Название | Die Köchmüller-Papiere |
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Автор произведения | i.A. - H.T.K. |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783742767455 |
„Und was ist nun genau meine Aufgabe?“
„Das haben wir uns, in der Anfangszeit, für Sie folgendermaßen vorgestellt.“, lächelte die künftige Chefin, „Sie sollen – vorerst als Kurier – ein Gefühl für unsere geographische Geschäftsdimension bekommen. Reisen soll für Sie so normal sein, wie ein Tag im Büro. Flugzeuge sollen ihnen so selbstverständlich werden, wie Straßenbahnen. Die Nutzung von Mietwagen so normal, wie Einmal-Pantoffeln in Hotels gehobener Kategorie. So sollen Sie denken. Dann kommen wichtigere Aufgaben. Diese eben erwähnten Patentstreitigkeiten. Aber auch diskrete Abfindungsgeschichten, die ebenfalls – auf keinen Fall! – an die Öffentlichkeit gelangen dürfen. Das heißt: Direkte Kundendienste im Bereich finanzieller Streitschlichtung, sowohl im Geschäftlichen, als auch im Privaten…“
Für Heinrich verschwand der Gedanke an die „Versteckte Kamera“. Das, was hier ablief, schien ihm zwar völlig surreal, und doch echt: Ein schrulliges Ehepaar hatte, ohne große Notiz durch die Öffentlichkeit, ein Finanz-Dienstleistungs-Unternehmen für den so genannten sicherheitsorientierten, öffentlichkeitsscheuen Unternehmer-Mittelstand geschaffen. Das allermeiste Geld dürfte voll versteuert sein, sollte aber trotzdem in Sicherheit gebunkert werden, bzw. unternehmerische Probleme lösen helfen.
Als wenn Dr. Beyslböck seine Gedanken lesen konnte: „Manchmal geht es um erpresste Schmiergelder. Wir Europäer sind eine Exportnation. Manchmal sind's Erbschaftsgeschichten. Der faule Sohn soll nix bekommen. Aber der fleißige Neffe soll einen guten Start haben. Und eine erhebliche Basis für die Nachfrage nach unseren Dienstleistungen sind uneheliche Kinder, die ohne Aufsehen versorgt werden sollen. Die Ehefrau soll nix von den Forderungen einer ehemaligen Geliebten wissen.“ „Es geht auch umgekehrt.“, lachte sie, „Er lebt nur für die Firma und sie bekommt Probleme mit ihrem... – nun, sagen wir mal – Gärtner. Und der ist ja bekanntlich immer der Mörder.“
Alle drei lachten laut. Das Eis war gebrochen.
Sie legte noch nach: „Es menschelt halt in unserem Geschäft. Und das jeden Tag. Deshalb auch die strikte Verschwiegenheit!“ „Ich verstehe.“ Eine weitere halbe Stunde wurden zusätzliche Details von Heinrichs Aufgabenstellung vertieft: Komplexe Abfindungsvereinbarungen für die Chefetagen, als Ergebnis von Fusionen, Schadenersatz- und Verschwiegenheitsvereinbarungen – auch in der Baubranche, sowie Vorfeld-Recherche im Rahmen der Standortsuche für Zweigniederlassungen usw. „Wir wollen jetzt nicht lang' um den heißen Brei herumreden.“, fasste der Doktor zusammen. „Können Sie sich vorstellen, diese Aufgaben zu übernehmen?“ „Mmmhh…. Ja, sicher.“
Heinrich war sichtlich erleichtert. Ihm fiel seine Frau ein, die ihn immer zu mehr Karriere anstacheln wollte. Zum „…Blick nach oben…“ und zur Nutzung der „…richtigen Kontakte…“. All dies konnte sich nun – ohne überbordende Korruption und Durchstecherei – von ganz allein ergeben.
„So, und bei der Vergütung fangen wir jetzt nicht mit den blöden Fragen an, was Sie sich denn so vorstellen können. Ich sage Ihnen klar heraus, wie es läuft: 120.000 Euro Brutto-Jahresbasis in der Probezeit. Nach einem halben Jahr ist entweder Schluss, oder ein Drittel kommt oben drauf. Und am Jahresende ist jeder mit einer überaus gesunden Prämie dabei. Wir reden also von 180 bis 200.000 im Jahr – wenn's läuft.“ Die Aussicht auf eine Einkommenssteigerung um knapp 70% provozierte Heinrichs Endorphin-Ausschüttung. Er lachte breit, wurde geradezu fordernd: „O.K.!!! Wann geht es los?“ „Sofort!“, klärte Sie die Lage, mit der Bekanntgabe dieser knappest möglichen Frist. „Wir sprachen von maximaler Flexibilität. Und... – sagen wir mal, dass es sich heute um einen Test handelt. Läuft alles rund, dann haben Sie den Job.“ Heinrich wies darauf hin, dass er seinen Reisepass nicht eingesteckt hatte. Er wurde dahin gehend beruhigt, dass ihn der Testauftrag innerhalb von Europa belassen würde. Die Schweiz sollte sein Ziel sein. Es handelte sich, nach den Worten Beyslböcks, nicht um Geld, sondern nur um einen versiegelten Koffer mit „...hochsensiblen Akten, den wir gerade abgeholt haben und noch heute überbringen müssen.“ „Das ist ja wohl kein Problem. Von hier in die Schweiz, da nehme ich den Zug, steige zweimal um und...“ Er durfte nicht mit der Bahn fahren. Heinrich wurde darüber belehrt, dass er gegebenenfalls die detailiert vorgegebenen, teilweise minutiös geplanten Durchführungsregeln strikt zu befolgen habe. Frau Friedberg-Beyslböck beendete das Gespräch mit der Äußerung, dass sie nun die Hand-Fracht aus dem Tresor holen wolle. Der Doktor klopfte Heinrich jovial auf die Schulter und bat noch einmal an den Verhandlungstisch. Aus der Schreibmappe entnahm er einen sorgfältig gefalteten Briefbogen und ließ den Hinweis folgen, dass darauf Adresse und Ansprechpartner genannt seien. Der Empfänger sei sein, also Beyslböcks, Firmen-Repräsentant in der Baseler Niederlassung und dieser würde, nach der Ankunft des Neu-Kuriers, alles weitere in die Wege leiten. Dem Fast-Mitarbeiter wurde zusätzlich ein großer Umschlag in die Hand gedrückt. Dieser sollte ebenfalls dem Baseler Mitarbeiter übergeben werden. „Und lassen Sie sich in der Filiale alles gut zeigen, dass wird dann wohl, zu Beginn des nächsten Jahres, Ihr alleiniger Dienstsitz.“ Erstaunt blickte Heinrich wechselweise auf Chef und Briefumschlag. „Keine Angst!“, der künftige Boss lächelte wieder breit, „Sie nehmen niemandem den Job weg. Der Rudi ist der Senior unter unseren Mitarbeitern. Wir haben ihn endlich überreden können, ab dem nächsten Jahr seine Rente zu genießen. Im kommenden März ist es dann so weit. Deshalb haben wir ja heute einen neuen Mitarbeiter gefunden, der nun sorgfältig eingearbeitet wird. Sie brauchen auch nicht den berühmten Sprung ins kalte Wasser zu befürchten. Der Rudi geht uns nicht verloren. Wir werden ihn auf Honorar-Basis noch ein wenig auf Trab halten. Und wenn es in Basel, in der Anfangsphase, mal eng werden sollte, dann rufen Sie ihn einfach an.“ Mit fortgesetztem, freundlichem Wortwechsel verließen die Beiden den Konferenzraum. Von der gegenüberliegenden Treppe kam ihnen die Chefin entgegen. Sie trug einen kleinen Hartschalenkoffer zum Informations-Schalter, öffnete ihn und gemeinsam blickten vier Augenpaare auf die darin enthaltenen Schnellhefter und den Aktenordner. Das handliche Gepäckstück wurde anschließend von der wohlpräparierten Empfangsdame versiegelt.
„Also.“ Die Chefin nahm, mit ihrem einnehmenden Donau-Dialekt, der folgenden Mahnung die Schärfe. „Das sind die Akten. Passen sie bloß gut darauf auf, sonst steht übermorgen ein Wirtschaftsführer mit einem Skandal in der Zeitung.“ Dr. Friedberg-Beyslböck gab ihm zu guter Letzt noch einen Wink mit dem Zaunpfahl auf den Weg: „Und denken Sie immer daran: Bringen Sie diese Dokumente zur Zeitung, so bekommen Sie eventuell einmalig 5.000 oder 10.000 Euro. Aber bei uns haben Sie eine Lebensstellung mit bis zu zehn Wochen Urlaub im Jahr, wenn Sie sich gut organisieren – kein Witz.“ Er unterstrich dieses dienstliche Bonbon: „Wenn ihre Zeitplanungen es zulassen, sagt niemand etwas, wenn Sie, am Ende einer Reise, in Neuseeland oder auf Bali ein paar Tage dranhängen, so Ihre Überstunden abfeiern. In einer Schokoladenfabrik ist es den Mitarbeitern auch nicht verboten zu naschen. Nur, wenn Alarm ist, gibt's kein Weihnachten und keinen 1.Mai und keine 40Stunden-Woche. Das muss absolut klar sein!“ Beyslböck schlug ihm wieder leutselig auf die Schulter. Heinrich fühlte sich, wie nach einem freundschaftlich geprägten Besuch in einem Heurigen-Lokal. Der Chef ergriff zum Abschied die Hand des neuen Mitarbeiters: „Ich bin überzeugt, dass wir schon einen guten Ersatz für unseren Rudi gefunden haben. Oder was meinst du, mein Engelchen?“ „Aber ja!“ Frau Friedberg-Beyslböck übergab Heinrich den Koffer und fuhr fort: „Da Sie mit dem Zug gekommen sind, kennen Sie den Bahnhof. Direkt gegenüber ist ein Autovermieter. Nehmen Sie sich eine E-Klasse, einen A6 oder einen 5er. Die Rechnung geben Sie nachher dem Rudi, das rechnen wir dann über Ihr Gehaltskonto ab. Sie sind doch so weit flüssig?“ „Äh, ja… – ja, ja.“, Heinrich sah sie und seinen neuen Chef, etwas verdutzt an. War das nun wirklich schon alles? War er jetzt tatsächlich eingestellt? Sie schien seine Gedanken zu erraten: „Ach ja, der Anstellungsvertrag läuft über die Niederlassung in Basel. Und all die Spielchen mit der Schweizer Arbeitsgenehmigung und der Sozialversicherung ist reine Formsache, da Sie ja einen Job vorweisen können.“ Heinrichs neue Chefin drückte ihm die Hand: „Wir wünschen Ihnen eine gute Fahrt. Und guten Start.“ Heinrichs Freude erhellte sein