Название | Fehlstart |
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Автор произведения | Elisa Scheer |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783737560665 |
Jedenfalls sah es jetzt schon beträchtlich ordentlicher aus. Klarer, irgendwie. Die Bücher müsste ich vielleicht mal übersichtlicher... ich stopfte die quer liegenden zwischen die anderen und brachte sie mit einem Handkantenschlag auf Linie. So! Jetzt fand ich zwar sicher nichts mehr, aber es sah gut aus. Ziemlich gut wenigstens.
Und die alten Zeitschriften kamen jetzt endgültig auf den Stapel im Müllhäuschen. Sofort! Hinterher fiel ich wirklich aufs Bett und döste, begleitet vom monotonen Geräusch der Tropfen, die aus den nassen Gardinen in die Badewanne fielen. Immerhin, ich hatte für fast zwei Wochen etwas anzuziehen. Und die Kostümjacke konnte ich doch mal in die Reinigung bringen, dann taugte sie noch als Blazer. Den Rock warf ich wohl besser weg, der überzeugte nicht mehr. Zu eng war er auch.
Fernsehen? Lesen? Vielleicht kapierte ich den Krimi ja jetzt? Ich wälzte mich zum Lichtschalter und suchte dann nach dem Krimi. Jetzt konnte mir natürlich jeder reingucken, weil die Gardinen immer noch im Bad vor sich hin tropften.
Übrigens hatte ich immer noch Hunger. Ich wühlte im Küchenschrank herum und fand noch eine halbe Tafel Schokolade – nein, lieber etwas Würzigeres! Also kochte ich mir eine ordentliche Portion Spaghetti und streute Parmesan darüber – das aß ich furchtbar gerne, ohne Sauce.
Satt und zufrieden stapelte ich dann Teller, Topf, Besteck im Spülbecken und weichte es ein. Zum Abspülen reichte es nicht mehr, für heute war ich wirklich fleißig genug gewesen. Was gab´s denn im Fernsehen? Kurz vor sieben... Vorabendserien, bei denen ich mich nie auskannte. Doch lieber den Krimi? Irgendwie war ich unruhig; ich humpelte ins Bad und prüfte, wie nass die Gardinen noch waren. Zu nass auf jeden Fall.
Krimi! Und am besten noch mal von vorne.
Ich schaffte es wenigstens, zu kapieren, warum die Lacklederblondine dem anderen Typen ein falsches Alibi verschaffte (so hatte sie dann auch gleich eins!) und kam bis zu der Stelle, an der eine zweite, ähnlich zugerichtete Leiche aufgefunden wurde. War die Blondine eine Serienkillerin und nicht die Beauftragte der Versicherung? Was ging´s mich an, ich hätte lieber gewusst, wer diese Schwarzmüller – nein, Schwarzmeier – umgelegt hatte. Und warum.
Die Polizei konnte doch nicht ernsthaft glauben, ich sei es gewesen? Ich hatte die Frau praktisch nicht gekannt!
Diese blöden Gardinen, jeder konnte reingucken! Wieso hatte ich nicht bis zu meinem freien Tag gewartet? Oder sie frühmorgens gewaschen, dann hätte ich sie abends gleich wieder aufhängen können! Aber Staubsaugen wollte ich doch noch; heute hatte ich wirklich Hummeln im Hintern – sehr ungewöhnlich. Der Teppich wurde tatsächlich etwas heller und verlor den Grauschleier, den ich seit Monaten gezüchtet haben musste. Ich spülte auch gleich noch meinen Spaghettiteller ab und wunderte mich zunehmend über mich selbst – hatte ich jetzt den absoluten Putzwahn? War das eine Ersatzbefriedigung, weil es im Job so schlecht lief? Oder wollte ich mich als perfekte Hausfrau präsentieren, falls doch mal der Traummann (Tom!!) an die Tür klopfte?
Jetzt sah es hier eigentlich recht zivilisiert aus, mal abgesehen von den restlichen Wäschestapeln im Flur. Ich stopfte sie in die zwei Reisetaschen: morgen, wenn ich dann nicht noch müder war – aber Müdigkeit schien mich anscheinend nur noch anzutreiben! Ich drückte die tropfenden Enden der Gardinen mit einem frischen Handtuch aus, weil ich die Geduld verlor, und hängte sie dann wieder auf.
Deutlich heller – und als ich die Heizung hochdrehte, damit sie schneller trockneten, verbreitete sich angenehmer Waschmittelduft in der Wohnung. Dann konnte ich ja auch noch das Bad putzen! Wozu ein schlechter Krimi einen nicht motivieren konnte... Wenigstens frische Handtücher – und das Waschbecken polieren – und die Zahnpastaspritzer vom Spiegel – naja, und den grauen Rand aus der Wanne.
Ja, jetzt sah es hier einigermaßen zivilisiert aus! Ich warf noch schnell einige längst leere Duschbadflaschen weg und fand mein Werk gut. Jetzt war aber wirklich Feierabend angesagt, um Viertel nach acht würde doch wohl etwas Brauchbares im Fernsehen kommen, oder? Nichts Besonderes. Ich verfolgte eher desinteressiert den recht lahm dargestellten Mord an einem zwielichtigen Priester und hatte nichts dagegen, als es gegen neun Uhr klingelte.
10: Donnerstag, 13. Februar 2003
Durch den Spion konnte man mal wieder gar nichts erkennen – niemand stellte sich in geeigneter Entfernung auf. Ich sah nur etwas Rotes, legte die Kette vor und öffnete. „Du?“
Aufschluchzen. Ich knallte die Tür zu, löste die Kette und riss die Tür wieder auf. „Komm rein!“ Julia, meine Freundin seit dem ersten Semester, wankte schluchzend in die Wohnung, eine riesige Reisetasche hinter sich herziehend.
„Hast du dich mit Mike gestritten?“
Sie heulte noch lauter und warf sich aufs Bett. „Kaffee?“
„Schnaps!“, stöhnte sie in mein frisch bezogenes Kopfkissen.
„Hab ich nicht, tut mir Leid. Kaffee, Wasser oder Apfelsaft.“
„Dann Kaffee. Ach, Heike, es ist alles so scheiße...“
Das kam bei Julia öfter vor, wenn Mike – Biker-Mike, aber sonst war er harmlos – wieder mal zu lange an einer seiner Maschinen herumgeschraubt, einen Kennenlerntag vergessen oder mit Motoröl herumgekleckert hatte. Bei Julia war schnell alles scheiße, aber auch ebenso schnell alles voll geil – niemand konnte sich so gut amüsieren.
„Was hat er denn gemacht?“, fragte ich, auf der Bettkante sitzend und das verstrubbelte blonde Haar streichelnd. „Nichts!“, erklang es dumpf ins Kissen.
„Okay, was hat er dann nicht gemacht?“
„Nichts...“
„Julia, er muss doch irgendwas gemacht haben, warum wärst du sonst hier?“
Ich stand auf und suchte nach einem Kaffeebecher, dann schenkte ich ihr ordentlich ein. „Jetzt komm mal hoch und trink deinen Kaffee. Ich will ihn nicht im Bett haben. Und dann erzähl mir, warum du so durch den Wind bist, wenn Mike gar nichts gemacht hat.“
Sie wälzte sich herum und griff nach dem Becher, nahm einen großen Schluck und gab ihn mir zurück. „Zucker?“
„Ist leider aus. Milch auch, sorry. Also, was liegt an?“
Sie starrte mich finster an. „Kann ich bei dir pennen?“
„Klar – aber du siehst ja, wie eng es hier ist.“
„Egal. Ich kann Mike nicht mehr ab.“
„Also hat er doch was angestellt?“
„Nein. Ich hab ihn einfach satt.“
„Ohne dass er nervt? Hast du was Besseres gefunden?“
Sie nahm mir den Becher wieder aus der Hand und trank. „Boah, da kriegt man ja einen Herzschlag. Das hat er mich auch gefragt.“
„Ob du einen anderen hast?“
„Wie kommst du darauf?“ Ausweichend. „Wenn er dir plötzlich nicht mehr gefällt, ohne dass er etwas angestellt hat, vergleichst du ihn doch mit einem anderen, oder?“
„Meinst du?“
Noch ausweichender! „Julia, spuck´s aus. Wer geistert dir im Kopf herum?“
„Er ist so entzückend“, seufzte sie und hätte beinahe den Kaffeebecher fallen lassen. Im letzten Moment fing ich ihn auf – wenn ich mich schon mal aufraffte und das Bett frisch bezog, wollte ich das nicht gleich wieder tun müssen.
Dabei fiel mir ein, dass ich nicht wusste, wo der Schlafsack war. Na, später.
„Wer ist entzückend?“
„Blond – und so klug... richtig kultiviert...“
Armer Mike, da konnte er nicht mithalten. Herzensgut, zuverlässig, hilfsbereit –