand ich, wenn ich noch etwas mehr Geld zusammengerafft hatte, sollte ich auch mal über so etwas nachdenken, aber noch tat es mein Golf auch. Und wenn ich mir mal so was leisten könnte, würde ich mir nicht so eine Schnapszahl wie 3333 aufs Kennzeichen setzen. Da fanden einen die Bullen doch immer sofort!

      Ich schloss ab und klingelte artig einmal (Für Sturmklingeln hatte ich vor zwanzig Jahren tatsächlich mal eine Tracht Prügel bezogen und dabei so gestrampelt, dass ich es geschafft hatte, Vater ins Gesicht zu treten. Diese Erinnerung zauberte prompt ein töchterliches Lächeln auf mein Gesicht).

      Nichts. Wollte er mich wieder zappeln lassen?

      Ich sah auf die Uhr. Mein Gott, vier Minuten vor sechs, man konnte die Korinthenkackerei auch übertreiben! Na gut, wartete ich eben. Um zwei Minuten vor sechs verlor ich die Geduld und klingelte wieder. Wieder nichts. War er womöglich nicht da? Ausgeschlossen, er verließ das Haus doch praktisch nie. Ob sein Wagen da war, konnte ich nicht feststellen, der war natürlich immer ordentlich in der Garage geparkt, und die Einfahrt war sorgfältig geharkt.

      Ich läutete noch einmal. Jetzt war es exakt achtzehn Uhr, jetzt konnte doch wirklich nichts mehr falsch sein? Und warum öffnete nicht wenigstens die übellaunige Frau Zittel? Es war ja nicht so, als würde sich Vater selbst versorgen!

      Nichts.

      Ich trat wütend gegen das schmiedeeiserne Törchen, und es öffnete sich – nein, nicht unheimlich quietschend. Das Haus sah zwar aus wie aus einem der schlechteren Edgar Wallace-Filme geklaut, aber alles war ordnungsgemäß geölt.

      Also trat ich ein, obwohl uns verboten war, das Grundstück eigenmächtig zu betreten: An meinem achtzehnten Geburtstag war mir unmissverständlich klar gemacht worden, dass dieses Haus nicht mehr mein Zuhause war. Und Nathalie war es acht Jahre später genauso ergangen.

      Wenn er nicht wollte, dass man unaufgefordert eintrat, sollte der alte Mistkerl eben entweder zuschließen oder seinen Hintern zur Tür bewegen und sie aufmachen, wie es unter zivilisierten Menschen üblich war!

      An der Haustür klingelte ich auch wieder vergeblich und schließlich Sturm. Wenn er mich wieder übers Knie legen würde, würde ich zurückschlagen und mich dann auf einen Reflex herausreden.

      Schließlich drückte ich probeweise gegen die Tür. In einem Film hätte sie sich jetzt geöffnet, überlegte ich, aber so einfach war die Realität mal wieder nicht; die Tür blieb zu. Frustriert trat ich einen Schritt zurück, und das war wohl auch mein Glück, denn im nächsten Moment wurde sie aufgerissen und ein fremder Mann stand vor mir – grünlich weißes Gesicht, weit aufgerissene Augen und ein hinreißend schöner, wenn auch krampfhaft zusammen gepresster Mund. Mehr sah ich nicht, bevor er mich zur Seite stieß, die drei Stufen hinunter stürzte und wegrannte.

      Ich rieb mir den Arm und sah ihm konsterniert nach. Was sollte das denn? Für einen von Vaters komischen Gartenfreunden war er zu jung, wenn er sich nicht um den Posten eines Gärtners beworben hatte und von Vater mit dessen üblichem Mangel an Charme abgewiesen worden war. Trotzdem, so grün hätte er dann auch nicht sein müssen.

      Wenigstens war die Haustür offen geblieben! Ich trat ein und blinzelte wie immer erst einmal orientierungslos in der dämmerigen Halle, dann rief ich laut: „Hallo? Ich bin´s, Nina. Ich sollte doch um sechs Uhr kommen?“

      Keine Antwort.

      Allmählich wurde mir die Sache unheimlich. Wenn er nicht da war, wieso war dann dieser Mann eben aus dem Haus gestürzt? Den musste er doch reingelassen haben? Unsinn, beruhigte ich mich selbst, vielleicht war das der Sohn von der blöden Zittel, und Vater war wirklich nicht da. Oder werkelte im Garten herum. War jetzt nicht gerade die Zeit, in der man den Rasen wässern musste? Aber dafür war er eigentlich zu korrekt. Überkorrekt sogar. Ein Korinthenkacker reinsten Wassers eben. Hier stimmte eindeutig was nicht.

      Energisch steuerte ich das Arbeitszimmer an, sobald sich meine Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, und stieß die Tür auf. „Guten Abend, ich sollte