Schwarzes Herz. Andreas Menne Peter

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Название Schwarzes Herz
Автор произведения Andreas Menne Peter
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783746751320



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es nur unserem Rittermeister und dem Gelehrten des Königs gestattet ist, darüber zu sprechen und darüber zu befinden, mit wem sie darüber sprechen.«

      Energisch straffte sich Winfried und fuhr in deutlich geändertem Tonfall, eher dem des Lehrmeisters, fort.

      »Ich hätte Euch niemals davon erzählen dürfen, nicht einmal, dass es diese Legende gibt. Doch seid Ihr nicht nur demnächst einer der Ritter, sondern auch der Prinz und Erbe dieses Landes und werdet daher die Last in doppelter Weise auf euren Schultern tragen. Und ich kann Euch fast nichts mehr weiter mitgeben, nach all den Jahren, die Ihr nun mein Schüler wart.«

      Der Prinz schaute ihn nun mit grossen Augen an, nachdenklich wie auch nervös. Das Gehörte bewegte und erschütterte ihn. Diese Legende und diese Last, von der sein Lehrmeister sprach.

      »Winfried, Ihr könnt mich doch nicht unwissend lassen!«

      Nun drehte der alte Ritter wieder seinen Kopf, schaute den Prinzen direkt an und wirkte auf einmal wieder sehr alt und müde. »Ich kann und ich darf nicht, so leid es mir tut.«

      Doch anstatt ihn zu beruhigen liessen diese Worte den Prinzen nur noch nervöser werden.

      Er atmete ein paar Mal ein und aus und sprach dann in ruhigerem und sachlicherem Tonfall als er ihn sich selbst zugetraut hätte: »Doch in Ungewissheit kann ich nicht bleiben!«

      Es war kein Vorwurf, sondern lediglich eine Feststellung. Doch wog diese Aussage schwer und aus ihr sprach auch eine Reife, wie sie der alte Ritter vom jungen Prinzen bisher noch nicht gekannt hatte.

      Winfried schaute den Prinzen eine Weile an, nickte schliesslich, straffte sich sichtlich und ging wieder.

      Und auch der Prinz verliess nach kurzem den Turm und begab sich zurück ins Gebäude der Ritterschaft.

      Eine Stunde lang war er durch das halbe Schloss gelaufen, hatte im Gebäude der Ritterschaft und in den Ställen, in den Gärten und im Exerzierhof nach dem Rittermeister gesucht, doch nirgends war er zu finden gewesen. Auch Winfried, sein Lehrmeister und der Dienstälteste der Ritter seines Vaters, war nirgends zu finden gewesen. Doch weit konnten sie eigentlich nicht sein, denn ihre Pferde standen bei den anderen in den Stallungen.

      Als er so über den Schlosshof schlenderte, in Gedanken versunken, sah er seine Schwester aus den Gärten ins Schloss laufen. Wo er stets der fleissige und strebsame gewesen war, war sie für ihn genau das Gegenteil, verbrachte Stunde um Stunde und Tag um Tag in den weitläufigen Gärten des Schlosses oder in den umliegenden Wäldern. Als kleines Kind schon war sie mit Begeisterung mit dem Jäger durch die Wälder gestriffen, während er den Rittern zuschaute. Beide jedoch hatten sie dabei immer wieder die Zeit vergessen und wie oft vom Vater tadelnde Worte erhalten, wenn sie dadurch zu spät zum Essen kamen.

      Bei dem Gedanken durchzuckte es ihn und er wusste, wohin seine Schwester schnellen Schrittes unterwegs war. So nahm auch er die Beine in die Hand und war im Laufschritt unterwegs, um das gemeinsame Mittagsmahl nicht zu verpassen.

      Natürlich war er zu spät, als er im Speisesaal des Schlosses ankam. Sein Vater und seine Schwester sassen schon bei Tisch, wie üblich alleine an der grossen Tafel, die für sie drei und damit nur zu einem kleinen Teil gedeckt war, und hatten gerade angefangen.

      Schnell nahm er Platz, den Kopf leicht gesenkt, um den spöttisch zugeworfenen Blicken seiner Schwester genauso zu entgehen wie den tadelnden seines Vaters und griff direkt zum Löffel, um jedem möglichen Gespräch zu entgehen.

      Seine Schwester war mal wieder das genaue Gegenteil von ihm. Obwohl sie Zwillinge waren, hätten sie unterschiedlicher nicht sein können. Wo er blonde leicht lockige Haare hatte, die kaum zu bändigen waren, waren ihre tiefschwarz, glatt und fielen wie ein ruhig fliessendes Wasser über ihre Schultern. Wo er die Gesellschaft der Ritter, die Tugenden und die Ehre bewunderte, war ihre Leidenschaft der Garten, die Wälder und die Natur. Sie war es, die dafür sorgte, dass wenn möglich immer frisches Obst und Gemüse der Jahreszeit auf dem Tisch zu finden war und er, dass es ausreichend Fleisch und süsse Nachspeisen gab.

      Doch kaum hatte er die kleine Schale Bouillon mit frischem Gemüse aus dem Garten geleert und die knusprig gebratenen Hähnchenschenkel mit Kartoffeln auf den Teller gelegt, da kamen seine Gedanken von diesem kleinen Abschweifen schon wieder zurück zu dem, was ihn mehr bewegte.

      Wie gerne hätte er seinen Vater sofort und direkt auf die Legende angesprochen, doch biss er sich auf die Zunge, denn er ahnte, dass er damit die Stimmungslage seines Vaters sicherlich nicht verbessern würde. Ob es an seiner Verspätung lag oder wieder an etwas anderem wusste er nicht, doch die meiste Zeit verlief das Essen schweigend, denn die Laune des Königs war sichtlich nicht die beste. Isolda, seine Schwester, versuchte zwar immer wieder das Gespräch zu beginnen und am Laufen zu halten, doch zeigte der Vater keinerlei Interesse, mit ihr über die blühenden Gärten oder was sie an diesen getan hatte und ändern wollte, zu sprechen. So schweigsam und in sich gekehrt wie heute war er zudem sehr selten, dass auch er neben seiner Schwester tatsächlich kaum erwarten konnte, dass das Essen ein Ende nahm.

      So verliess sie schliesslich auch direkt nach dem Essen als erste den Speisesaal, wie meist ohne eine Nachspeise und liess ihn mit dem Vater alleine mit den kleinen leckeren Küchlein zurück.

      Er überlegte, ob er seiner Schwester gleich folgen sollte um weiterhin nach dem Rittermeister zu suchen, doch dann beschloss er, sich ein Herz zu fassen und mit dem Vater zu sprechen. Allerdings blieben ihm beim Blick in dessen Gesicht die Worte regelrecht im Halse stecken.

      Der Blick des Vaters war düster, das genaue Gegenteil des sonnigen Tages draussen, und schien durch ihn durch in die Ferne gerichtet zu sein. Und auch seine Haare schienen wieder etwas grauer geworden zu sein als sie es eh schon waren. Welchen Gedanken auch immer er nach hing, seiner Miene war zu entnehmen, dass er lieber nicht fragen sollte.

      Nach einer gefühlten Ewigkeit, die er seinen Vater so anschaute, registrierte dieser dies schliesslich und sein Blick sammelte sich. Ein kurzer kalter Schauer lief ihm den Rücken runter, als er seinem Vater direkt in die Augen schaute und meinte die ganzen Sorgen der Welt darin widerspiegeln zu sehen, so dass er sich nicht traute, von sich aus das Wort zu ergreifen.

      Schliesslich, nach einer gefühlten Ewigkeit, in der er von seinem Vater schweigend angeblickt wurde, stand der König auf, stützte sich dabei wie unter einer unsichtbaren Last schwer am Tisch ab und verliess langsam müden Schrittes den Speisesaal.

      Einige Momente lang blieb Leonhard noch sitzen und grübelte. Wusste sein Vater, dass er von der Legende wusste? Hatte Winfried es dem Rittermeister und dieser es seinem Vater erzählt? Waren deswegen die beiden nicht aufzufinden gewesen? Was hatte es nur mit dieser Legende auf sich? Das wollte und musste er wissen, das war seine Pflicht als Thronfolger, wenn er sein Land beschützen wollte wie sein Vater.

      So stand er nun doch auf, um seinem Vater zu folgen und ihn danach zu fragen. Kräftigen Schrittes eilte er los.

      Doch kaum, dass er die Tür des Speisesaals geöffnet hatte, stand auch schon ein Diener vor ihm, als hätte er dort auf ihn gewartet. Fast hätte er den schmächtigen Diener, der kaum älter sein konnte als er selbst, dabei umgerannt.

      »Mein Prinz, mir ist aufgetragen Euch zu bestellen, dass Ihr Euch um drei Uhr im Studierzimmer des Meisters Mondschein einfinden möget«, sprach dieser vorsichtig mit zittriger Stimme.

      Zum königlichen Gelehrten sollte er, da war er verwundert. »Wer hat dies angeordnet? Und warum?« fragte er den Diener.

      Dieser wurde noch etwas nervöser, als er antwortete, »Das weiss ich nicht. Mir wurde vom Gehilfen des Meisters Mondschein nur aufgetragen, Euch dies zu bestellen.

      »Danke«, antwortet der Prinz knapp und ging weiter. Dann war sein Rittermeister bei Meister Mondschein gewesen und beide von Winfried unterrichtet worden, was sie vormittags gesprochen hatten. Nach einigen Schritten blieb er jedoch wieder stehen und grübelte kurz.

      Es würde jetzt wohl keinen Sinn machen, mit seinem Vater sprechen zu wollen. Er sollte lieber abwarten, was Meister Mondschein von ihm wollte. Auch weiter nach Winfried oder dem Rittermeister zu suchen war vielleicht