Название | Der Zauber von Regen |
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Автор произведения | Liliana Dahlberg |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783737534710 |
»Ja, aus unserer Tür«, antwortete er mit fester Stimme und verzog keine Miene.
»Wie meinst du das, Bernd?«, fragte Rita verwundert. »Nadine, ihr seid doch hoffentlich noch zusammen? So jemanden muss man sich schließlich warmhalten«, meinte sie bestimmt.
Bernd war nicht überrascht, dass Rita gern einen Karrieristen zum Schwiegersohn gehabt hätte, der Tom zweifellos war.
»Tut mir leid, Rita, wenn ich dich enttäuschen muss, aber ich glaube, dass Tom mittlerweile schon an Frostbeulen leidet«, gab er zur Antwort.
Mehr mochte er nicht sagen, weil er wusste, dass Nadine nicht wollte, dass man Einzelheiten der Trennung in der Gesellschaft von den Freundinnen seiner Frau breittrat. Er hatte sowieso schon zu viel gesagt und überlegte, wie er sich geschickt aus der Affäre ziehen könnte.
»Gibt es also keine Hochzeit?«, fragte Gabriella, die von Nadines Verlobung gewusst hatte.
Höchstens an Pflaumenpfingsten, dachte Bernd, sagte jedoch nichts weiter. So entstand vorerst einmal ein betretenes Schweigen.
»Geht es Ihrem Verlobten nicht gut?«, fragte Miranda begriffsstutzig.
Sie erwischte Nadine an einem wunden Punkt. Es entsprach nicht ihrem Gemüt, aber es platzte aus ihr heraus: »Im Gegenteil, ich denke, seit er mich mit meiner besten Freundin betrügt, blüht er richtig auf!« Somit machte Nadine alle im Raum vorübergehend mundtot.
Momentan war nur noch das Ticken der großen und antiken Wanduhr im Kaminzimmer zu vernehmen.
»Warum hast du mit mir nicht darüber gesprochen, wenn es Beziehungsprobleme zwischen dir und Tom gab?«, fragte Rita schließlich und brach das Schweigen am Tisch.
Nadine traute ihren Ohren nicht. Ihre Mutter fragte sie, warum sie sich nicht an sie gewandt hatte! Das konnte doch nur ein schlechter Scherz sein! Fassungslos schaute sie die Frau an, die sie meist über Monate hinweg nicht sah und die jetzt wagte, ihr diese Frage in dieser Runde zu stellen.
Bernd versuchte schnell, das Thema zu wechseln, und verkündete: »Meine Damen, Sie dürfen sich freuen! Ich werde heute Abend wieder einmal für Ihr leibliches Wohl sorgen.«
»Stimmt«, meinte Stephanie, »Ihre Frau sagte, dass Sie uns mit Haute Cuisine verwöhnen wollen.«
»Haute Cuisine? Nein, wie ordinär!«, entgegnete Bernd lässig. »Aber meine Frau hat nicht zu viel versprochen, denn ich schicke Ihre Sinne heute auf eine kulinarische Reise.«
»Wohin führt uns diese Reise?«, fragte Miranda neugierig.
»Hoffentlich nicht nach England!«, entfuhr es Stephanie, die zugleich mit einem verärgerten Blick von Priscilla abgestraft wurde.
»Die ganze Nordküste entlang, und sie endet direkt hier auf Sylt«, erwiderte Bernd.
»Bei der Sterneküche von Jörg Müller?«, erkundigte sich nun auch Gabriella. »Er ist doch eine der besten Adressen hier auf der Insel.«
»Fast, meine Damen, fast. In meinem Kochtopf entsteht heute …«, er machte eine Kunstpause und meinte dann bestimmt: »das Labskaus!«
»Das ist nicht dein Ernst«, sagte Rita perplex.
»Doch, das ist es!«, entgegnete er und freute sich darüber, dass er seiner Frau diese Retourkutsche geben konnte.
»Was ist Labskaus?«, fragte Miranda interessiert.
»Eine norddeutsche Spezialität, die Sie lieben werden!«, antwortete Bernd.
»Oh, ich bin schon so gespannt!«, meinte Stephanie heiter.
»Wie es sich für einen Spitzenkoch gehört, habe ich einiges bereits in der Küche vorbereitet. Ich mach mich dann schon einmal ans Werk. Sie entschuldigen mich bitte.« Beschwingt erhob er sich von seinem Stuhl.
»Bernd, ich werde dir in der Küche ein wenig helfen«, sagte Rita und versuchte, ihren Unmut über das geplante Mahl ihres Gatten mit einem aufgesetzten Lächeln vor ihren Freundinnen zu verschleiern.
»Das ist aber süß von dir, Rita«, meinte Bernd, »aber ich denke, Nadine geht mir schon ein wenig zur Hand. Nicht wahr, Engelchen?« Er schaute seine Tochter fragend und auch ein wenig bittend an. Er wusste, dass Ritas plötzliche Hilfsbereitschaft nicht von ungefähr kam. Sie wollte ihrem Ärger in der Küche sicherlich Luft machen und ihm die Meinung sagen. Dazu brauchte man keine hellseherischen Fähigkeiten.
»Natürlich!«, sagte Nadine und schoss so schnell wie angepikst in die Höhe. »Du brauchst nicht zu helfen, Mutter«, sagte sie bestimmt, »ich werde es tun.«
»Sechs Hände sind besser als vier«, entgegnete ihre Mutter hartnäckig.
So stand Nadine schon wenige Augenblicke später mit ihren Eltern in der Küche.
»Bernd, ich warne dich, dieses Arme-Leute-Gericht kommt mir nicht auf den Tisch, oder ich rede für den Rest des Abends kein Wort mehr mit dir«, stellte Rita mit einem Funkeln in den Augen klar, das Nadine und ihr Vater zu deuten wussten: Rita kochte vor Wut.
»Das Risiko gehe ich ein«, antwortete Bernd mit einem schelmischen Grinsen. Da sie sich in ihrer Ehe ohnehin nicht mehr sehr viel zu sagen hatten, trug er es mit Fassung. »Sei doch nicht so verärgert«, fuhr er fort, »ich will deine Freundinnen doch nur in die norddeutsche Kultur einführen, und das Labskaus ist eine Seemannskost mit Tradition. Priscilla wird es sowieso mögen, schließlich kommt eine ordentliche Portion gepökeltes Rindfleisch in das Gericht, die sie sicherlich an ihr englisches Corned Beef erinnert. Und du hast es gehört, Stephanie ist auch schon gespannt. Das wird ein Gericht, an das sie sich alle noch lange erinnern werden. Außerdem bin ich der Küchenchef und bestimme, was in den Topf kommt.«
»Und ich bin der Gast«, sagte Rita zähneknirschend.
»… der den Koch jetzt bitte arbeiten lässt«, entgegnete Bernd, drehte seiner Frau den Rücken zu und fing gelassen an, die Rote Bete zu waschen, die sich in der Spüle der Küche befand.
Nadine war nicht verwundert, dass sich ihre Mutter als Gast bezeichnete. Man konnte sagen, dass sie ihre Familie schon lange Zeit vor ihrer Anstellung in New York höchst selten beehrt hatte und meist nur auf Stippvisite kam. Als sie noch in Brüssel als Dolmetscherin arbeitete, war sie sehr damit beschäftigt, ihre Kontakte im Ausland zu pflegen. Sie schien überdies völlig zu vergessen, dass es in ihrem Leben noch zwei Menschen gab, die sie lieber auf Sylt gewusst hätten. Mit ihrem Umzug nach New York erhöhte sich dann die räumliche Distanz um mehrere Tausende Kilometer. Jedoch wuchs auch die seelische Distanz entsprechend mit.
Nadine erinnerte sich, dass der Kopf ihrer Mutter bei ihren raren Aufenthalten auf Sylt meist hinter einem Aktenberg von Korrespondenzen und Übersetzungen verschwand. Ihre Arbeit ließ sie dann nur für einen Bummel in den edlen Boutiquen Kampens ruhen.
»Was wird das hier? Eine Palastrevolution?«, fragte Rita wütend.
»Was ich hier allenfalls ein wenig revolutioniere, ist der Speiseplan von deinen Freundinnen«, antwortete Bernd fröhlich pfeifend.
Da Nadine nicht wollte, dass der Abend in einem totalen Chaos endete und ihre Mutter am nächsten Montag einen Scheidungsanwalt kontaktierte, machte sie einen Vorschlag. Sie wusste, dass Mohn im Haus war, und sagte entschlossen: »Ich werde als Dessert ein Mohnsoufflé backen!«
»Das ist aber lieb von dir, Nadine«, entgegnete Rita erleichtert, »du hast halt, im Gegensatz zu deinem Vater, Anstand.«
»… den du ihr sicherlich beigebracht hast«, feixte Bernd.
Rita entgegnete nichts weiter und schritt mit hoch erhobener Nase aus der Küche.
»Paps, du willst das wirklich durchziehen?«, frage Nadine.
»Und wie!«, sagte er. »Ich war mir noch selten bei etwas so sicher.«
»In Ordnung«, meinte Nadine, »dann packen wir es an!«
Wie ein eingespieltes Team machten sie sich daran, das Labskaus zuzubereiten.