Vater und Klon. Wolf Buchinger

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Название Vater und Klon
Автор произведения Wolf Buchinger
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742780416



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      „Kolonisator - Senator - Kurator - Eigentor!“

      „Oh Edouard, Sie verarschen mich!“

      „Ich verarsche Dich nicht, ich will Dich vor Schlimmerem bewahren! Trink erst einmal Dein Glas ex!“

      „Uff, reingefallen. Immer, wenn ich mich ärgere, reagieren meine Emotionen besonders stark.“

      „Mir geht’s ähnlich so, aber nur bei Frauen. Gerade habe ich Fiona getroffen, ja, da waren sie wieder, diese unkontrollierbaren Gefühle … ich wollte sie nur kurz am Arm berühren, um zu testen, wie es mit ihr steht, doch sie hat sich sofort in eine andere Richtung gedreht und mir in ihrer ganzen Eiseskälte, die ich täglich abbekommen würde, wenn ich mit ihr etwas hätte, ins Gesicht geschleudert: ‚Gestern war gestern, heute ist heute.‘ Ich brauch‘ einen Schluck! Ah ex, das tut gut.“

      „Hihi, und jetzt darfst Du einmal ‚Sie‘ zu mir sagen …

      „Witzbold!“

      „Gerne. Und Du hattest keine Angst, Dich an ihrem schwarz tätowierten Arm dreckig zu machen?“

      „Non! Jetzt hätte ich Lust, mal wieder ‚Sie‘ zu Dir zu sagen. Vorsicht, ich bin keiner, der kuscht, sonst wäre ich jetzt immer noch in Amt und Würden. Ich muss Dir sagen, dass Du eine unangenehme Ader hast. Alles, was Du nicht kennst oder magst, machst Du schlecht, das ist purer Rassismus. Lass doch Fiona Fiona sein, lass doch Elisabeth Elisabeth sein, lass doch Franzosen Franzosen sein wie sie sind, Du wirst mit dieser Einstellung nur negative Gegenreaktionen erleben. Pardon, aber es musste raus. So, jetzt geht’s mir besser. Zum Wohl!“

      „Zum Wohl! Ja, der Wein wirkt.“

      „Oui, im Wein steckt Wahrheit.“

      „Okay, okay, wir sollten noch eine Lösung finden für den

      Moderationszettel.“

      „Ich spüre die Lösung: ‚Paul erwartet Klon Raoul‘.“

      „Sie sind genial, Edouard!“

      „Sie haben ‚Sie‘ gesagt.“

      „Sie auch!“

      „Extra, na dann, ex!“

      Die „Freiheiten“ im Netz beginnen auch hier zu funktionieren

      „Pardon Paul, mein Computer ist unruhig, entweder ist etwas kaputt oder eine große Mail kommt gerade herein. Oh là là, das Büro von Elisabeth ist auch mitten in der Nacht sehr fleißig und schickt uns eine Auswahl von Mails auf ihre erste Sendung von gestern. Über sechzig Stück, die meisten leider in Englisch, ja, hier sind ein paar auf Deutsch, uih je, uih je, ist das speziell, non, dieser Sauhund, das zeige ich dir nicht und noch ein tolles Angebot. Ich lese sie dir am besten vor, bitte festhalten, es wird ganz besonders!“

       *Lieber Mister Paul, Sie sind mir sehr sympathisch, vor allem ihre Stimme finde ich toll, so männlich und doch so weich. Ich bin 43, etwas pummelig und auf der Suche nach dem richtigen Partner. Könnte ich Ihre Homeadresse haben, ich käme dann sehr bald bei Ihnen vorbei. Ach ja, noch dieser Gedanke: Sie und Raoul könnten erst einmal zur Probe bei mir wohnen. Herzlichst Ihr Kornelius.*

      „Wer hätte gedacht, dass du auf Männer wirkst, vielleicht hast du im Leben was verpasst? Und hier die Hemmungslosigkeit im Internet, keine Kontrolle, auch nicht von unseren chinesischen Freunden, jeder darf jeden Scheiß un-gestraft senden.“

       *he paul, hast du wohl die altgeile elisabeth ficken müssen, damit sie dich alten bock verdoppelt? ich finde euch alle zum verpissen. wenn ihr mir auf der straße begegnet, schneid‘ ich euch die eier ab! versprochen!!! leider heiß‘ ich auch paul*

      „Na ja, er kann wenigstens Rechtschreibung, möglich auch, dass das Programm bereits korrigiert hat. Jedenfalls darfst du jetzt nie mehr raus, … wenn Paul diesem Paul begegnet, dann gute Nacht. Ach Quatsch! Keine Angst, das sind nur Maulhelden, ohne Internet sind es Waschlappen, die sich mit diesem Medium wichtigmachen wollen. Schade um sie. Jetzt kommt eine ganz schöne Mail, die kannst du dir übers Bett hängen.“

       *Sehr geehrter Herr Paul, Sie dürfen der Erste sein, der die Menschheit mit Klonen verändern wird, darum beneide ich Sie! Ich möchte Sie daher um einen ganz großen Gefallen bitten: Könnten Sie mir vielleicht eine Haarlocke von sich senden, die ich in ein Amulett einschweißen und immer zwischen meinen Brüsten tragen werde. So kann ich Ihnen immer ganz nahe sein, und Ihre magischen Kräfte werden mir auch neue dauerhafte Energien bringen. Mit großem Dank im Voraus. Ihre allerliebste Sanella.*

      „Ist das nicht eine Margarine? Ach nein, ich erinnere mich, diesen Namen gibt es auf dem Balkan, da heißen auch manche Sunil. Welch ein schönes Paar: Paul und Sanella. Wo soll ich die Haare abschneiden? Vorne oder hinten? Oh, leider geht das nur noch hinten, … das machen wir anders! Unser Nachbar links hat einen langhaarigen irischen Setter, rotblond und ganz zartes Fell, … ein paar Leckerli durch den Zaun und schnippschnapp hat sie Hundehaare zwischen dem Busen, ich parfümiere noch etwas mit Rasierwasser nach, dann wird sie nach dir verrückt werden. Paul, oh Paul, ich beneide dir! Kornelius, der andere Paul, und Sanella haben wir nun kennen gelernt, die Medien und das Internet machen es möglich. Anonym und doch so nah verraten sie ihre Begierden. Wenn das der Fortschritt ist, kann ich auf ihn verzichten. Willst du weitere E-Mails hören? Nein, ich auch nicht.“

      „Und ich frage mich jetzt schon, ob es besser ist, unbekannt zu bleiben und seine eigenen Gedanken zu pflegen oder ob man sich als Star mit solchen dummen Mails rumschlagen muss. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt, es kann ja nur noch besser werden.“

      „Auf deinem Schreibtisch piepst es schon wieder, klingt, als wäre ein Akku alle.“

      „Non, non, das ist eine Message auf meinem Smartphone - oh mit Foto … von … das darf ja nicht wahr sein, die sind zu faul, die paar Schritte zu uns rüberzugehen, das ist typisch für die Jugend von heute. Peter schickt eine schreckliche Message.“

       *Schaut euch diese Sauerei an (Foto eins), wir haben alles sofort übersprayt (Foto zwei). Bitte Elisabeth nichts mitteilen, der Vorfall ist zu läppisch, als dass sie es wissen müsste. Bleibt stark! P.*

      „Mein lieber Paul! Deine Welt hat sich wirklich radikal verändert: Von null auf tausend! Schau dir das an, das ist eine Riesensauerei von einem dieser Internetfuzzis, die keine Hemmungen haben, kriminelle Taten quasi als Hobby zu begehen! Auf unserer Gartenmauer neben dem Haupteingang steht in fluoreszierendem Lila:

      GOTT VERGISST NIE!!!

      Jetzt hast du den Salat. Du bist Zielscheibe von radikalen Christen, von Internetspinnern, und wenn es alle wissen, bald auch von denen, die etwas gegen jeden Fortschritt haben. Deine beschauliche Zeit ist vorbei. Ich sehe schon Stacheldraht um unser schönes Anwesen, bewaffnete Sicherheitsleute und Laufgräben für scharfe Hunde, in Kurzform: Wir werden uns von einer Mini-Berliner Mauer umgeben müssen, damit wir halbwegs ruhig schlafen können. Oder du bekommst einen neuen Namen und man versteckt dich auf einer entlegenen Fidji-Insel oder du wirst vorher ganz einfach von radikalen Muslimen umgebracht, denn Allah will gar nicht sein Gedächtnis be-lasten, er regelt das sofort. Alors, lieber Paul, wie geht es dir jetzt?“

      „Mach die zweite Flasche Madiran auf!“

      „Ist schon leer …“

      „…dann halt die dritte, ob ich im Suff ende oder als gelynchte Leiche ist doch ab jetzt ziemlich wurscht. Ich habe auf große Gefühle gehofft, Glücksgefühle zusammen mit Raoul, doch verdammt schnell sieht alles anders aus. Jetzt habe ich noch intensivere Gefühle, allerdings in die andere Richtung: Ich habe Angst, Schiss, Furcht, alles zusammen. Wie kann die Menschheit nur so bekloppt sein, ihre Zukunft zu blockieren? Warum mischen sich Menschen in positive wissenschaftliche Experimente ein? Wieso reagieren sie sofort mit Gewalt anstatt ihre Probleme auszudiskutieren? Ich verstehe die Welt nicht mehr.

      Zum Wohl, ich trinke ex!“

      Jetzt spüre ich aber plötzlich