Tod auf den Gleisen. Elisa Scheer

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Название Tod auf den Gleisen
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737564281



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auf den Weg.

      Mal sehen, welche Dramen sich heute im Lehrerzimmer abspielten! So lustig waren die anderen Schulen bei weitem nicht gewesen. Auf dem Weg zum Bus kaufte sie sich noch schnell eine HOT! Aha, Schlagzeile: Unfall, Selbstmord oder Mord? Wohl immer noch die Leichenteile vom Bahngleis. Sie fuhr zur Schule, eilte ins Lehrerzimmer, packte aus und sah sich um. Noch niemand da – aber das Licht hatte doch schon gebrannt?

      Und nebenan kopierte jemand, wie dem leisen Jaulen zu entnehmen war. So, was brauchte sie zuerst? Geo 7, das – natürlich – erdbraune Mäppchen. Ach ja, diese Übersicht und das Arbeitsblatt, sie brauchte 31 Stück.

      Am Kopierer stand die Steinleitner, die Haare vorne sorgfältig toupiert und hinten streng festgesteckt, in violettem Kostüm mit cremefarbener Bluse und sichtlich bequemen Schuhen. Warum richtete die Frau sich so altmodisch her? Die war doch höchstens, na – vielleicht vierzig? Sie begrüßten sich lächelnd und Doro überlegte, was sie jetzt noch Nettes sagen konnte, aber ihr fiel nichts Rechtes ein. „Haben Sie sich schon gut eingewöhnt?“, fragte die Steinleitner, stellte den Kopierer auf null und fischte Vorlage und Kopien heraus. „Bitte schön!“

      „Danke. Ja, hab ich. Mir gefällt es hier sehr gut. Sie geben auch Deutsch, nicht?“

      „Und Französisch, ja. In Deutsch hab ich Kurse in Q 11 und Q 12 und außerdem eine Neunte. Und Sie?“

      „Eine Achte, eine Neunte und Q 11. Lesen Sie auch gerade Maria Stuart?“

      Die Steinleitner schüttelte den Kopf. „Ich bin mehr ein Fan von Iphigenie auf Tauris. Aber Faust lesen ja dann alle, und der Film ist ständig ausgebucht.“

      „Der Gründgens oder der Dorn? Den Dorn hab ich selbst, ich brauche dann nur noch eine Laptop-Beamer-Einheit.“

      „Die haben wir glücklicherweise reichlich, man muss sie sich nur im Intranet reservieren. Also, einen schönen Tag noch!“ Sie verließ den Kopierraum, und Doro nudelte ihre Blätter durch und bereitete ihre Tasche dann für die erste Stunde vor. Mittlerweile hatte sich das Lehrerzimmer beträchtlich gefüllt.

      Richling saß in seiner Ecke und las nicht Zeitung, sondern versuchte, fromm dreinzuschauen. Vergebliche Liebesmüh, fand Doro. Der hatte sich gestern ja schön ins Knie geschossen! Ob der Chef ihm ein Disziplinarverfahren angedroht hatte? Was war eigentlich passiert, während Richling hier oben gelesen hatte anstatt Aufsicht zu machen?

      Stand vielleicht etwas am Direktoratsbrett? Sie ging nachschauen, fand aber nichts. Dafür stand sie auf dem Vertretungsplan: Vierte Stunde 10 a… denen fiel Mathe aus. Mal sehen, was sie mit denen machen konnte – am besten fragte sie Hilde, ob sie die für die Oberstufe briefen sollte. Viertel vor acht – auf dem Weg zur siebten konnte sie mal schnell im Oberstufenbüro vorbeischauen. In der Tür zum Büro drängte sich eine Traube Oberstüfler mit Zetteln in der Hand.

      „Hatte ich nicht gesagt, kursweise und alphabetisch sortiert bei mir abgeben? Na, gebt schon her. Lesen ist wohl Glückssache?“ Hilde war eindeutig schlechter Laune. Sie sammelte die Zettel ein und nahm noch einen feixenden Zwölftklässler ins Gebet, warum er letzte Woche am Mittwoch unentschuldigt in Physik, Geographie und Englisch gefehlt habe.

      „In Geo war ich doch bloß zu spät!“, behauptete der. „Die Fiedler hat mich bloß nicht reinkommen sehen.“

      „Was jetzt? Außerdem heißt das Frau Fiedler!“ Doro zog ihr Büchlein aus der Tasche. „Weder noch“, mischte sie sich dann ein, und Kevin Niederkirchner fuhr erschrocken herum. „Du warst die ganze Stunde nicht da. Erzähl hier nicht einen vom Pferd.“ Kevin brummelte etwas.

      „Also geschwänzt“, stellte Hilde fest. „Café Schön oder Deli, vermutlich. Kevin, so wird das nichts mit dem Abitur. Und wenn du mir noch mal mit einer solchen Aktion auffällst, gibt´s einen verschärften Verweis. Zwei normale hast du schließlich schon, du Stratege.“ Kevin trollte sich mäßig niedergeschlagen.

      „Und dann rumjammern, wenn´s ihn durchs Abi haut“, kommentierte Hilde. „Hallo, Doro. War ja perfektes Timing! Kann ich dir helfen?“

      „Vielleicht. Ich hab später eine Vertretung in der 10 a. Hast du vielleicht Infomaterial oder soll ich denen was ausrichten?“

      „Ja, super. Hier, wenn du das noch kopierst – die sind zwar informiert, aber die Tatsache, dass an Mathe und Deutsch kein Weg vorbeiführt, kann man ihnen nicht oft genug klarmachen.“

      „Und dass man die einzige Naturwissenschaft komplett einbringen muss?“

      „Und dass sie, bevor sie auf Verdacht hin erst mal nichts tun, bitte vorher bei mir nachfragen sollen! Erst dummstellen und dann rumjammern klappt nicht. Sehr gut, wenn du das übernimmst, spare ich wieder Zeit. Am besten sorge ich dafür, dass du in jeder Zehnten mal eine Vertretung kriegst?“

      „Och“, grinste Doro, „muss jetzt auch nicht sein. Also, bis später!“

      Sie eilte in ihre Siebte, dann in den Geschichtskurs in der Elften, kopierte die Informationen für die 10 a und verbrachte den Rest der dritten Stunde im Lehrerzimmer.

      Tote Hose. Na, besser als ein neuer Krach! Dafür hing jetzt ein Zettel am Direktoratsbrett – gestern hatten sich zwei Sechstklässler, da unzureichend beaufsichtigt, in der großen Pause ein U-Hakerl-Duell geliefert, wobei der eine dem anderen ins Auge geschossen hatte. Ob das Auge zu retten war, war noch nicht klar. „Puh“, murmelte Doro, „damit möchte ich nicht leben müssen. Da kommt auf den Richling noch was zu.“

      Katja kam mit einem Stapel Schulaufgabenpapier herein und setzte sich. „Jetzt kommen wieder die Schulaufgaben… Scheißkorrekturen! Na, Latein geht ja wenigstens schnell.“

      „Deutsch ist das Übelste“, stimmte Doro zu. „Und vorher immer diese Übungsaufsätze. Man freut sich ja schon fast, wenn keiner einen abgibt. Eigentlich total unpädagogisch, was?“

      „Genau. Und was Deutsch und – by the way, auch Englisch – für eine Arbeit ist, sagt einem ja keiner, bis man in der Falle sitzt.“ Sie grinste, aber das Grinsen erlosch schlagartig, als Trattner hereinkam.

      „Mist“, murmelte sie, „der schon wieder!“

      Trattner setzte sich neben sie, ignorierte Doro und strahlte Katja an. „Du, die Berge sind zurzeit so unglaublich schön, du musst am Samstag mit mir wandern gehen! Du musst einfach!“

      „Muss ich nicht“, brummte Katja. „Luis, jetzt lass mich doch endlich in Ruhe. Ich will nicht mit dir weggehen, und ich mag die Berge nicht so sehr. Ich halte mich an den norddeutschen Grundsatz: Berge von unten, Kirchen von außen, Kneipen von innen. Ich kann bloß leider kein Platt.“

      Doro kicherte und Luis warf ihr einen giftigen Blick zu. „Finden Sie es sehr taktvoll, uns hier zu belauschen?“

      „Wenn Sie ungestört baggern wollen, gehen Sie doch woanders hin, ich war zuerst hier“, entgegnete Doro nicht minder giftig. „Ich glaube auch nicht, dass Katja so besonders begeistert von ihren Vorschlägen ist.“

      „Für eine poplige Anfängerin sind Sie ganz schön unverschämt! Ich werde darüber mal mit dem Chef sprechen müssen, denke ich.“

      „Machen Sie nur - wenn Sie das brauchen.“ Doro tat, als vertiefe sie sich wieder in ihre Unterlagen, sah aber mit dem äußersten Augenwinkel, wie Trattner sie unschlüssig anstarrte und sich dann abrupt wegdrehte.

      „Danke“, sagte Katja, „der Typ nervt so wahnsinnig. Und dieses Bergsteigergetue! Wenn ich was nicht leiden kann, dann so was.“

      „Zu viele Luis-Trenker-Filme gesehen, vermutlich“, antwortete Doro, und Katja lachte schallend. „Und darin sein Idol erkannt? Das wird es sein, genau!“

      „Nomen est omen… aber manche Leute gehen natürlich wirklich gerne in die Berge“, gab Doro nun zu bedenken.

      „Aber sie müssen nicht jemanden mit Gewalt auf den Berg zerren wollen. Ich weiß nicht, wie oft ich ihm schon gesagt habe, dass ich Berge und Skifahren und all solchen Scheiß nicht mag und dass