Название | Vom Hohen und Tiefen und dem Taumel dazwischen |
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Автор произведения | E. K. Busch |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738078640 |
«Es ist allerdings ein wenig persönlich.» Er ließ seine Hände in die Manteltaschen gleiten.
Sie senkte den Schlüssel und sah ihn auffordernd an. Einen Moment schien er mit sich zu hadern.
«Vorhin, als du meintest, ich hätte so eine Art, die Leute zu provozieren, da klang das sehr missbilligend. Und dann hast du mich einfach stehen lassen. Das hat mich zugegebenermaßen etwas irritiert. Ich hatte bis dahin den Eindruck, dass wir beide uns gut unterhalten hätten.»
«Ich weiß nicht, ob man es wirklich als eine gute Unterhaltung bezeichnen sollte. Ich hatte eher das Gefühl, dass wir uns immer hart am Abgrund entlang bewegt haben.» Sie hob vielsagend die Augenbraue.
Er lächelte. «Eben.»
Sie schwieg einen Augenblick, erklärte dann: «Du bist schrecklich arrogant gewesen in diesem Moment. Deshalb bin ich gegangen.»
«Arrogant?», wandte er kopfschüttelnd ein. «Ich habe von uns beiden gesprochen. Dass wir uns nicht so ernst nehmen würden.»
«Nur weil du mich mit einbezogen hast, ist es nicht weniger arrogant. Du hast mich lediglich zu deiner Komplizin gemacht dadurch.»
Als er die Stirn runzelte, setzte sie ein wenig verlegen hinzu: «Außerdem lagst du auch völlig falsch damit, dass ich mich nicht ernst nehmen würde. Ich nehme mich sogar sehr ernst. Wie übrigens alles andere auch.»
«Ich glaube nicht, dass das stimmt. Zumindest scheinst du deine eigene Wahrheit durchaus in Frage zu stellen. Wie überhaupt alles. Das mag ziemlich nervtötend sein, aber immerhin machst du dir nichts vor.»
Toni lachte trocken. «Soll das ein Kompliment sein oder eine Beleidigung?»
«Eine Beobachtung», erwiderte Lorenz, «Abgesehen davon finde ich dein Verhalten noch sehr viel arroganter als meines. Denn ich besitze immerhin die Bescheidenheit, meine Arroganz einzugestehen. Du dagegen hältst dich für dermaßen überlegen, dass du einen nachsichtigen Großmut an den Tag legst. Das ist ja noch viel widerlicher.»
Toni schien etwas einwenden zu wollen, doch da führte er bereits aus: «Du betrachtest uns alle hier doch als alberne Hampelmänner. Du brauchst nicht zu glauben, dass man dir das nicht anmerken würde. Man sieht es mit einem einzigen Blick. Eben deshalb standest du allein herum auf dieser Party. Aus keinem anderen Grund.»
«Ich betrachte überhaupt niemanden als Hampelmann. Überhaupt müsste man sich dann doch Fragen, wer an den Fäden zieht und wozu dieser jemand die Männer eigentlich tanzen lassen sollte.» Sie schüttelte den Kopf und schien ärgerlich, dass sie sich überhaupt auf dieses Gespräch einließ.
«Interessanter ist doch wohl eher die Frage, warum du meinst, von diesem Spiel verschont zu bleiben.»
Sie rümpfte die Nase. «Allerhöchstens betrachte ich mich als einen defekten Hampelmann. Allerhöchstens.»
Einen ganzen Moment herrschte Schweigen und er musterte sie nachdenklich. Sie fühlte sich unwohl dabei und blickte auf ihre Füße hinab.
«Jedenfalls bist du der Meinung, dass du dich von den anderen unterscheidest», stellte er schließlich fest. «Ob zum Besseren oder Schlechteren ist dann nur noch eine Frage der Tagesform.»
«Natürlich unterscheide ich mich in meinen Augen von den anderen. Alleine dadurch, dass ich ich bin und die anderen eben die anderen. Das ist eine Frage der Perspektive. Im Gegensatz zu dir allerdings ist mir klar, dass es jedem anderen genauso ergeht. Womit wir ein weiteres Mal bei deinem egozentrischen Weltbild wären.»
«Wieso fällt es dir so schwer, zuzugeben, dass du dich für überlegen hältst?»
«Weil es nicht stimmt. Ich verstehe auch nicht, wieso du das unbedingt von mir hören willst.» Sie schien aufgebracht.
«Weil ich glaube, dass du und ich die Dinge eigentlich ganz ähnlich sehen. Nur dass du diese ekelhafte Moralität vorschiebst, die nicht recht zu deinem sonstigen Scharfsinn passen will. - Wobei diese verstockte Tugendhaftigkeit natürlich auch reizvoll ist irgendwie.»
Toni starrte ihn unverwandt an.
Er schien sich mit ihrem Schweigen zufrieden zu geben und fügte leichthin hinzu: «Ich meine: Es ist doch offensichtlich, dass du dich in sexueller Hinsicht zu mir hingezogen fühlst. Deshalb dieses längliche Gespräch hier unten vor der Tür und deshalb auch diese schwelende Aggressivität.»
Als sie ihn aufgebracht zu unterbrechen versuchte, fuhr er bereits fort: «Natürlich käme es niemals in Frage für dich, mich einfach mit hinauf zu bitten. Aber warum? Du hast gesagt, dass du nicht der Typ dafür wärst. Aber was heißt das schon? Dass du es nicht willst? Nicht kannst? Oder hast du dich eben einmal auf eine Rolle festgelegt, die du in diesem Leben zu spielen gedenkst? Das macht es ja auch sehr viel einfacher. Oder nicht? Einfach seine Rolle zu spielen.»
Sie rang sich ein halbherziges Lächeln ab. «Es mag schon sein, dass du recht gut aussiehst. Aber du solltest deine Anziehung trotzdem nicht überschätzen. Außerdem davon finde ich auch nicht, dass du und ich uns besonders ähnlich sind. Diese zornige Gleichgültigkeit ist mir zuwider.»
Er schien erstaunt, lächelte dann. «Zornige Gleichgültigkeit», wiederholte er. Der Begriff schien ihm zu gefallen.
«Du hast mich nach meiner Meinung gefragt. Jetzt brauchst du nicht so zu tun, als wäre ich es gewesen, die davon angefangen hätte.»
Er bemühte sich um ein ernsthaftes Gesicht und meinte beschwichtigend: «Das stimmt. Und ich bin auch wirklich an deiner Meinung interessiert. Also: Was stellst du dir vor unter einer zornigen Gleichgültigkeit?»
Als sie lediglich die Nase rümpfte, bemerkte er: «Es ist nicht unbedingt meine Stärke, ein ernsthaftes Interesse an etwas oder jemandem einzuräumen. Lass dich also bitte nicht irritieren davon. Wenn ich nachfrage, dann interessiert es mich auch.»
Einen Moment schien sie mit sich zu hadern. Zögerlich und ein wenig trotzig räumte sie schließlich ein: «Dann stell dir vor, du wärst ein einsam Reisender in der Wüste, du hättest deine Karawane verloren und es wäre kaum mehr ein Schluck Wasser in deinem Beutel.»
Er sah sie perplex an. Offensichtlich hatte er diese Wendung des Gesprächs nicht erwartet. Sie wusste nicht, ob sein Blick bloße Überraschung oder eher Skepsis ausdrückte. Als er zaghaft nickte, fuhr sie jedenfalls fort.
«Du hast also deine Karawane verloren und bist dir sicher, dass du nicht mehr den nächsten Morgen erleben wirst.
Trotzdem schleppst du dich voran in der Hitze des Tages auf der Suche nach einer rettenden Oase. Aber da ist nichts außer Sand und Staub. Du bist den ganzen Tag über durch die sengende Hitze gewandert. Nun wird es dunkel und es wird dir mit aller Deutlichkeit klar, dass du dich in dieser Nacht zum Sterben legen wirst. Denn deine Füße sind schwer und wund, deine Kehle trocken und es ist noch immer keine Rettung in Sicht. Nur die Sterne beginnen grausam und kalt zu leuchten.»
Sie hielt einen Moment inne, schien zu überlegen, wie sie fortfahren sollte.
Er musterte sie mit einer Mischung aus Neugierde und Argwohn. Sie ließ sich davon nicht beirren, schenkte ihm lediglich ein trockenes Lächeln.
Er hatte sich eine Erklärung gewünscht, als würde er eine Erklärung bekommen!
«Du schleppst dich also mit deiner letzten Kraft voran, hin und her gerissen zwischen einer erschöpften Todessehnsucht und dem Glauben an eine wundersame Rettung. Da, im silbrigen Schein des nächtlichen Himmels, erblickst du eine einsame Blume im Sand. Fast meinst du, deine Gebete wären erhöht worden. Eine Oase! Zu den Wurzeln der Blume suchst du gierig nach einer Quelle, gräbst mit beiden Händen wie ein räudiger Hund. Aber da ist nichts als trockener Sand. Und du gibst auf nach einer Weile und legst dich erschöpft neben der Blume nieder, denn alle Hoffnung ist fort, lediglich ein jämmerlicher Schluck Wasser noch in deinem Beutel und diese Blume neben dir, die schon zu welken begonnen hat, wie du jetzt feststellst.»