Fehlstart. Elisa Scheer

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Название Fehlstart
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737560665



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ihm genau das gestern passiert – mit Ihnen zusammen.“

      „Sch- Mist: Dieser zerzauste Lümmel ist der Chef? Oha... Ach, was soll´s, den sehe ich trotzdem nie wieder.“

      „Da wäre ich an Ihrer Stelle nicht so sicher“, meinte der Dunkle und erhob sich, „kommen Sie bitte mit?“

      „Bin ich verhaftet? Wegen Beleidigung?“

      „Wieso das denn?“, fragte der Blonde.

      „Weil ich gestern total unverschämt zu diesem Kerl war, aber er hat immerzu angefangen.“

      „Nein, darum geht´s uns nicht. Wir brauchen eine Aussage von Ihnen - und Sie sind natürlich nicht verhaftet, weshalb denn auch? Solange Sie Frau Schwarzmeier nicht ermordet haben...“

      „Da ist eine ermordet worden?“, keuchte ich. „Oh Scheiße! Die arme Frau!“

      „Genau. Also, können wir? Und nehmen Sie Ihren Ausweis lieber mit, man weiß ja nie.“

      Mist. Ich guckte hastig in meinen Geldbeutel. Ja, da steckte er ja, neben Fahrzeugschein und ec-Karte. In diesem scheußlichen Aufzug unter die Leute? Aber ich konnte nicht einmal bitten, dass ich mich umziehen durfte, was hätte ich denn stattdessen nehmen sollen? Also fügte ich mich unlustig und folgte den beiden aus dem Haus. „He, Heike, haben Sie dich endlich geschnappt, alte Chipstöterin?“, rief Berti von der anderen Straßenseite.

      „Klar!“, rief ich zurück. „Tätlicher Angriff auf eine Familienpackung Käsechips!“ Berti lachte, die beiden Polizisten musterten mich irritiert. „Ihr Freund?“

      „Ach wo, der wohnt um die Ecke, wir sehen uns manchmal auf der Straße. Ich weiß nicht mal, wie er mit Nachnamen heißt.“

      „Daxenberger“, sagte der Blonde. „Den kenne ich schon, von den letzten paar Einsätzen hier. Diebstahl, Sachbeschädigung, betrunkenes Randalieren... Nette Bekannte haben Sie.“

      „Lässt sich in dieser Gegend nicht vermeiden“, sagte ich und setzte mich nach hinten. „Sie sollten mal über einen Umzug nachdenken.“

      „Wovon? Hier sind die Mieten hinreißend billig, und mein neuer Job wird so toll auch wieder nicht bezahlt“, antwortete ich pampig. In vergrämtem Schweigen fuhren wir – nicht ins Präsidium, das ich kannte, weil es fast direkt am Markt lag, gegenüber dem Neurenaissance-Rathaus, sondern nach Norden, Richtung Zolling. Zu Hamm?

      Genau, zu Hamm. Ziemlich viel Betrieb war hier – aber im siebten Stock, wohin wir schließlich fuhren, wirkten die Gänge wie ausgestorben.

      Am Ende des Flurs – der wohl extra wegen der zarten Füßchen der Chefs mit flauschigem blauen Teppich ausgelegt war, schade, dass ich nicht die Hundekackeschuhe anhatte – befand sich eine Doppeltür, und dahinter ein Konferenzraum, in dem mich der Quälgeist von gestern und außerdem der Geschniegelte und der ältere Mann mit der getarnten Halbglatze müde ansahen. Dazu gab es noch zwei Männer in Zivil, denen man die Kripo trotzdem anmerkte, einen uniformierten Polizisten und eine Frau, die gerade Kaffeetassen einsammelte. Ich nickte in die Runde, murmelte etwas und funkelte diesen Hamm giftig an, er starrte genauso giftig zurück, wahrscheinlich tat ihm sein bestes Stück immer noch weh. Hätte er mich eben nicht besabbert!

      „Setzen Sie sich bitte, Frau Unger“, bat einer der Polizisten.

      Ich gehorchte – möglichst weit weg von Hamm - und wartete.

      „Ja, dann machen wir am besten gleich weiter“, ergriff einer der Zivilbullen das Wort. Gut aussehender Kerl, registrierte ich automatisch. So schwarzäugig, das gefiel mir. Kein Ring am Finger. Andererseits hatte er mir bis jetzt nur einen flüchtigen Blick gegönnt, und wenn ich bedachte, wie ich aufgemacht war, wenn ich vor allem an diese bescheuerten Häschen auf meinem Sweatshirt dachte, konnte ich eigentlich nur froh sein, wenn er mich nicht so genau ansah. Beim nächsten Verhör – wenn es denn eins gab – musste ich unbedingt die schönen schokoladenbraunen Jeans und den dazu passenden Pullover mit dem großen weichen Rollkragen -

      „Frau Unger! Frau Unger? Hören Sie mich?“

      Mist! Jetzt hatte ich mich nicht nur als kindisch und ohne Geschmack, sondern auch noch als ein bisschen beschränkt präsentiert. „Wann sind Sie gestern in den Lift gestiegen?“ Ich zuckte die Achseln. „Auf die Uhr geschaut hab ich nicht – aber der Lift ist nach oben gefahren, Herr Hamm ist eingestiegen, dann ist der Lift hängen geblieben, und er hat gesagt Ach ja, Viertel vor acht, da wird er abgeschaltet.“

      „Haben Sie selbst auf die Uhr gesehen?“

      „Nein“, musste ich zugeben. „Aber ich war um halb sieben bei mir zu Hause, hab den Schlüssel vermisst und bin zurück zum Bus – also sehr viel später kann es eigentlich nicht gewesen sein, sehr viel früher aber auch nicht. Und später hab ich ja auch ab und zu auf die Uhr geschaut, wenn wir uns gestritten haben, ob das hier ein Saftladen ist, weil wir schon so lange festsitzen. Also, ich denke, Viertel vor acht haut ziemlich genau hin.“

      „Aber überprüft haben Sie das nicht?“, beharrte der andere Zivilbulle. Auch nicht hässlich, kurze, graublonde Haare, grüne Augen – aber ein ziemlich strenger Blick. Der mit den Kirschenaugen guckte freundlicher, eindeutig. Ich lächelte versuchsweise – schüchtern, wie es einer Verdächtigen zukam.

      War ich überhaupt verdächtig? „Kannten Sie Frau Schwarzmeier?“

      Ich schüttelte den Kopf. „Den Namen hab ich vorhin zum ersten Mal gehört.“

      „Lügen Sie nicht“, ließ sich Tarnglatze vernehmen, „sie hat Sie doch gestern noch kritisiert! Weil Sie eine Präsentation in kaputten Schuhen abgehalten und dabei Tausende an Schaden verursacht haben.“

      „Die war das? Ja, die hab ich gestern gesehen, aber den Namen wusste ich doch nicht.“ Tarnglatze wandte sich entrüstet an Kirschenauge. „Wir haben uns laut und deutlich vorgestellt.“

      „Himmelarsch“, protestierte ich, „das war meine allererste Präsentation, wie man ja wohl unschwer gemerkt hat. Ich war tierisch nervös, ich hab keinen einzigen Namen mitgekriegt.“

      „Ach – wenn Sie gewusst hätten, wer ich bin, hätten Sie sich im Aufzug wohl weniger unverschämt benommen?“ Ich funkelte Hamm an. „Im Gegenteil – dann hätte ich die Sau erst so richtig rausgelassen. Und am Ende eine Klage.“ Ihm stieg etwas Farbe ins Gesicht, und ich wandte mich befriedigt ab. So, den hatte ich abgeschossen!

      Der Geschniegelte – ich taufte ihn Glanzhaar – lächelte spöttisch. „Gefallen Sie sich als Rebellin?“

      „Jedenfalls lass ich mir nichts gefallen, wenn Sie das meinen!“

      „Interessant“, kommentierte der böse Bulle, der zu dem mir kein passendes Etikett einfiel. Grünauge? Nö, doof, ich hatte ja schon Kirschenauge. Goldlöckchen? Wo hatte der denn Locken? Böser Cop reichte.

      „Finden Sie?“, fragte ich kriegerisch zurück.

      „Wenn Sie sich nichts gefallen lassen – wie weit gehen Sie, wenn jemand Ihnen dumm kommt? Frau Schwarzmeier war ja nicht besonders höflich zu Ihnen...“

      Ich nickte. „Ganz klar, ja. Wegen des dummen Spruchs mit den Schuhen – mit dem sie übrigens völlig Recht hatte, nur hatte ich eben nur ein Paar Pumps – bin ich nachts wieder hergeschlichen, hab sie kaltgemacht, eine Doppelgängerin in den Lift gestellt, den Lift beschädigt, wegen des Alibis, und morgen komme ich wieder und knöpfe mir die drei Herren vor. Und danach sind alle meine Feinde bei MediAdvert dran, angefangen bei Freund Suhrbier... Nichts gegen Serienkiller, aber das hört sich verdammt stressig an. Da kommt man ja vor lauter Morden zu gar nichts mehr!“

      „Frau Schwarzmeier wurde vor acht umgebracht“, erläuterte böser Cop glatt. „So überzeugend ist Ihr Alibi also auch wieder nicht. Genauso wenig wie das von Herrn Hamm, Herrn Bogner und Herrn Huffland.“

      Ich riet mal: Huffland = Glanzhaar, Bogner = Tarnglatze. Leider machte niemand Anstalten, mir die Auflösung zu verraten. „Im Krimi sind perfekte Alibis bloß immer verdächtig“, antwortete