Vater und Klon. Wolf Buchinger

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Название Vater und Klon
Автор произведения Wolf Buchinger
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742780416



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immer heissen, bei Ihnen ist mir sauwohl. Machen wir jetzt die anderen drei Fragen, es wird spät.“

      „Gleich, Monsieur, zuerst noch die nächste Flasche, keine Angst, ich habe genug davon. Haben Sie gemerkt, dass Sie mehr getrunken haben als ich? Also - plopp - auf ein Neues!

      Madame möchte in Kürze wissen, wie Ihr Lebenslauf war, na, das passt ja jetzt gut. Das können nur Sie sagen, das Wichtige und Positive, mehr nicht.“

      „Also, ich bin vor 70 Jahren in eine sehr reiche Familie geboren worden. Elektrogroßhandel. Ich habe mich schon früh auf Börsengeschäfte spezialisiert, hatte ein glückliches Händchen dafür und war schon mit 18 Jahren Millionär. Dann habe ich die Millionen gesammelt wie andere Pilze und nun kratze ich an der Mauer zum Milliardär.“

      „Phantastique! Das will sie hören! Sie braucht jemanden, der endlos Geld hat, denn S I E braucht endlos viel davon für ihre Idee, die wichtigsten Menschen dieser Welt zu klonen. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob es ihr um die Wissenschaft alleine geht oder ob sie geldgeil ist. Pardon, dieses Wort habe ich gerade gelernt. Ich vermute, beides kombiniert.

      Frage numéro 5: *Wie werden Sie mit Ihrem Klon umgehen und was haben Sie mit ihm vor nach unserer Welttournée?*

      „Welttournée? Davon weiß ich nichts.“

      „Steht sicher im Vertrag, das ist doch ein Traum für jeden Menschen und ein toller Start für den neuen Paul! Also, dies werden wir sagen: Meinen Klon werde ich ganz langsam auf unsere Welt vorbereiten, ihm alle Bildung zukommen lassen, die er braucht und die er sich wünscht - und vor allen Dingen möchte ich ihn glücklich machen.“

      „Bravo Edouard, genau das spüre ich!“

      „Eine schnelle letzte Antwort für Madame: Welchen Namen soll Ihr Klon tragen?“

      „Er soll Edouard heißen! … Jetzt habe ich einen Witz gemacht. Klar doch: Paul.“

      „Non, non, Monsieur, ein neues Individuum muss einen anderen Namen tragen!“

      „Okay, dann Paul der Erste und Paul der …“

      „Non, wir sind doch nicht im Vatikan, non, das ist nicht üblich.“

      „Bei Klonen ist noch gar nichts üblich, dann schlage ich vor: Paul und Saul …“

      „Halleluja! Oh là là, das dauert wohl, es macht nochmals plopp, eine Flasche schaffen wir noch.“

      „Paul und - … keine Idee … Santé! ... Paul und Maul … saudoof … Paul und das Wort umgedreht: Paul und Laup … noch saudoofer … hick … Paul und … - psst, Edouard hat zu viel getrunken, er schläft. Wie bitte? Er sagt etwas Undeutliches … wie bitte?“

      „Rrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrr“

      „Ja, ja, das ist es! Paul und Raoul! Paul und Raoul. Das ist international, genial, epochal! Hick, Rrrrrraoul, gute Nacht!“

      Nach so viel Madiran reichen ein paar Stunden Schlaf nicht, selbst nicht für einen geeichten Franzosen

      „Hallo … ha - llo …!“

      „Wer ist ha-ha-llo?“

      „Hallo, hallo! Aufstehen! Es ist halb zehn!

      „Abends?“

      „Edouard, werde wach! Wir haben gleich Filmaufnahmen!“

      „Edouard muss noch lange schlafen - bonne nuit!“

      Penner! Da kommt wieder der Clochard raus. Er ist dann doch ein echter Südfranzose, ein Elsässer würde sich nie so gehen lassen. Das hat man davon, wenn man sich mit einem unbekannten Individuum einlässt: Lebensdisziplin schwach, Showeffekte groß. Und Kopfweh habe ich auch, zu zweit drei Flaschen, bravo, jetzt bin ich auch schon ein wenig Südfranzose. Edouard wird wohl so schnell nicht wach, ich muss, egal wie, die Fragen für Madame rekapitulieren, die Stichpunkte rausschreiben und auf mein Kurzzeitgedächtnis hoffen. Früher war das mal gut, an der Börse hatte ich ständig mindestens dreißig aktuelle Kurse bis auf zwei Stellen hinter dem Komma im Griff. In einer halben Stunde spätestens wecke ich ihn, dann muss er mich fertig machen für meine Show, mit Einkaufen wird es nichts mehr, ich werde mich in fremden Kleidern aus einem Billigkaufhaus vor Millionen Menschen präsentieren müssen. Aber ich wollte ja Abenteuer, jetzt habe ich sie zu Genüge.

      „E D O U A R D!!! Herzlich willkommen im neuen Tag - es ist zehn Uhr!“

      „Rrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrr.“

      „Ja, Raoul war gestern. Danke.“

      „Bitte.“

      „Kannst du mir bitte helfen, mich für die Show fertig zu machen mit deinen Sachen?“

      „Erst duschen, Zähne waschen, viel Kaffee machen. Danach bin ich voll und fit für dich da!“

      „Voll bist du jetzt noch, vielleicht bringt’s der Kaffee.“

      Kaffee zu schwach, er schläft sofort wieder ein:

      „E D O U A R D!!! Es ist halb elf! Ich bin frisch geduscht, ein großer Kaffee steht vor dir, bitte werd wach!“

      „Oh là là, schon halb elf, da müssen wir uns beeilen! Ouille, ouille, mein Kopf!“

      „Mit solchen Situationen wirst du doch zurechtkommen, das ist doch bei dir fast jeden Morgen so. Was soll ich machen?“

      „Ganz ausziehen und dich im großen Schrank bedienen: schwarze Unterhose, schwarze Socken, dunkelgrüne Hose, schwarzer Gürtel, weißes Hemd, Manschettenknöpfe in der Schublade, rote Krawatte, dunkelblaues Jackett. Schau bitte überall nach, ob vielleicht noch ein Tati-Etikett dran ist. Und zwei kleine Schuss Parfum aus der dreieckigen Flasche, das kostet extra, weil sehr teuer, daran spare ich nie. So, und nun sag schön artig ‚merci‘ zu deiner Mami!“

      „Ph, nun sehe ich aus wie ein Dandy und stinke wie eine Nutte.“

      „Das bist du ja auch, eine Nutte der Kommunikation-Show. Die Welt braucht dich, du bist nun eine Illusion der Widersprüche: Im wirklichen Leben stinklangweilig, bürgerlich und phantasielos und vor der Linse der attraktive Lebemann, der sich zu Recht klonen lässt. Jetzt stimmt die Welt für alle. Wie du mit diesen beiden Welten zurechtkommst, ist dein Problem. On y va, wir müssen rüber, deine neue Welt beginnt in fünf Minuten. Haben wir die letzte Frage beantwortet? Wie heißt dein Klon?“

      „Raoul.“

      „Paul und Raoul, c’est magique! Wer hatte die Idee?“

      „Ich, du hast schon geschlafen.“

      „Non, der Madiran hat uns die Idee gegeben. Vive le bon rouge!“

      Paul versteht seine Welt nicht mehr

      Wie sieht es denn jetzt in meiner guten Stube aus? Zwei Dutzend Scheinwerfer, drei Kameras, ein paar Kilometer Kabel, elektronische Geräte, als wäre hier eine Weltraumkapsel gelandet und anstatt Wohnzimmerschrank eine riesige weiße Leinwand. Will ich das? Vielleicht sollte ich Edouard fragen, ob das hier alles okay ist. Nein, nein, ich muss selbst entscheiden. Eigentlich habe ich in den endlosen Stunden hier drin immer Langeweile empfunden, manchmal habe ich die Nacht herbeigesehnt, um endlich schlafen gehen zu dürfen. Und jetzt ist an derselben Stelle das pralle Showleben eingekehrt. Ja, das wollte ich. Paul wach auf! Dein eigentliches Leben beginnt. Ich sollte sie loben.

      „Toll haben Sie das gemacht, das sieht ja aus wie ein professionelles TV-Studio!“

      „Das sieht nicht nur so aus, das ist das Modernste, was die Technik im visuellen Bereich zurzeit anbietet. Frau Professor Ming würde nie etwas Anderes zulassen. Als Regisseur bin ich extrem stolz, diese Mittel zur Verfügung zu haben. Unsere Standards werden noch in zwanzig Jahren top sein.

      Und jetzt zum Ablauf: Wir schalten nun gleich Frau Professor live dazu, sie stellt Ihnen die Fragen, die Sie bitte