Tod auf den Gleisen. Elisa Scheer

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Название Tod auf den Gleisen
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737564281



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streckte die Hand aus. Doro schlug ein. „Dorothea. Doro.“

      Pütz tat es ihr nach: „Carlos.“

      „Carlos? Schick. Ein bisschen exotisch, nicht?“, fand Doro.

      „Spanische Mutter, kölscher Vater“, war der kurze Kommentar.

      „Also native speaker?“, fragte Hilde. „Mehr oder weniger. Obwohl ja mittlerweile der südamerikanische Akzent häufiger geworden ist…“

      „Typisch!!“ Alle drehten sich um und schauten fragend zu Querfurth hoch, der vor ihnen stand. Seine Fliege zitterte vor Entrüstung.

      „Was ist typisch?“, fragte Doro ehrlich interessiert. Hilde hatte die Stirn gerunzelt und Pütz grinste vor sich hin. „Diese – diese Zusammenrottung!“

      „Laut Grundgesetz herrscht in diesem Lande Versammlungsfreiheit“, merkte Pütz mit sanfter Stimme an. Doro schaute fromm, Hilde verdrehte wenig diskret die Augen zum Himmel. „Dass Sie sich mit diesen – diesen… gemein machen, enttäuscht mich tief!“, fuhr Querfurth Pütz an.

      „Diesen was?“, fragte Hilde scharf. „Ach, das ist doch allgemeine Tendenz – der Lehrerberuf verweiblicht doch immer mehr. Immer mehr Frauen, die Männer werden immer weiter verdrängt, niemand kümmert sich um die Jungen. Eine beklagenswerte Entwicklung!“

      „Da muss ich ihnen Recht geben!“ Trattner war neben Querfurth aufgetaucht.

      „Ach, Sie fühlen sich diskriminiert?“, erkundigte sich Pütz mit süßem Lächeln bei Trattner. Doro setzte ein Pokerface auf, Hilde schien zu überlegen, ob sie die beiden Kerle feuern lassen konnte.

      „Was, ich? Wieso?“ Trattner schaute verständnislos. Dämlich auch noch!

      „Na, wenn Sie finden, dass brutale Frauen die armen Männer verdrängen?“

      „Sie sind unverschämt!“ Trattners Gesicht rötete sich zusehends.

      „Wieso?“, erkundigte sich Doro freundlich. „Das hat doch Herr Querfurth gerade eben behauptet, und Sie haben ihm Recht gegeben - schon vergessen?“

      Trattner machte eine wegwerfende Handbewegung, die Doro offenbar auf ihren Platz verweisen sollte, und Querfurth bellte los: „Sie sollten sich ja überhaupt ganz ruhig verhalten!“

      „Warum das denn?“, wollte nun Hilde wissen. „Sollen Frauen den Mund halten und bewundernd dreinschauen, wenn Männer noch so bescheuerte Ansichten zum Besten geben?“

      Das hätte sich Doro nun nicht getraut, aber sie lächelte Hilde dankbar an.

      „Dass Anfänger sich hier derartig aufspielen! Unglaublich! Von nichts eine Ahnung, aber alles besser wissen! Halten Sie bloß den Mund und lernen Sie erstmal das Rüstzeug für diesen Beruf!“

      „Aber Herr Querfurth!“ Diese Stimme war zwar sehr sanft, geradezu milde, aber sie bewirkte, dass Querfurth und Trattner erschrocken herumfuhren und sich deutlich entfärbten. Hilde grinste ganz offen. „Morgen, Raimund!“

      „Morgen, Hilde. Alles okay? Herr Querfurth, hatten wir uns nicht darauf geeinigt, dass Sie nicht mehr unhöflich zu jungen Kollegen und Kolleginnen sein wollten? Ich dächte, Sie wären sich der Konsequenzen bewusst?“

      Querfurth blubberte Unverständliches, und Trattner machte unauffällig zwei Schritte rückwärts. Carlos feixte ihn an. „Herr Trattner, wollen Sie Ihren Gesinnungsgenossen denn nicht verteidigen?“

      „Gesinn- Genossen? Was meinen Sie -? Was wollen Sie -?“

      „Ich dachte, Sie beide haben sich beklagt, dass der Lehrerberuf durch mindere Weiber herabgewürdigt wird?“, fragte Doro, die sich durch die Anwesenheit des Chefs mutiger fühlte. „Und uns der Verschwörung bezichtigt, weil wir es gewagt haben, uns zu dritt zu unterhalten?“, fügte Hilde hinzu.

      Dr. Eisler seufzte. „Herr Querfurth, Sie kommen bitte um eins zu mir, wir müssen wohl mal wieder miteinander reden. Herr Trattner, Sie sollten sich gut überlegen, in wessen Horn Sie hier stoßen.“

      Damit drehte er sich um und wandte sich dem Ecktisch zu, an dem Richling immer noch in seine Zeitung vertieft war. Hilde sah ihm fasziniert nach, Doro fand es interessanter, wie nachdrücklich Trattner und Querfurth jetzt in verschiedene Richtungen davon strebten. Die waren sich wohl gegenseitig peinlich? Und Trattner ja eine feige Ratte, wie sie im Buch stand!

      Dr. Eisler sprach (leider unhörbar) auf Richling ein, der schnell sein lässiges Gehabe verlor, schließlich blass wurde, aufsprang, auf die Uhr sah und den Kopf hängen ließ. Schließlich folgte er dem Chef – ohne seine Zeitung – nach draußen. „Hui“, meinte Hilde, „ich glaube, jetzt ist passiert, was wir dem faulen Sack immer schon prophezeit haben: Er hat seine Aufsicht nicht gemacht und es ist was passiert. Jetzt ist er dran. Hoffentlich ist nichts zu Arges vorgefallen!“

      „Hoffentlich bloß so was wie eine kaputte Fensterscheibe oder so. Sonst wird man ja seines Lebens nicht mehr froh!“

      Hilde seufzte. „Stimmt. Das kann man sich eigentlich bloß noch einen Strick nehmen – also, bildlich gesprochen. Aber was haben wir an den Kerl hingeredet und ihm das ausgemalt! Warum macht er seine Aufsichten denn nicht?“

      „Wenn man dabei steht und es nicht verhindern kann, ist es ja schon schlimm genug“, stimmte Carlos zu. „Aber wenn man es hätte verhindern können? Hui!“

      „Ja“, meinte Doro, „da hilft Selber schuld auch nichts. Aber jetzt will ich doch wissen, was das für eine Schlagzeile war!“

      Sie holte sich Richlings Zeitung und blätterte hastig. „Da, das war´s! Leiche zerstückelt auf Gleis. Äh! Widerlich.“

      „Wessen Leiche denn?“, wollte Carlos wissen. „Keine Ahnung… Warte mal…nee, ist noch nicht identifiziert… Leiche nicht vollständig… hoher Alkoholgehalt… huch, der Zugführer hat das anscheinend gar nicht gemerkt, ein Fahrgast hat es gemeldet und ein Spaziergänger hatte schon die Überreste gefunden. Pressekonferenz ist morgen.“

      Sie faltete die Zeitung wieder zusammen und warf sie zurück auf Richlings Platz. „Scheußlich. Wer möchte schon so umkommen…“

      In diesem Moment läutete es: Noch eine Freistunde! Allmählich hatte Doro keine Lust mehr auf das Lehrerzimmertheater; sie vergewisserte sich, dass sie keine Vertretung bekommen hatte, und verzog sich dann in die Bibliothek, um Literatur für ihr Seminar herauszusuchen.

      Damit brachte sie den Löwenanteil der Stunde herum, und als sie ins Lehrerzimmer zurückkam, saßen nur Frau Steinleitner und Frau Bittl nebeneinander in einer Ecke. Doro grüßte die beiden höflich, setzte sich auf ihren Platz und überlegte, woher sie möglichst rasch einen anständigen Kleiderschrank nehmen konnte. IKEA fiel aus, sie hatte wirklich keine Lust, den Schrank selbst durch die Gegend zu schleppen und nachher schief und krumm aufzubauen.

      Burgstraße? Hm, teuer…

      Baumarkt? Der hatte keine anständigen Schränke, und etwas Solides wollte sie ja doch haben. Lieber etwas teurer!

      Also doch Burgstraße. Vielleicht bei studio, die hatten pfiffigere Sachen als die anderen. Zwei Meter breit, sechzig tief, zwei Meter hoch. Na, oder zwei zehn. Das waren dann vier Schrankabteile – zwei mit Kleiderstange, zwei mit Fächern? Oder mit Schubladen? Und welche Holzfarbe? Der Boden war Buche - die Regale waren es auch. Die Schränke sollten dann am besten auch… oder wohnte sie dann in einer Holzkiste?

      Nach der letzten Stunde würde sie sich in die Stadt aufmachen und hoffentlich fündig werden. Diese Stunde brachte sie rasch und schon recht routiniert hinter sich, verwies auf die Quellen im Buch, raffte ihren Kram im Lehrerzimmer zusammen, winkte allen zu, die sie kannte, und verzog sich zügig.

      In der Burgstraße gab es mal wieder keine Parkplätze. Sie kurvte eine Zeitlang durch die Straßen rund um den Markt und fand schließlich eine schmale Lücke am Fuggerplatz. Musste sie eben ein Stück laufen, das schadete auch nichts. Nächstes Mal ließ sie das Auto zu Hause, es gab ohnehin schon wieder sehr bedenkliche