Название | Der Zauber von Regen |
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Автор произведения | Liliana Dahlberg |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783737534710 |
»Noch nicht«, erwiderte Bernd, »es ist erst kommenden Mittwoch so weit. Er hat sich zum Glück prächtig entwickelt. Ich glaube, dass das neue Kraftfutter und die Pellets mit den Vitaminen ihm wunderbar bekommen. Meinst du nicht auch, Anja?« Er warf einen leicht verstohlenen Blick zu der Frau, die gerade mit erkennbar nervösem Gesichtsausdruck ihr Frühstücksei pellte.
Sie stieg erfreut, wenn nicht sogar begeistert über das Thema der Unterhaltung in das Gespräch mit ein. Ihr Augen- und Gesichtsausdruck verwandelte sich schlagartig.
Sie pflichtete strahlend bei: »Ja, es macht richtig Freude, ihm beim Heranwachsen zuzusehen. Er hat eine tolle Rittigkeit und auch eine gewaltige Hinterhand.«
Das Thema Pferde schien eine Brücke zwischen Anja und Nadine geschlagen zu haben, und das Eis war gebrochen. Sie unterhielten sich nun ganz unverkrampft. Bei aller anfänglichen Skepsis der Frau gegenüber, die das Herz ihres Vaters erobert hatte, musste Nadine feststellen, dass sie beide doch etwas verband: die Liebe zu Pferden. Sie unterhielten sich auch über die anderen edlen Vertreter des Gestüts »Syltrose« und deren Turniererfolge sowohl in Dressur als auch im Springsport. Besonders der sprunggewaltige Westfale »Butterfly«, der Bundeschampion in der Vielseitigkeit war, sorgte für Gesprächsstoff und regen Austausch.
Nadines Vater war froh, dass sich seine Tochter so unbeschwert mit Anja unterhielt. Das gab ihm Wind in seine Segel, der ihn noch weit tragen sollte.
Nadine wiederum gestand sich ein, was nicht zu leugnen war: Anja tat ihrem Vater gut. So heiter und gelöst hatte sie ihn schon lange nicht mehr gesehen. Ihre Sichtweise war nunmehr eine andere, als würde sie durch einen erweiterten Blickwinkel ihres Objektivs schauen und alles in einer neuen Großaufnahme und einem anderen Licht sehen. Sie konnte jetzt nachvollziehen, was ihr Vater fühlte. Ein Verständnis war entstanden, das ihren Ängsten den Raum nahm. Nadine war klar, dass er seine Liebe zu Anja unbeschwert ausleben wollte, doch es galt, noch ein paar Hindernisse bis zu diesem Ziel zu überwinden. Er musste nun hohe Hürden ohne eines seiner Pferde nehmen. Denn der heutige Samstag würde Gewitterwolken aus New York mit sich bringen, die sich über seinem Glück zusammenbrauten und in Form von Blitz und Donner entluden und ein Schlechtwettergebiet in seinem Heim entstehen ließen. Nadine zumindest war sich da sehr sicher.
Sie und ihr Vater hatten für ein paar Momente ausgeblendet, dass Rita noch an diesem Tag eintreffen würde. Das Kalenderblatt ließ aber keinen Irrtum zu: Heute war jener Samstag, der eine turbulente Zeit für die Familie Hansen einläuten könnte. Die Gewitterwolken aus Übersee würden nun in einem unaufhaltsamen Tempo nach Sylt aufziehen und die Insel bald erreichen.
Bernd dachte im Moment dasselbe wie seine Tochter. Sie sahen sich wissend an. Er wusste auch, dass seine Liebe zu Anja an diesem Wochenende auf eine harte Belastungsprobe gestellt werden könnte.
Wie würde seine Frau Rita reagieren, wenn sie von ihr erfuhr? Sollte man noch den Mantel des Schweigens über sie breiten? Weder Nadine noch ihr Vater wusste, ob Rita ihren Kopf nicht schon längst an die Schulter eines gestandenen Amerikaners lehnte und sie kein Problem darin sah, dass ihr Mann nun eine andere Herzdame hatte, die ihn mit Glück erfüllte. In Bernd flammte jetzt so stark wie nie zuvor der Wunsch nach einer Scheidung auf. Aber aufgrund des nicht vorhandenen Ehevertrags lag die Hemmschwelle zu diesem Schritt weiterhin sehr hoch.
Die Stimmung am Frühstückstisch kippte wieder.
Nadine ahnte, warum ihr Vater bisher nicht ernstlich ins Auge gefasst hatte, das Ende seiner Ehe offiziell zu besiegeln. Die Angst, sich gerichtlich mit Rita auseinandersetzen zu müssen, war wohl omnipräsent.
Anja nahm die veränderten Schwingungen am Tisch deutlich wahr. Die Leichtigkeit, die vorhin noch alle verspürten, war dahin. Sie konnte aber erraten, was gerade in den Köpfen von Nadine und ihrem Vater vorging.
Sie traute sich deshalb, eine kurze und prägnante Frage zu stellen: »Denkt ihr an Rita?«
Ein fast simultanes Kopfnicken von Bernd und Nadine war die Folge. Dass ein anderer Wind jedoch schon am Abend durch die Räume der Villa wehen würde, behielten beide für sich.
Kapitel 4
Ein kleines Begrüßungskomitee fand sich gegen achtzehn Uhr am Flughafen von Westerland ein. Es bestand zwar nur aus Nadine und ihrem Vater, sollte aber seine Wirkung nicht verfehlen und die etwas kapriziöse Dame empfangen, die Sylt nur selten beehrte und sonst lieber in ihrem Penthouse in Manhattan am Hudson weilte und salziger Seeluft und der Insel im Allgemeinen nur wenig abgewinnen konnte. Sie hatte sich dazu durchgerungen, ihre Tochter und ihren Mann zu besuchen und den Schein einer funktionierenden Ehe vor den Insulanern in der Kampener Nachbarschaft einmal mehr aufrechtzuerhalten.
Bei aller Abneigung Sylt gegenüber vermisste sie vielleicht doch ein wenig das Schaulaufen der Reichen auf dem »Strönwai«, der »Whiskymeile«. Denen fühlte sie sich stark zugehörig, und das Motto »Sehen und gesehen werden« gefiel ihr. Die kleinen Cafés dort luden dazu ein, ein wenig Blasiertheit und Passanten in Form von Schmuck und Designerkleidern zu zeigen, und das, was man im Überfluss hatte. Ein Stelldichein mit der Schickeria eben.
Die Tatsache, dass Nadines Mutter nicht allein anreiste, bereitete Bernd neben einem flauen Magengefühl auch noch Kopfschmerzen. Sie würde in Begleitung einer Horde »wilder Hühner« eintreffen, wie er die Kolleginnen seiner Frau nicht ganz schmeichelhaft bezeichnete, für die Schweigen ein Fremdwort war und die ihn wahrscheinlich einiges an Nerven kosten würden.
In der Hand hielt Bernd ein kleines buntes Blumenbouquet. Nadine hatte ihn mühevoll dazu überredet, es zu kaufen, und ihn davon abgehalten, einfach ein paar Disteln aus ihrem Garten zu einem Strauß zusammenzubinden. Nadine verspürte ebenfalls ein ungutes Gefühl in der Magengrube. Sie befand sich in einem Zwiespalt. Sollte sie sich nicht freuen, ihre Mutter nach Monaten mal wieder in die Arme zu schließen? Andererseits wusste sie, dass sie beide mehr als nur der Atlantik trennte. Sie hatten wenige bis keine Gemeinsamkeiten und sahen die Welt einfach nicht mit denselben Augen. Aber Rita war ihre Mutter. Außerdem besaß sie ihren festen Platz in der Familie Hansen, auch wenn sie ihn selten ausfüllte. Es waren nur noch wenige Minuten, bis die Maschine aufsetzte. Die Nervosität bei Nadine und ihrem Vater stieg. Erstere bemerkte sein Aschermittwochsgesicht und versetzte ihm einen leichten Rippenstoß.
»Hey, Paps, denk doch kurz an einen deiner vielen Ausritte mit deinem ›Sunrise‹ und wie glücklich du dich dann immer fühlst. Oder stell dir vor, dass Cassis die Körung mit Höchstpunktzahl besteht. Bitte, versuch einfach, ein wenig so zu tun, als würdest du dich freuen, dass Mutter kommt.«
»Stimmt, ein wenig schauspielerisches Talent sagt man mir schließlich ja nach, seitdem ich den Theaterkurs in der Oberstufe besucht habe«, meinte er nachdenklich.
»Eben«, sagte Nadine ermunternd und war erleichtert, als sich die Mundwinkel ihres Vaters ein wenig nach oben bewegten.
Sie standen unweit des Boarding Room und konnten durch ein großes Fenster sehen, wie der Flieger aus New York landete. Die Passagiere stiegen aus, und Bernds Blick wanderte kurz zum Notausgang des Flughafengebäudes, als er Rita mit ihren vier Freundinnen von Bord gehen sah.
»Vielleicht haben wir ja Glück«, flüsterte Bernd in das Ohr seiner Tochter, »und die Damen sind vom Jetlag noch ein wenig erschöpft. Dann haben wir vorerst noch ein wenig Ruhe.«
»Paps, du bist unmöglich«, sagte Nadine schmunzelnd, »fehlt nur noch, dass du deswegen ein Stoßgebet zum Himmel schickst.«
Ihr Vater erwiderte daraufhin etwas knapp: »Schon passiert.«
Nein, einen Jetlag schienen die Frauen, die wenig später aus dem großen Gang des Boarding Room traten, nicht zu verspüren. Nachdem sie Blickkontakt mit Nadine und ihrem Vater aufgenommen hatten, liefen sie heiter und vergnügt auf die beiden zu. Nur eine unter ihnen wirkte etwas zerknirscht und keineswegs fröhlich – Nadines Mutter. Sie bildete sozusagen das optische Zentrum der kleinen Frauengesellschaft und wurde jeweils zu ihrer Rechten und Linken von ihren Kolleginnen umrahmt.
»Da ist er also,