Die Köchmüller-Papiere. i.A. - H.T.K.

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Название Die Köchmüller-Papiere
Автор произведения i.A. - H.T.K.
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742767455



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in Sachen „Sicherheit von Vorstandsmitgliedern“ seine Brötchen verdiente. „Und vor zehn Jahren, an seinem Vierzigsten“, wisperte Heinrich zu seinem Nachbarn, während der Dozenten-Bub sich weiter anpries, „hat ihm der Verteidigungsminister persönlich den Großen Zapfenstreich zu seinem hundertjährigen Dienstjubiläum gesungen.“ „Für uns, nur die Besten…!!“, bestätigte sein Nebenmann.

      Da die vier Stühle zu seiner Linken leer geblieben waren, musste Heinrich den Vorstellungsreigen beginnen: „Heinrich Köchmüller, 43 Jahre, diplomierter Bankbetriebswirt, nach dem Börsenknall den Job verloren und...“

      „Da trifft es doch endlich mal die Raffköppe!“, fuhr jemand aus der letzten Reihe dazwischen, „Wundert mich ja, dass du hier sitzt und nicht bei deinen dreckigen Judenfreunden auf Hawaii!“ - Vereinzelter Beifall.

      Der Dozent wollte dazwischen gehen, doch Heinrich winkte ab: „…Zum einen ist der Job, den ich gemacht habe, von keiner Religionszugehörigkeit abhängig. Und zum zweiten: Ich war kein Investment-Berater, sondern habe solchen Leuten wie Ihnen…“ Heinrich drehte sich um und nahm den Spötter in Augenschein. „…Job und Arsch gerettet, wenn die betriebliche Überschuldung drohte oder die Familien-Hütte in Gefahr war.“ Der Störenfried in er letzten Reihe legte nach: „Oh, hört, hört! Der heilige Bankratius ist zu uns herabgestiegen!“ Er überhörte den Spott, ließ derweil seinen Blick über alle Anwesenden schweifen: „Tja, und da ich mich, so weit es nur irgend ging, nicht in diese, immer weiter um sich greifende, Maschinerie der Abzocke einspannen ließ, war ich logischerweise einer der Ersten, als es um Personalabbau ging.“ „Und jetzt lebt er bis zur Kiste von der dicken Abfindung in seiner 1.000 Quadratmeter-Villa.“

      Köchmüller bezeichnete diese Unterstellung als Unsinn. Er klärte darüber auf, dass die oft genannten Millionenabfindungen in erster Linie Schweigegelder für die Vorstandsebene seien, sowie für Personen mit brisanten Akten in Schweizer Schließfächern. „Aber für das Fußvolk“, Köchmüller lachte, „gibt es solche Goldenen Handschläge nur in höchst begrenztem Maße. Also, wir wohnen ganz normal zur Miete. Von den 400m² im Haus und von dem Garten gehört uns nix, garnix...“ Das hätte er besser nicht erwähnt!

      „Sag ich doch! Die Abzocker! Wer hat hier schon 100 oder gar 150 m² Wohnfläche zur Verfügung?“ Heinrich ließ den Lautsprecher quaken, was gingen diesen seine Familienverhältnisse an. Er drehte sich wieder dem Dozenten-Bub zu: „Tja, und nun sitze ich hier und bekomme hoffentlich von Ihnen das Sesam-öffne-dich für die Türen der…“

      „Sesam-öffne-dich! So ein Banker-Geschwätz!“

      „…für die Türen der Personal-Chefs genannt.“ Zu dem Störenfried gewandt: “Wir wollen doch alle wieder, unserer Qualifikation entsprechend, in Lohn und Brot! Äh… – Qualifikation… – das Wort ist bekannt?“

      Der Dozent griff nun ein, um das Scharmützel zu beenden: „Damit wir möglichst zügig durchkommen, wollen wir kurz, knapp und ohne Zwischenrufe weitermachen. Waren Sie soweit fertig?“ Heinrich nickte desinteressiert und sein Nachbar zur Rechten sagte als nächster sein Sprüchlein auf. Für den Rest dieser Runde kehrte wieder gleichförmige Ruhe ein. Einziger Haltepunkt: Nicht etwa der Störer aus der letzten Reihe. Es war ein Zerspaner, dessen karge Worte, über vielfach befristete Arbeitsverträge, für merklich zustimmende Reaktionen sorgten. Gegen halb elf wurden die, morgens an der Info ausgeteilten, Formulare eingesammelt und Heinrich brachte den Stapel nun hinunter zur Info. Dort füllte er seine Abwesenheitsmeldung für den folgenden Tag aus. Eine Kopie der Einladung wurde der Meldung beigeheftet.

      „Wegen der Reisekosten-Erstattung sollten Sie sich noch heute, also sofort, bei Ihrem Vermittler melden.“, riet ihm die Späterblondete, „Eine nachträgliche Beantragung von Kostenerstattungen ist nämlich nicht möglich.“

      „Na, wenn das so ist, dann muss ich das wohl tun.“ Sofort bekam er einen weiteren Abwesenheits-Zettel in die Hand gedrückt. „Lassen Sie sich den bitte im Amt abstempeln und wenn Sie wieder hier sind, bitte in den Kasten.“ Wieder im Unterrichtsraum angekommen, hielt er das neue Formular Richtung Dozent und packte – natürlich nicht unkommentiert von den Spaßvögeln in der letzten Reihe – seine Sachen zusammen.

      Mit der Straßenbahn ging es quer durch die Stadt zum Amt. Auf halber Strecke unterbrach er die Reise am Bahnhof. Dort druckte er sich einige Verbindungen aus. An der Auskunft in der Arbeitsverwaltungsstelle wurde sein Wunsch nach einem schnellen Gespräch mit jemandem, der den Fahrtkosten-Antrag bearbeiten könne, in äußerst begrenzter Freundlichkeit beantwortet: „Schnell haben wir nicht. Ich muss erstmal sehen, ob ich Sie heute noch unterkriege…“ Tastengeklapper… – „…Gehen Sie ins erste OG, in den Wartebereich. Sie werden Aufgerufen. Das kann aber etwas dauern.“

      Nach knapp zwei Stunden war das „…etwas dauern…“ vorbei. Er saß bereits seit geraumer Zeit ganz alleine in der Wartezone, als endlich sein Name über den Gang gerufen wurde. Der Sachbearbeiter in der Gesprächskabine blickte nicht von seinem Bildschirm auf: „Nehmen Sie Platz, Herr… ähhh… Köch… -müller. Sie wollen also verreisen.“ „Nun ja, ist ja keine Lustreise. Und Ihr Haus hatte mir die Stelle zur Bewerbung vorgeschlagen. 'n Vorstellungsgespräch im Großraum Süd. Hier, bitte schön, ist das Schreiben, mit Adresse.“ Der Sachbearbeiter blickte kurz zu Heinrich, dann griff er nach dem Blatt, das ihm der Kunde entgegenhielt und starrte wieder, fleißig tippend, auf den Monitor: „Ach ja, ich sehe. Das ist ja schon mal ein Erfolg...“

      „Das Gespräch ist Dienstag, um 11Uhr30.“

      „Dienstag… – also morgen. Da kommen Sie aber reichlich knapp.“

      „Wieso? Das Ding ist vom letzten Donnerstag datiert und lag bei mir am Samstag im Briefkasten. Und heute ist Montag. Oder haben sie neuerdings am Wochenende 'nen Notdienst eingerichtet?“

      Der Bildschirmstar überhörte die Spitze: „Sie fahren mit dem Auto?“ „Mit dem Zug. Hier habe ich die Verbindungen ausgedruckt. Bei der bin ich um kurz vor elf am Zielbahnhof. Das dürfte passen, die sitzen nur zehn Fuß-Minuten vom Bahnhof. Und zurück fahre ich dann um 15 Uhr. Das dürfte ja wohl genügend Zeit sein, und ich bekomme auf jeden Fall, um 17 Uhr, den Umsteiger und bin um halb zwölf wieder zu Hause.“ „Sie übernachten also nicht?“ „Nein, nein, die Verbindung ist gut. Morgens um 4Uhr28 mit der Straßenbahn zum Bahnhof. Um kurz nach fünf geht dann der Zug.“ „Bei der Strecke hätte ich Ihnen auch ein Zimmer, bis 50 Euro, genehmigen können.“ Der Drucker begann zu summen. „Hier ist die Kostenübernahmebestätigung.“ „Oh, das geht aber schnell.“ „Tja, beim ersten Mal immer. Aber dann wird es kompliziert. Pro Fall gilt nämlich die Regel nur einer `großen´ Reisekostenübernahme. Alle weiteren werden von der vorgesetzten Stelle bearbeitet.“ „Ach ja, und diese hochwohlgeborene `Stelle´ ist sicher nur sehr selten im Hause.“ Heinrich deutete ein Grinsen an. Er wollte sich gerade erheben, als ihm das Formular von der Bildungsstätte wieder in den Sinn kam: „Ach, ich bräuchte noch einen Stempel, dass ich hier war.“ „Nöö, das ist jetzt im System. Die sollen sich meine Zusage kopieren. Da ist 'n Datum drauf… – Auf Wiedersehen.“

      Hurtigen Schrittes erreichte er die Straßenbahn, saß, eine gute halbe Stunde später wieder in der Bildungsstätte auf seinem Platz und konnte sich, im nur noch halb gefüllten Raum, über zwei lange, ermüdende Stunden kleinliche Diskussionen über Fotos in einer Bewerbungsmappe anhören. Nach knapp einer Stunde reichte es ihm. Er täuschte vor, dass sich sein Handy gemeldet hatte und verließ den Unterrichtsraum. An dem Getränkeautomaten standen mehr als ein Duzend weiterer Teilnehmer, auch aus anderen Kursen. Man tauschte sich aus. Heinrich erfuhr, dass der Veranstalter die verschiedensten leichtgewichtigen Lehrangebote durchführte. Alle, mit denen er sprach, kannten das `Bewerbungs-Training´ aus eigener Erfahrung und es wurde als besonders groteske Zeitverschwendung eingestuft. Da war man sich ausnahmslos einig.

      Ein paar Minuten später kam der Sitznachbar um die Ecke. Er drehte sich wieder eine dieser speziellen Zigaretten und sprach merklich bedächtig: „Heinrich… – …ich