Die Erbschaft. Elisa Scheer

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Название Die Erbschaft
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737555173



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ins Sektglas fallen ließ, war er wirklich nicht, aber allmählich konnte er doch damit herausrücken, was er mit mir besprechen wollte!

      Nein, er aß und erklärte mir, was morgen und nächste Woche im Büro alles zu erledigen war. Außerdem überlegte er, ob er zu Ostern kleine Geschenke an die Mandanten verschicken sollte, mit einer entsprechenden Grußkarte, wie es Hotels zu tun pflegten. Aber was sollte man schicken? Etwas Süßes? Sekt? Wein? Silberne Kugelschreiber? Sein Ton war ganz unbefangen, aber mir schien, dass sein Blick immer noch etwas nervös war - hatte er Angst vor seinem ersten Antrag? Aber er wusste doch, dass ich Ja sagen würde!

      Ich diskutierte die Geschenkefrage mit ihm, war aber leicht abgelenkt, weil ich immer noch auf seine Eröffnung wartete. Kugelschreiber fand er zu teuer, schließlich entschied er sich für bemalte Holzeier, die machten was her, waren transportunempfindlich und kosteten wenig. Mir gefiel die Idee nicht besonders, aber das letzte Wort hatte schließlich er.

      „Bei Kunst und Dekor müsste es welche geben, schau morgen nach der Arbeit dort mal vorbei, ja? Und schau, dass du Mengenrabatt bekommst, etwa hundert Stück sollten wir schon nehmen.“ Er warf mir einen nervösen Blick zu.

      „Ist gut“, murmelte ich und sah zu, wie er sich die restlichen Nudeln auf den Teller lud und auch die Saucenschüssel auskratzte. Mittendrin hielt er inne. „Oh, entschuldige – wolltest du noch etwas davon?“

      Ich schüttelte den Kopf. Appetit hatte ich heute wirklich nicht, dazu war ich viel zu gespannt.

      Er aß weiter und lobte zwischendurch meine Kochkunst. Schließlich platzte mir der Kragen. „Ich denke, du wolltest etwas Wichtiges mit mir besprechen?“

      „Ja, aber nicht beim Essen!“

      Ich schob den Teller weg. „Ich bin fertig.“

      Er warf mir einen milde tadelnden Blick zu. „Ich nicht. Man hebt die Tafel erst auf, wenn alle aufgegessen haben.“ Ach ja, Das große Buch der feinen Lebensart. Schließlich hatte er seinen Teller leer geputzt und tupfte sich genießerisch seufzend den Mund mit der Serviette ab. So, jetzt hatte ich keine Lust mehr, wenn er es so spannend machte, verdarb er mir die ganze Vorfreude! Ich stellte die Teller zusammen und räumte alles ab, dann sortierte ich es in die Spülmaschine, schaltete sie ein und wischte die Arbeitsflächen sauber.

      Im Esszimmer fehlten der Sektkühler und Christians Glas, als ich zurückkam. Ich trug, allmählich leicht angesäuert, mein volles Glas in die Küche und kippte den Inhalt ins Spülbecken. Zu feiern gab es ja wohl doch nichts! Dass sich Christian mit seinem Glas ins Wohnzimmer verzog und an meins nicht dachte, fand ich heute schon etwas gedankenlos. Dabei machte er das doch immer so – warum ärgerte es mich heute? Ich faltete die Tischdecke zusammen, nachdem ich sie auf Flecken kontrolliert hatte, und legte sie samt Servietten in die Schublade zurück, bevor ich die Holzplatte polierte und die beiden silbernen Kerzenleuchter in die Mitte stellte.

      So, keine Spur mehr von profaner Nahrungsaufnahme! Christian saß auf dem Sofa und sah mir entgegen. „Wo warst du so lange?“

      „Ich habe aufgeräumt, wie immer. Du magst es doch nicht, wenn das Esszimmer nicht gleich wieder in Ordnung gebracht wird!“

      „Stimmt, ja.“ Er senkte den Kopf und trank einen Schluck Sekt, dann sah er wieder auf. „Setz dich doch bitte, ich muss mit dir reden.“ Das klang ja, als hätte ich etwas angestellt! Ich verschränkte die Hände im Schoß und sah ihn abwartend an. Er schwieg, dann räusperte er sich und warf mir einen gequälten Blick zu. „Du weißt doch ohnehin, was ich dir sagen will!“

      „Nein, tut mir Leid. Woher denn? Hat es etwas mit dem Büro zu tun?“ Gehaltserhöhung, hoffte ich im Stillen. Wenigstens das! „Nein – oder, ja, auch, Denke ich. Also, kurz und gut, warum noch weiter darum herumreden – ich habe jemanden kennen gelernt.“

      „Ja?“ Er lernte dauernd jemanden kennen, neue Mandanten, Leute aus dem Golfclub, auch Leute mit Vorschlägen, wie er sein Büro optimieren könnte. Warum war das jetzt so dramatisch? „Eine Frau“, präzisierte er, etwas ungeduldig, wie mir schien. „Erzähl“, bat ich, immer noch etwas ratlos. Dann eben eine Mandantin, warum nicht?

      „Wenn du das wirklich willst? Sie heißt Charlotte von Rütensberger, ist sechsundzwanzig Jahre alt, Betriebswirtin, gerade fertig geworden. Ich möchte, dass sie meine Partnerin wird – im Büro und auch sonst.“

      „Auch sonst?“, echote ich dumpf. Das Gespräch lief offensichtlich nicht ganz so wie ich es mir heute ausgemalt hatte. „Ja, auch sonst. Sarah, es tut mir Leid, aber ich habe mich in Charlotte verliebt, schon vor Wochen. Ich kann nichts dagegen tun.“

      „Warum?“, flüsterte ich. Er liebte eine andere? Das war doch nur ein böser Traum, oder? Wir waren schon so lange so glücklich zusammen. „Warum? Ich weiß nicht, warum. Es ist eben so. ich hab mich wirklich dagegen gewehrt. Du musst das doch gemerkt haben?“

      „Nein, woran denn?“

      „Die vielen Mandantenbesuche, und wie nervös ich die ganze Zeit war.“

      „Ich habe dir geglaubt, wenn du berufliche Gründe vorgeschoben hast. Hast du deshalb seit Wochen nicht mehr mit mir geschlafen?“

      „Ja... ich konnte doch nicht mit euch beiden! Eigentlich wollte ich dich, wenn du schon nicht von selbst darauf kommst - “

      „Das heißt, ich bin ein unsensibler Trampel, der es nicht einmal merkt, wenn der Macker sich nach einer anderen verzehrt? Eine Empfindsamere und Verständnisvollere hätte schon längst freiwillig das Feld geräumt?“

      „Nein! Verdreh mir doch nicht das Wort im Mund! Ich wollte dich langsam darauf vorbereiten, aber jetzt ist etwas eingetreten, was das nicht weiter angezeigt sein lässt.“

      „Was denn?“, fragte ich mechanisch und ließ meinen Blick durch das elegante Wohnzimmer schweifen, ohne wirklich etwas wahrzunehmen. „Charlotte erwartet ein Kind. Sie hat es mir heute gesagt.“

      „Von dir?“

      „Natürlich von mir!“

      „So natürlich finde ich das nicht“, widersprach ich mit tauben Lippen, „ich dachte, du wolltest so bald noch keine Kinder? Mit mir wolltest du jedenfalls keine. Aber mit ihr?“

      „Jetzt noch nicht, aber nun ist es eben passiert.“

      „Sie hat also die besseren Gene? Ist es, weil sie jünger ist? Oder aus einer feineren Familie? Oder weil sie ihr Studium abgeschlossen hat? Vielleicht sieht sie auch besser aus?“

      „Nein! Doch – ich weiß es nicht. Es ist alles zusammen und noch vieles andere. Sie ist so stilvoll, sie ist die Frau, die zu mir passt. Ich werde sie so bald wie möglich heiraten. Ach, Sarah, es tut mir Leid, aber - “

      „Du musst nichts mehr sagen“, unterbrach ich ihn, ganz benommen vor Zorn, stand auf und sah auf die Uhr. „Gib mir nur eine Stunde Zeit, ja? Du kannst sie ja schon mal anrufen.“

      „Bitte? Sarah, ich verstehe dich nicht! Wo gehst du hin?“

      Ich schritt rasch in die Abstellkammer, wo ich in der Ecke hinter Christians elegantem Kofferset meine drei ineinander gerollten Reisetaschen entdeckte, in einer steckt sogar noch ein muffiges Necessaire. Ich fegte im Badezimmer meine sämtlichen Kosmetika in das Necessaire – außer dem Parfumrest, der war Christians Weihnachtsgeschenk gewesen - und zerrte den Morgenmantel so heftig vom Haken, dass die seidene Schlaufe mit einem hässlichen Geräusch riss. Ein kontrollierender Blick – nein, keine Spuren. Doch! Ich nahm mein Handtuch und warf es in die Schmutzwäsche, nachdem ich einiges von meiner Wäsche dort wieder herausgefischt hatte. Das Bad konnte die stilvolle Charlotte schon mal benutzen, ohne an die proletarische Vergangenheit erinnert zu werden.

      Weiter, ins Schlafzimmer. Reisetasche auf! Ein Fach Unterwäsche, fünf Blusen, drei Kostüme, alles wanderte verknüllt in die Reisetasche, darauf einige Jacken und Pullover, Röcke, obendrauf die vier Paar Schuhe, die Stiefel und das zusammengerollte Samtabendkleid. Ein Kostüm ließ ich hängen, das hatte Christian mir geschenkt. Zerstreut kontrollierte ich die Schublade auf meiner