Fehlstart. Elisa Scheer

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Название Fehlstart
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737560665



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griff ein. „Soweit sind wir noch lange nicht. Ihr Motiv scheint mir auch nicht übermäßig einleuchtend – es sei denn, Sie legen jeden um, der Ihnen dumm kommt?“

      Ich lachte. „Dann wäre Leisenberg bereits zu einem Weiler mutiert. Ein bisschen gemeiner als Frau Schwarzmeier muss einer schon zu mir sein, damit er mir eine Kugel wert ist oder eine nette Dosis Strychnin. Oder was auch immer.“

      „So wie ich?“, fragte Hamm und grinste spöttisch.

      „Ja... ich muss sagen, bis jetzt liegen Sie im Rennen um den Schierlingsbecher unangefochten auf Platz eins.“ Unwillkürlich musste ich auch grinsen.

      „Würden Sie jetzt bitte das deplatzierte Gewitzel einstellen“, schnauzte böser Cop. Ich setzte mich sofort gerade hin, faltete die Hände und guckte fromm. „Zu Befehl!“ Böser Cop wollte gerade losbrüllen, da schickte Kirschenauge ihn nach draußen, nach den Ergebnissen der Spurensicherung fragen.

      Die Sekretärin schenkte Kaffee nach, und plötzlich knurrte mein Magen ganz laut. Halb vier – und ich hatte seit dem Smarties-Krapfen von der Friedrichs nichts mehr gegessen; das war schon mehr als vierundzwanzig Stunden her – verhungern konnte man hier! „Möchten Sie etwas zu essen haben?“, fragte sie mich sofort. Ich lächelte waidwund (hoffte ich, wahrscheinlich sah es bloß dämlich aus) und verzichtete edel. Niemand war beeindruckt; Hamm orderte eine Runde Kekse und Orangensaft und erläuterte auf Kirschenauges Fragen hin, dass Frau Schwarzmeier die Assistentin der Geschäftsleitung war und ihm und seinem Stellvertreter Huffland (Glanzhaar oder Tarnglatze, verflixt?) unterstellt. Tarnglatze steuerte Details bei, als war er wohl Huffland. Ah ja – jetzt wurde Glanzhaar als Bogner, seines Zeichens Marketingchef, vorgestellt. Aalglatter Scheißer. Hässlich war er freilich nicht, Kirschenauge sah aber besser aus. ich lächelte wieder schüchtern in die Runde, aber dann beschloss ich, das lieber zu lassen, weil es gar nicht zu meiner Klappe passte.

      „Wie ist denn diese Frau Schwarzmeier umgebracht worden?“, fragte ich, um Interesse zu zeigen. „Warum wollen Sie das wissen?“, fragte Bogner sofort. Nein, Glanzhaar passte besser. Ich zuckte die Achseln. „Dann eben nicht. Behalten Sie nur Ihre kleinen Geheimnisse für sich, wenn Sie das glücklich macht.“

      „Dass Sie bei MediAdvert eine große Zukunft haben, kann ich mir nicht vorstellen“, blaffte Glanzhaar. „Sie ist doch schon draußen“, petzte Hamm. Ich lächelte höhnisch und beschloss, dass ich heute einen besseren Job gefunden hatte. Einen viel besseren Job. Einen Job, für den Hamm die Firma sofort hinschmeißen würde. Wieso war der in so jungen Jahren eigentlich schon Chef? Wahrscheinlich gelerntes Söhnchen, früh geerbt, in zwei Jahren hätte er den Betrieb ohnehin runtergewirtschaftet. Der Gedanke war unbedingt vorzumerken... „MediAdvert ist eine Klitsche ohne Zukunft“, verkündete ich großspurig und hoffte, dass sie alle Suhrbier genügend hassten, um nicht zu widersprechen. Obwohl – solche blöden Kerle, wahrscheinlich waren sie seine besten Kumpels. Dann sollten Sie es ihm ruhig weitertratschen! Hamm verzog höhnisch das Gesicht. Blöder Hund. „Brauchen Sie mich noch?“, fragte ich schließlich ungeduldig. „Ich müsste noch allerlei erledigen, schließlich trete ich morgen eine neue Stelle an.“

      „Ach was?“, fragte Hamm. „Ach ja!“, schnappte ich.

      Kirschenauge winkte ab. „Gehen Sie ruhig, aber geben Sie dem Beamten vor der Tür bitte die Adresse Ihres neuen Arbeitgebers.“

      Das tat ich so diskret wie möglich, und gerade noch rechtzeitig, denn kaum hatte der Wachtmeister oder was auch immer sein Notizbuch zugeklappt, schlängelte sich Hamm durch die Tür. „So schnell haben Sie einen neuen Job?“

      „Dachten Sie, das schaffe ich nicht?“

      „Das wird schon so ein Job sein. Tüten kleben, vielleicht.“

      „Wenn Sie meinen... Ich bin jedenfalls sehr zufrieden. Vielseitig.“

      Bestimmt. Ich hatte sicher die verschiedensten Waren auszupacken, auszupreisen und einzuräumen. „Und vom Organisatorischen viel reizvoller als bei MediAdvert“, fügte ich hinzu. Direkt gelogen war das nicht.

      „Logistisch sehr anspruchsvoll.“ Vor allem, weil ich mit diesen blöden Lafetten sicher nicht zurechtkommen würde. Hießen die Dinger überhaupt so? Oder Paletten?

      „Ich bin ja tief beeindruckt“, spottete Hamm. „Wenn man bedenkt, dass ich Ihnen ein Alibi verschafft habe, könnten Sie den Ball ruhig etwas flacher halten“, zischte ich und bemerkte aus dem Augenwinkel, wie der Beamte auf seinem Stühlchen die Ohren spitzte. Egal.

      „Sie mir? Ich Ihnen, meinen Sie wohl! Ich hätte ja gar kein Motiv gehabt!“

      „Ich vielleicht? Der Inspektor oder was auch immer hat das selbst gesagt. Wer weiß, was für finstere Dinge in diesem Betrieb abgehen.“

      „Das muss ich mir nicht sagen lassen!“

      „Dann gehen Sie mal schön wieder da rein und petzen Sie den Bullen -“

      „Nana“, machte der Beamte.

      „Sorry, den Herren von der geschätzten Obrigkeit, wie gemein ich zu Ihnen war.“

      „Die Körperverletzung auch?“

      „Das war Notwehr. Ich kann das gerne erklären, wenn Sie es wünschen.“

      „Schnepfe!“

      „Blödmann.“ Er drehte sich um und verzog sich in den Sitzungsraum. Ich ging nach Hause, endlich.

       8: Mittwoch, 12. Februar 2003

      Eigentlich war ich jetzt wirklich müde, aber ich konnte morgen nicht gut im Nachthemd im Feinkost-Keller arbeiten. Also steckte ich nun doch Krimi und Kleingeld ein, schulterte die beiden Reisetaschen und schlurfte zur Ecke Ifflandweg. Wenigstens waren zwei Maschinen frei, ich stopfte meinen Kram hinein, schüttete Pulver dazu und warf das Geld ein, dann vertiefte ich mich in den Krimi, der sich als so verzwickt erwies, dass ich ziemlich schnell den Faden verlor und wieder von vorne anfangen musste.

      Als die Maschinen mit einem Seufzen zum Stillstand kamen, hatte ich immer noch erst zwanzig Seiten geschafft und schon wieder vergessen, warum der Typ, den sie bei der Leiche erwischt hatten, unschuldig sein musste.

      Ich kippte die Wäsche in zwei Trockner, startete sie und versuchte es weiter. Hatte der jetzt ein Alibi oder was? Und welche Interessen verfolgte die rätselhafte Blondine im schwarzen Lackmantel, die behauptete, mit ihm zusammen gewesen zu sein, obwohl das ganz offensichtlich nicht stimmte? Brauchte die selbst ein Alibi - oder was? Apropos Alibi: Hatte Hamm jetzt eins? Und ich, hatte ich auch eins? Aber warum hätte ich diese – wie hieß sie gleich wieder? – umbringen sollen? Nur wegen des blöden Spruchs mit den Schuhen? So unrecht hatte sie wirklich nicht gehabt.

      Ja, wenn man heute Hamm übel zugerichtet im Lift gefunden hätte... der hatte mich wirklich bis an die Schmerzgrenze provoziert! Aber diese Frau – blond, gut gestylt, mehr wusste ich gar nicht mehr von ihr, ich hätte ja nicht die geringste Ahnung gehabt, wo ich ihr hätte auflauern müssen, um ihr was anzutun! Nein, Kirschenauge war hoffentlich schlau genug, sich nicht ausgerechnet auf meine Fährte zu setzen!

      Außerdem hatte ich andere Sorgen – den popligen neuen Job, meine dürftigen Finanzen, meine wüste Wohnung... fremde Leichen brauchte ich nicht auch noch. Ich versuchte noch einmal, mich auf die Blondine in schwarzem Lack zu konzentrieren, und gab dann auf. Lieber faltete ich ordentlich, was schon trocken war. Mit zwei sehr befriedigend gefüllten Reisetaschen kehrte ich nach Hause zurück, räumte den Inhalt sorgfältig in den Schrank und stopfte die nächsten Haufen in die Taschen. Morgen Abend...

      War ich jetzt müde? Hatte ich genug getan? Wenigstens diese Küchenzeile konnte ich noch putzen… Ich beschränkte mich darauf, vergammelte Lebensmittel in einer Tüte zu sammeln und die Arbeitsfläche blank zu polieren, dann trug ich die ziemlich übel riechenden Mülltüten in den Hof, warf meinem Auto einen bösen Blick zu (Wenn du gestern angesprungen wärst, wäre alles anders gekommen, wenigstens wäre ich dann nicht im Lift festgesessen) und bezog schließlich noch mein Bett frisch, was