Die Köchmüller-Papiere. i.A. - H.T.K.

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Название Die Köchmüller-Papiere
Автор произведения i.A. - H.T.K.
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742767455



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Und dann wollen Sie ja auch noch zurück, in den Heimat-Hafen.“ „Und das Auto? Wo gebe ich das anschließend ab? In Basel oder auf dieser Seite?“ „Das ist mir im Grunde egal. Entweder Sie geben es am Ende, in der Filiale an der Grenze, an den Vermieter zurück. Oder Sie fahren damit nach Hause und drücken morgen früh, in der nächstgelegenen Filiale, dem Zuständigen die Schlüssel in die Hand. Aber bitte nicht vergessen: Rückgabe nur vollgetankt. Und – bitte, bitte – an die Quittungen denken! Immer an die Belege denken!“ Mit dem Hinweis auf weitere Termine verabschiedete sich das seltsame Paar endgültig von Heinrich und stieg wieder die Treppe hinauf. Ein sichtlich entspanntes und zufriedenes, „nützliches Glied der Gesellschaft“ verließ das Beyslböck-Gebäude elastischen Schrittes.

      Mit seiner Ledertasche in der einen Hand und dem kleinen Hartschalenköfferchen in der anderen überquerte Heinrich die Fahrbahn des Stadtplatzes. Auf der anderen Seite der Fläche verpasste er, mit seinem Gepäck, einem in rostroten Farben chargierenden Bentley eine winzige Schramme unterhalb des Türgriffs. In seiner Hochstimmung badend, nahm Heinrich den Schaden nur am äußersten Rand seiner Aufmerksamkeit wahr. Durch die Aussicht auf den neuen Job, fühlte er wieder jenen Boden unter den Füßen, welcher ihm, rund ein halbes Jahr zuvor, entzogen wurde. Während des Marsches durch den Arkaden-Gang kam er an einer Bäckerei vorbei. Den Auslagen und der Aussicht auf eine frische, duftende Tasse Kaffee konnte er nicht widerstehen. Neben dem Heißgetränk bat er noch darum, dass man ihm zusätzlich eine Wurstsemmel und einen `Auszognen´ an den Tisch bringen möge. Letzteres war ein etwas ungewöhnlich geformter, in Fett gebackener Hefe-Ballen. Bis die Bestellung serviert wurde, aktivierte er sein Handy und berichtete seiner Frau das erfreuliche Ergebnis. Sie bat ihn, sich kurz zu fassen, da sie in wenigen Augenblicken mit der nächsten Unterrichtsstunde beginnen wollte. „Also…“ begann er das Telegramm und berichtete von einem „…reinen Familienbetrieb...“, und fasste unter der Überschrift „…die neuen Chefs sind wohl etwas abgedreht…“ den Inhalt des Gesprächs in zwei Sätze zusammen. Eine auf der Gegenseite gestellte Frage kam nur verstümmelt an. „…Bitte, nochmal!... – …Ach so… – Sofort. Es geht direkt los! Ich muss noch heute nach Basel!... – …Ja, heute Abend reden wir!“ Die Verbindung war weg. Seine Frau hatte das Gespräch weggedrückt. Heinrich konnte sie nur zu gut verstehen, stellte er sich doch die Meckerei der Schüler vor. Von wegen: „Handy aus!!! Das gilt für alle, in der Klasse!!!“

      Die Zehn-Minuten-Sammlungspause war für den Reisenden die tatsächlich notwendige kurze Unterbrechung. Nun eilte er schnurstracks zum Bahnhof, fand tatsächlich, nach kurzer Suche, den Autovermieter, klärte dort sein Reisevorhaben, drückte der freundlichen Dame, nach Aufforderung, Führerschein, Personalausweis und Kreditkarten in die Hand, leistete sodann mehreren Unterschriften und bekam schließlich die Wagenpapiere samt Schlüssel ausgehändigt. Es erfolgte noch der Standard-Hinweis, dass zu beachten sei, dass in der Schweiz Maut-Gebühren fällig sein könnten. Nachdem die Formalien geklärt waren, steuerte er auf einen der schwarzen Sechszylinder Diesel zu, verstaute sein kostbares Gepäck auf der Rückbank, machte es sich im Fahrersitz bequem und gab sein Reiseziel in das Navigationsgerät ein. Der Motor wurde gestartet.

      Und los ging es. Auf zu neuen Ufern!

      Rund eine Stunde nach seinem Start erhielt Heinrich einen Anruf. Ein Rudolf Patschke meldete sich. Da sich der Wagenlenker nichts unter dem Namen vorstellen konnte, kam in breitestem Singsang-Dialekt die Erklärung: „D'r Chef säät immer nur `Rudi´ för misch.“ Der Groschen fiel. Grund des Anrufes war eine kleine „Umdisposition“. Heinrich sollte sich direkt am Baseler Bahnhof einfinden, die Erklärung würde vor Ort folgen.

      Als er, vier Stunden später, den vereinbarten Treffpunkt erreichte, winkte ihm ein sonnengebräunter älterer Herr, mit leuchtend weißem Haarkranz. Heinrich steuerte auf den Mann zu. Dieser öffnete die Tür mit einem: „Joten Tach! Esch bin d‘r Rudi Patschke! Esch hoff' du häs äne jote Fahrt jehabt.“ und ließ sich auf den Beifahrersitz fallen. Heinrich solle bloß schleunigst vom Vorplatz herunterfahren, drängte der Zugestiegene nachdrücklich, da dort absolutes und streng kontrolliertes Halteverbot herrsche. An einer Ecke, ein paar hundert Meter entfernt, könne man für einige Minuten stehen, dirigierte ihn der Beifahrer. Dr. Beyselböck habe angerufen und berichtet, dass der `Neue´ seit morgens um vier Uhr unterwegs sei, begann Rudi. Nach Heinrichs Bestätigung, kam die Erklärung für die Zieländerung: Der Doktor habe sich, Heinrichs künftigem Kollegen gegenüber, darüber besorgt gezeigt, sollte dieser, nach dem langen Tag, auch noch die weite Strecke mit dem Auto zurück nach Hause fahren. „Deshalb“, meldet der Beifahrer die Konsequenz aus einer Weisung des Chefs, „gibst du mir die ganzen Wagenpapiere und ich mache dann alles direkt über die Firma. Und das hier ist dein Bahnticket. In einer halben Stunde geht der Zug.“ Rudi überreichte die Fahrkarte und beendete das Thema, indem er seine Hände auf die Oberschenkel klatschen ließ: „So! Und nun zum eigentlich Wichtigen deiner Reise: Hast du die Dokumente?“ „Ja, natürlich!“ Heinrich deutete lässig Richtung Rückbank. Sofort stieg Rudi aus dem Wagen, öffnete die Fond-Tür, zog das Köfferchen und das große Kuvert aus dem Wagen. Innen war zu hören, wie das Gepäckstück auf das Wagendach gelegt wurde. Es vergingen einige Augenblicke, bis für Heinrich das freundliche Gesicht des anderen wieder sichtbar wurde. „Alles in Ordnung. Siegel war O.K. Und der Inhalt komplett.“ Mit dieser Feststellung setzte sich der künftige Rentner wieder in den Wagen, das Köfferchen auf dem Schoß. Er telefonierte in Mithörfunktion mit dem Boss. Auf Anweisung des Chefs kam der große Umschlag ins Spiel. „So, und hier ist dein Vertrag. Guck ihn dir an!“ Das Couvert wurde aufgerissen und wanderte daraufhin zu Heinrich. Dieser entnahm die zwei Vertrags-Exemplare, überflog den Inhalt und nickte mehrfach zustimmend. Auf der letzten Seite waren bereits sowohl Stempel als auch Unterschrift vom neuen Arbeitgeber eingefügt. Rudi hielt ihm einen Kugelschreiber hin. Die Unterschriften wurden geleistet. Nun hatte Heinrich einen neuen Job! – So einfach ging das! „Und wann soll es jetzt richtig los gehen?“, fragte der `Neue´. „Du bist doch schon dabei. Hast du die Terminierung nicht gesehen. – Steht doch da: Bla, bla, bla… …ach, hier ist es: …beginnt mit dem oben stehenden Datum des Vertrages…. Und Datiert ist er auf heute. Willkommen im Club!“ Sie unterhielten sich noch einige Minuten über die künftigen gemeinsamen Aufgaben und dass er in den nächsten Tagen das Büro sehen würde; bis Rudi endlich aus dem Wagen stieg und auf Heinrichs Seite kam: „So, nun beeile dich aber mal. Dein Zug geht in zehn Minuten. Und vergiss deine Mappe nicht.“ Wenige Augenblicke nach der Verabschiedung stand Heinrich mit seiner Ledertasche auf dem Bürgersteig und grüßte hinter dem davonbrausenden Wagen her. Beinahe wäre der schwarzen Limousine, ein kupferfarbenes Nobel-Auto aufgefahren, aber das interessierte Heinrich schon nicht mehr. Er beeilte sich, den kurzen Fußmarsch, zurück zum Bahnhof, hinter sich zu bringen.

      Die große Anzeigentafel in der Bahnhofshalle zeigte ihm, dass der Rudi sich geirrt haben musste. Das Gehetze zum Bahnhof entbehrte jeder Notwendigkeit. Die Schweizer waren seit Langem in der Lage, ausnahmslos alle Zugverbindungen in einem kundenfreundlichen Taktsystem aufeinander abzustimmen; eine staatsweite, langjährige Präzision, die in Heinrichs Heimat, ganz offen und bereits beginnend bei Verkehrsverbund-übergreifenden Nahverkehrs-Planern, als utopische Forderung meckerköpfiger S-Bahn-Nutzer hingestellt wurde. Jedoch, in der aktuellen Situation des künftigen Weltreisenden bedeutete dieses Präzisions-System, dass sein Zug erst in gut einer halben Stunde abfahren würde – vorausgesetzt, dass der Zug treffe, über die Grenze kommend, halbwegs pünktlich hier, an seinem Endpunkt ein, um dann, zwölf Minuten später, den Rückweg in Angriff zu nehmen. So ganz ohne Fränkli in der Tasche, waren Heinrich die reichlich dargebotenen Speisen und Getränke verwehrt und auf die – wie er vermutete – Eins zu Eins Wechselangebote, in den Freßecken, wollte er sich nicht einlassen. Schon zum regulären Umrechnungskurs, war alles recht üppig ausgepreist. Auch die seltsam geformte, weltbekannte Schokolade, mit der man sich so wunderbar seine Vorderzähne herausbrechen konnte. Aber, um ihn abzuzocken, da mussten die Eidgenossen schon wesentlich früher aufstehen. Schweizer Präzision war das eine, apothekengleiche Preise das andere. Wer waren die schon, dass sie meinten einem Heinrich T. Köchmüller das Fell über die Ohren ziehen zu können. Mit diesen Gedanken, basierend auf wiedererstarkendem Selbstbewusstsein, schlenderte er zum Bahnsteig und nutzte die Zeit, seine