Название | Der Zauber von Regen |
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Автор произведения | Liliana Dahlberg |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783737534710 |
Ihr Vater sagte: »Weißt du noch? Dieser Jens, der Jura in Hamburg studiert hat. Sein gerader Scheitel und diese Segelohren waren doch ein lustiger Anblick. Er war auch immer so blass um die Nase. Wahrscheinlich, weil er zu viel in Gesetz- und Lehrbücher geschaut hat. Und gesprochen hat er! Der hat es fertiggebracht, Sätze so unheimlich kompliziert auszudrücken. Richtiges Beamtendeutsch. Als er mir einmal mitteilen wollte, warum er nicht zu meinem 50. Geburtstag kommen kann, hab ich ihn kaum verstanden. Ich glaub, das war so eine Masche von ihm. Er wollte nicht verstanden werden, besonders dann, wenn er keine griffige Ausrede parat hatte.« Er begann zu lachen.
Nadine wollte erst widersprechen, doch dann stimmte sie lauthals mit in das Gelächter ein. Sie war es sogar, die schnell das nächste Opfer ihrer fröhlichen Unterhaltung fand.
»Erinnerst du dich? Da war doch Frederik von dieser Versicherungsgesellschaft. Sein Blick war auch immer recht ernst. Er hat mich damit um den Finger gewickelt, dass er mein persönlicher Schutzengel sein wollte.«
Ihr Vater ergänzte: »Eigentlich eine ganz gute Versicherung. Dir hat er ja auch nicht versucht, all diese Policen aufzuschwatzen. Ich muss gestehen, dass es da ein paar wichtige gab. Doch die er mir versucht hat anzudrehen, waren einfach lächerlich und vollkommen unnötig.« Ihr Vater fungierte wieder einmal als Stimmenimitator und veralberte nun Finn, der im Gegensatz zu Jens zu viel Zeit in der Sonne verbracht hatte und den Eindruck erweckte, als sei er Inhaber eines Sonnenstudios oder Surflehrer. Er war aber Industriekaufmann. Finn hatte jedoch so seine Probleme mit dem einfachen Dreisatz und der Zinsrechnung. Er sprach mit unglaublich tiefer Stimme.
Ihr Vater tat sein Bestes, um dessen Stimmlage genau zu treffen. »Schatz, hast du meine Sonnencreme irgendwo gesehen? Ich kann sie nirgends finden. Außerdem beeil dich bitte, wir müssen schließlich die letzten Sonnenstunden ausnutzen, die uns noch bleiben.«
Nadine pflichtete ihm bei: »Seine Sonnencreme war ihm wirklich sehr wichtig. Sie lag anstatt einer Autokarte in seinem Handschuhfach. Er wollte, dass seine Haut einen edlen Kupferschimmer annahm und sich von seinem strohblonden Haaren abhob. Er hatte ein starkes Körperbewusstsein …«
Ihr Vater sagte entschieden: »Das ist ja in Ordnung. Bei ihm war das aber schon ein richtiger Körperkult. Er war schon sehr eitel. Die Wohnung von deinem Schokoprinzen war ja der reinste Spiegelsaal. Versailles ist nichts dagegen.«
»Jetzt übertreibst du aber und tust dem armen Finn unrecht«, entgegnete Nadine mit gespieltem Ernst, »er wollte eben sichergehen, dass er in jeder Perspektive gut aussieht. Ein wenig skurril, zugegeben. Aber so viele Spiegel waren es nun auch wieder nicht«, wiegelte sie ab.
»Ich hatte einen anderen Eindruck, als ich einmal bei ihm war. Du als Frau hast dich bei ihm wahrscheinlich immer sehr wohlgefühlt«, sagte ihr Vater neckisch und hielt sich nun die Seiten vor Lachen.
Nadine schloss sich ihm an, und so war der ganze Raum wieder von freudigem Gelächter erfüllt.
Sie sagte dann aber etwas nachdenklich: »Einmal hat er mich aber auch zu Tränen gerührt. Ich habe ihn nämlich im Spaß nach einem Sonnenuntergang gefragt, ob er jetzt ein wenig melancholisch würde. Er hat dann geantwortet: ›Nein, du bist doch da. Du strahlst schließlich auch noch für mich an verregneten Tagen und in der Nacht. Ich bin wie ein kleiner Planet, der um dich kreist.‹«
»Schön romantisch«, entgegnete ihr Vater, »er war wohl auch ein kleiner Poet und hätte beruflich umsatteln sollen.«
»Was er jetzt wohl macht?«, überlegte Nadine. »Ich habe ihn lange nicht gesehen. Vielleicht würden sich die Chancen erhöhen, ihm wieder zu begegnen, wenn ich täglich mehrere Stunden an Sylts Stränden wäre.«
»Ich glaube, dass unser Sonnenanbeter schon längst auf einer Pazifikinsel sein Glück sucht und den Nordlichtern den Rücken gekehrt hat«, widersprach ihr Vater bestimmt.
»Da magst du recht haben«, sagte Nadine lachend, »er ist jetzt wahrscheinlich von Südseeschönheiten umgeben und trinkt genüsslich Milch aus einer Kokosnuss.«
Nun gab es einen Menschen, den sie bisher nicht erwähnt hatten und der noch kürzlich der Mann an Nadines Seite und deren große Liebe gewesen war.
Ihr Vater zögerte kurz, ehe er die Abrechnung der besonderen Art begann: »Tom, ein Mann, über den man wohl kein nettes Wort mehr verlieren kann. Dieser alte Charmeur und Schwerenöter. Hat den liebenswerten Verlobten gespielt und bei mir brav um deine Hand angehalten und mir versichert, dass er dich nur glücklich machen wolle. Wenn ich daran denke, dass all sein Getue nur Fassade war, wird mir schon schlecht, und das bei diesem leckeren Essen.« Er deutete mit seinem Zeigefinger auf den Spaghettiberg, der aus dem auf dem Teakholztisch thronenden Kochtopf ragte. »Ich kann dazu nur sagen: Wenn der Vorhang fällt …« Man merkte, dass er ärgerlich wurde und seine Augenbrauen näher zusammenrückten. »Kaum zu glauben, dass die Vermögensabteilung in dieser Bank sein Ressort ist. Denn er hat zweifelsohne selbst das größte Vermögen verspielt, das er je hatte.« Er schaute seine Tochter eindringlich an.
Nadine lächelte geschmeichelt und war etwas verlegen. »Eine Sache hat nur so viel Wert, wie man ihr beimisst. Er muss schon lange aufgehört haben, mich zu lieben. Ich glaube, dass er mich wie ein altes Möbelstück betrachtet hat, an das man sich gewöhnt hat.«
»Engelchen, du willst dich doch nicht etwa mit altem Mobiliar vergleichen?«, fragte ihr Vater etwas erschrocken.
»Ich meine doch nur, dass vielleicht aus Liebe einfach Gewohnheit geworden ist. Wahres Gift für eine Beziehung …«
»Nadine, ich denke, dass Tom mit Menschen und ihren Gefühlen nur Schach spielt. Veronika ist auf seinem Brett wahrscheinlich auch nur eine Figur, der er sich bald entledigen wird. Unser Möchtegern-Don-Juan bereitet sicherlich schon seinen nächsten Zug vor.«
Kapitel 3
Veronika hatte die letzte Nacht fast nur im Wachzustand zugebracht. Jedes Mal, wenn sie in einen leichten Schlaf fiel, war sie von dem gleichen Traum heimgesucht worden und sah darin dieses eine Bild.
Tom und sich auf dieser Couch und Nadine im Wohnzimmer, die sie beide in flagranti ertappt hatte. Auch hörte sie in diesem Traum immer Nadines schrillen Schrei. Sie schreckte stets hoch und wachte schweißgebadet auf. Den Preis, den sie für ihre Liebe zu Tom gezahlt hatte, war zu hoch gewesen. Viel zu hoch. Seitdem sich die zwei im Streit in Nadines Wohnung getrennt hatten, hatte Veronika nichts mehr von ihm gehört.
Nachdem Nadine das Apartment fluchtartig verlassen hatte, machten sich beide einander lautstark Vorwürfe. Ein Wort ergab das andere.
Veronika meinte zu Tom vollkommen aufgewühlt: »Wir sind furchtbare Menschen. Wir haben Nadines Couch entweiht.«
»Red doch keinen Unsinn. Die Couch war schließlich kein Heiligtum«, entgegnete Tom gereizt.
»Für Nadine vielleicht schon. Auf jeden Fall haben wir sie wochenlang angelogen …«
»Wir haben Nadine nicht angelogen, sondern ihr nur etwas verschwiegen. Das ist ein feiner Unterschied«, erwiderte Tom bestimmt.
Veronika fragte immer wieder unter Tränen: »Was machen wir jetzt nur? Was machen wir jetzt nur?«
Tom antwortete kühl: »Ich für meinen Teil packe.« Er ging in die Besenkammer des Apartments und förderte einen großen Reisekoffer zutage. Darin verschwanden in Windeseile seine Kleidungsstücke aus Nadines Kleiderschrank im Flur. Er klaubte auch noch schnell seine restlichen Besitztümer zusammen.
Veronika war ihm nachgelaufen und sagte fassungslos: »Dazu fällt dir nichts anderes ein?«
Tom erwiderte: »Falls du es nicht weißt: Reisende soll man nicht aufhalten.« Er legte seinen Schlüssel von Nadines Apartment auf den gläsernen Couchtisch. Außerdem fügte er hinzu, wobei Veronika in seinen