Schwarzes Herz. Andreas Menne Peter

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Название Schwarzes Herz
Автор произведения Andreas Menne Peter
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783746751320



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Schrittes ging die Prinzessin wieder los, schien fast ein wenig zu tanzen, als sie den kleinen Kiesplatz auf der Rückseite des Schlosses durchschritt und in die Gärten eintauchte.

      Sie folgte erst ein Stück dem geraden Hauptweg, der geradewegs vom Schloss weg führte, um dann nach rechts in einen der Nebenwege abzubiegen. Dort blieb sie an einer der hüfthohen Hecken stehen, strich mit den Händen sanft über das dichte Blätterwerk.

      Genauso wie ihre Gedanken verlor sie sich einmal wieder, als sie weiter wandelte, quer durch die schön angelegten Blumenbeete, die kunstvoll gestutzten Hecken, vorbei an einigen grösseren Sträuchern und Bäumen. Sicher wie eine Schlafwandlerin lief sie über die Wege, die fast wie ein kleines Labyrinth wirkten, bis fast ans Ende des Gartens.

      Von hier aus waren es nur noch ein paar Schritte bis zur Schlossmauer. Als sie sich umdrehte war das Schloss noch zu sehen, doch Details konnte man nicht mehr erkennen, so weit hatte sie sich schon entfernet. Und auch vom Treiben dort war nichts mehr zu hören. Nur der Wind, der durch die Blätter strich und das Singen der Vögel waren da. Es duftete nach den Blumen, die sie hier umgaben.

      Hier fühlte sie sich wohl und frei, konnte einfach sie selbst sein, was ihr im Schloss im Beisein ihres Vaters nicht gelang.

      Die Prinzessin griff ins Gras neben dem Weg, das allerdings noch leicht feucht von der Nacht war und so liess sie sich noch nicht dort nieder, um die Sonnenstrahlen zu geniessen, sondern ging ein paar Schritte weiter bis zu einer einfachen Bank, auf die sie sich setzte.

      Wie schön und wie ruhig es ist, dachte sie wieder und wünschte sich insgeheim, dass sie ohne Sorgen ihr Leben einfach nur in der Natur verbringen könnte. Nicht eingebunden in das höfische Leben, nicht eingezwängt in das Schloss und die Schlossmauern.

      Kaum hatte sie diesen Gedanken gedacht, sah sie auch schon einen Mann der königlichen Schlosswache nahen, auf einem seiner Kontrollgänge durch den Garten entlang der Schlossmauer. Sie schaute der Wache ruhig entgegen und als der Wachmann nahe heran war, verbeugte er sich und grüsste die Prinzessin vorschriftsmässig, wie es die Etikette vorsah. Sie erwiderte den Gruss entsprechend und schaute zu, wie der Wachmann seine Runde fortsetzte.

      Natürlich konnte sie sich immerzu innerhalb der Schlossmauern sicher und beschützt fühlen. Dessen war sie sich gewiss, denn ihr Vater setzte alles daran, dass ihrem Bruder und ihr hier nichts geschehen konnte. Doch zog es sie hinaus in die Wälder und die freie unberührte Natur, die sie als Kinder und Jugendliche zusammen mit dem Jäger Bertold erkundet hatten.

      Als der Wachmann ausser Sichtweite war, erhob sie sich daher und ging weiter, ein Stück in die Richtung, aus der der Wachmann gekommen war.

      Hier war, halb hinter einer Hecke versteckt, ein kleines Türchen in der Schlossmauer, durch das sie schon so oft mit Bertold gegangen war, um direkt in den Wald zu gelangen, ohne den Umweg über das grosse Haupttor machen zu müssen.

      Als sich das schmiedeeiserne und holzvertäfelte Türchen hinter ihr schloss stand sie nach wenigen Schritten mitten zwischen den Bäumen, von denen man über die Schlossmauer, die gut doppelt so hoch wie sie selbst gross war, hinweg nur die Kronen hatte sehen können.

      Der intensive Geruch von Kiefern umspielte nun ihre Nase und auf dem weichen Waldboden federten ihre Schritte mit angenehmer Leichtigkeit. Mit einem Lächeln im Gesicht schritt sie voran.

      Der Pfad, dem sie folgte, war kaum zu erkennen, doch kannte sie ihn so gut, dass sie ihn selbst dann noch sicher fand, wenn frischer Schnee den Waldboden gleichmässig bedeckte. Er schlängelte sich zwischen den immer höher werdenden Bäumen hindurch, um ein paar kleinere Felsen herum und nach einer Weile leicht ansteigend weiter.

      Zwischendurch kreuzte ein grösserer Weg durch den Wald den Pfad, dem sie folgte. Hier waren die Hufspuren von Pferden zu erkennen, ältere wie neuere. Doch die Prinzessin folgte dem Pfad weiter.

      Sie kam an einer der Futterkrippen vorbei, die Bertold im Winter für die Tiere des Waldes füllte. Hier hatte sie in sicherer Entfernung schon mit ihm auf der Lauer gelegen und im Winter die Rehe beobachtet, wie sie sich der Krippe vorsichtig genähert und gefressen hatten.

      Ein wenig später machte der Pfad einen Knick, es ging ein paar hundert Meter etwas steiler hinauf. Das ganze Gelände stieg hier sichtbar an und kaum hatte sie die Kuppe erreicht, eröffnete sich ein kleiner Talkessel vor ihr mit einem kleinen See, vielleicht zweihundert Schritt lang an seiner längsten Stelle.

      An ihrer Lieblingsstelle liess sie sich auf dem Felsen direkt am Wasser nieder und blickte in das klare Wasser. Kaum etwas störte die Oberfläche, so dass sie jeden Stein am Grund genau erkennen konnte. Hier war das Wasser noch flach und warm von der Sommersonne. Doch etwas weiter in Richtung Mitte wurde der See tiefer, dass man schwimmen musste und auch spürbar kälter, egal wie lange im Sommer die Sonne das Wasser wärmte.

      Ein Fisch kam an die Oberfläche und die winzigen Wellen, die er dabei verursachte, breiteten sich langsam kreisförmig aus, wurden immer schwächer und konnten das Ufer bei ihr gar nicht mehr erreichen. Dafür sah sie nun zwei Fische in Wasser vor sich schwimmen.

      Einige Zeit blieb sie hier sitzen, liess ihren Blick wie die Gedanken treiben und genoss die Zeit.

      Bis sie nahe dem Wasser zwischen Steinen und Sträuchern etwas kleines rotes entdeckte. Sie schaute genauer hin und war sich sicher, dass hier ein paar Walderdbeeren wuchsen.

      So stand sie nach einem Moment auf und tatsächlich, waren hier einige Sträucher mit den roten reifen Früchten. Vorsichtig griff sie danach und kostete eine der Erdbeeren.

      Sie waren fast schon so weich, dass sie sie beim Pflücken mit den Fingern zerdrückt hätte und als sie sie kostete schmeckten sie zuckersüss. Natürlich konnte sie da nicht widerstehen und pflückte ein paar weitere der kleinen Köstlichkeiten.

      Als sie eine Hand voll gegessen hatte, kam ihr eine Idee und sie griff in ihr Gewand, um ein Tuch hervor zu holen. Vorsichtig breitete sie es aus und pflückte weitere Walderdbeeren in das Tüchlein hinein, bis es gut gefüllt war, mit vielleicht einem halben Dutzend Händen voll. Behutsam nahm sie die Enden des Tuches und verknotete sie, so dass von dem kostbaren Inhalt nichts verloren gehen könnte. Ein paar letzte Erdbeeren fanden noch direkt den Weg in ihren Mund, bevor sie sich erhob und ihre Finger, die natürlich mit dem Erdbeersaft bedeckt waren, im klaren Seewasser wusch. Danach nahm sie das Säcklein auf, um sich wieder auf den Weg zu machen.

      Auf der Kuppe drehte sie sich noch einmal um, bevor es weiter und wieder bergab gehen sollte. Noch einmal genoss sie die Ruhe und Unberührtheit der Natur hier und sah sogar am anderen Ufer des Sees drei Rehe trinken, bevor sie sich umdrehte und leise eine Melodie vor sich hin summend dem Pfad zurück folgte.

      Als sie das Türchen in der Schlossmauer erreichte war es nicht mehr lange hin bis zum Mittagessen, so war die Zeit unterwegs vergangen. So durchquerte sie den Schlossgarten auf kürzestem Weg, betrat das Schloss aber durch einen Seiteneingang für die Bediensteten. Dieser führte sie auf kurzem Weg in die Küche, wo die Köche und Gehilfen schon fleissig am Werkeln waren.

      Mit einem freudigen Hallo von allen wurde sie begrüsst. Seit sie denken konnte war sie fast täglich hier zu Gast und auch gern gesehen. Als kleines Kind hatte sie schon immer eine Kleinigkeit zu naschen hier bekommen, mal ein Stück Apfel, mal ein paar Nüsse, mal ein kleines Stück Kuchen oder andere süsse Naschereien.

      Die Älteste der Küchenmägde kam in dem Moment mit einem warmen Lächeln auf sie zu und begrüsste sie freudig. Vor langer Zeit schon hatte Isolda sich erbeten, dass sie hier in der Küche und den Vorratskammern ohne Knicks und höfische Etikette ganz normal gegrüsst werden möchte, so wie in ihrer Kindheit und so war sie hier natürlich auch immer noch genauso herzlich willkommen wie als kleines Kind.

      »Berta, meine liebe«, sprach die Prinzessin, »ich habe euch hier etwas mitgebracht«, und überreichte ihr das kleine Säcklein. Die Küchenmagd rieb sich ihre Hände an ihrer Schürze sauber und nahm das Säckchen vorsichtig entgegen, um es auf einem der Arbeitstische geschwind zu öffnen.

      Ihre Augen leuchteten, als sie die frischen Walderdbeeren darin sah und Isolda sprach: »Sei so gut und zaubere für euch alle in der Küche hier