Die Köchmüller-Papiere. i.A. - H.T.K.

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Название Die Köchmüller-Papiere
Автор произведения i.A. - H.T.K.
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742767455



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wenn der Wähler was zu entscheiden hat.“ Der Minister fragte den Bankräuber, was dieser wohl vermute, bezüglich des Durchschnittsbürgers: Ob das „…Stimmvieh…“ auch nur ansatzweise etwas von den Verästelungen des politischen Gewerbes verstehe oder Interesse an Informationen über die tatsächlichen Aufgaben eines Ressort-Leiters habe. Köchmüller holte tief Luft, beschrieb, in demonstrativ schulbuchmäßiger Betonung, die Aufgabenstellung eines Ministers. Sprach von Bindeglied zwischen Legislative und Exekutive und von fachlicher Unterstützung des Parlaments, bei der Entscheidungsfindung, sowie von der nachfolgenden Verpflichtung zur Umsetzung der Parlamentsbeschlüsse und endete mit der Feststellung: „…Aber, das weiß letztlich jedes Schulkind.“

      „Pah! Haben Sie eine Ahnung!“ der Politbonze schüttelte den Kopf. „Gehen Sie raus! Gehen Sie in eine x-beliebige Fußgängerzone! Stellen Sie den Passanten ganz ernsthaft die Frage, nach dem Inhalt meiner Arbeit. Was ernten Sie? Ich sag's Ihnen: Zu 85 Prozent Schulterzucken, der Rest ist blanker Blödsinn.“ Köchmüller blickte in die Runde der phantasielos Maskierten: „Ich glaub', Sie haben eine etwas zu negative Grundeinstellung gegenüber der Neugier und den Interessen von Otto Normalbürger.“ Er nahm den Anführer ins Visier. „Oder ist's die Angst, vor den dürftigen Ergebnissen Ihrer höchst sparsamen Bildungspolitik, in bröckeligen Schulgebäuden?“

      Eine venezianische Maske übernahm die Abwehr: „Nix Bildung! In Wahrheit ist diese Ahnungslosigkeit, für die Wähler, keinerlei Problem. Und die tun nicht etwa freiwillig etwas gegen ihr Halbwissen und machen sich kundig. – Nein!“ Eine Charly Chaplin-Maske rief dazwischen: „Feierabend, Füße hoch, 20Uhr die >Furznachrichten<, dann Flaschbier, Fußball gucken. Mehr ist nicht – im Durchschnitt!!“ Köchmüller gab Kontra: „Vielleicht liegt's daran, dass in der Politik zu viel leeres Stroh gedroschen, zu viel versprochen, zu wenig umgesetzt - und allem voran: - zu viel gelogen wird.“ Da abermals ein Servierbrett vorbeischwebte, griff er nun seinerseits ostentativ nach einem Sektglas.

      In staatsmännischer Ruhe nahm Dümpelfeldt den Ball auf: „Gut 70 Prozent wählen ausschließlich nach Sympathie-Kriterien, statt nach Inhalten zu fragen. Die Wahlkabinen können doch nur deshalb so schmal gehalten werden, weil darin das vielbeschworene Allgemeinwohl eh keinen Platz findet. Und das - glauben Sie mir - das geht durch alle Bildungsschichten und über alle Nationen, die sich eine Demokratie leisten können und leisten wollen.“ Köchmüller blickte sich kurz in der Runde am Tisch um: „Mir scheint, dass Sie, als demokratisch legitimierter Chef-Beamter, nicht allzu viel von ebendieser unserer Demokratie-Veranstaltung halten.“ „Doch schon!“, verteidigte eine Graucho-Marx-Maske den Ressort-Chef, „Aber bitte, stellt vor den Wahllokalen Kabinen mit Fragebögen auf. Wer den rudimentären Intelligenz-, Demokratie-, Politik- und Parteiprogramm-Zuordnungs-Test besteht, bekommt eine Eintrittskarte und darf mitbestimmen. Dann ist es vielleicht ein wenig zurück gedrängt, dieses Wählen, nach >Tradition<, >Bauchgefühl<´ oder gar nach: >Der lächelt so sympathisch!<. Die, bei weitem, dümmste aller Entscheidungsgrundlagen.“

      „Siehe Sokrates“, warf Köchmüller trocken ein, erntete jedoch nur Kopfnicken und gelangweiltes Schulterzucken. „Wie läuft's denn in der Praxis“, fuhr Graucho unbeirrt fort, „auf dem politischen Wochenmarkt? >Ich mag zwar Bananen, aber ich kaufe nur beim Apfel-Sepp, weil der sympatischer ist.< oder >Ist mir egal, was die anbieten. Ich kauf nur bei der Blondie-Elly, egal was die verschachert<. Doch wenn's dann um die Details geht: >Laaangweilig!!!<“ Der Chaplin in der Runde stellte nun kurzerhand ein komplettes Tablett mit Sektgläsern auf den Stehtisch. Es wurde fleißig zugegriffen. „Was unter den Entscheidungskriterien der Fußläufigen herauskommt, sieht man aktuell in den USA.“, meldete sich die venezianische Maske erneut, „Die letzten drei Präsidenten bilden eine Galerie der Groteske: Ein Niemand aus Arkansas, ein morphinistischer, texanischer Bankrotteur und schließlich – aller schlechten Dinge sind drei – seit Jahresbeginn, ein sozialistischer Phantast. Dieser hawaiianische Teilzeit-Afrikaner, der zu allem Überfluss, vom europäischen Sozialstaat abkupfern möchte, statt seine Finger von unserem verfaulten Hängematten-System zu lassen.“ Ein Napoleon unterstrich die Aussage seiner Nachbarin, indem er von, anfänglich, mangelnder Kompetenz der drei Präsidenten sprach. Ressourcen-Planung zu Gunsten der Würdigen, der Leistungsträger und der Notwendigen, sowie konsequente Machtausübung, seien zu Beginn, für das Trio, nicht deren Stärke gewesen. Wenn, so betonte der Möchtegern-Feldherr, hinter dem Texaner nicht der passende Vize, samt dessen Schatten-Crew, gestanden wäre, „...dann gäbe es die USA wahrscheinlich nicht mehr. – Ich mein': So wie wir sie alle kennen und schätzen.“

      Köchmüller hob perplex die Augenbrauen: „Dieser... - Ex-Chef von der Zuliefer-Clique für Bohrtürme hat die Amis gerettet?“ Unter Eingrenzung auf „…den richtigen Teil der Amis…“ nickte die ganze Runde einmütig. Köchmüller lief es eiskalt den Rücken herunter, obwohl er wusste, auf welcher Geisterbahn er sich befand, welche wahren Fratzen hinter den Leih-Masken des Festes zu vermuten waren.

      Venezia: „Hoffentlich bleibt der aktuelle, konzeptionslose Spinner nur vier Jahre! Sowas wie der, kommt eben heraus, bei >Sympathie< und >Bauchgefühl<. Obwohl, die Zeit wird's zeigen. Wir können sicher sein, die ewiggültigen Strukturen der Macht kochen auch den weich. – Den Bimbo kriegen unsere Partner, drüben, schon hingebogen.“ Graucho fasste das Gesagte, als seine Meinung, zusammen: „Wenn unsere amerikanischen Kollegen nicht, wie immer, im Hintergrund, die Fäden gezogen hätten, wäre unser Nordatlantik längst pleite.“ Er sprach den Panzerknacker direkt an. „Immer neuer, unnötiger Staatsballast! Forderungen des Pöbels ohne zu priorisieren! Alles gleichzeitig! Alles >Jetzt!< Aus beliebig wechselnden Entscheidungs-Kriterien folgen ineffiziente Ergebnisse! Gibt's sowas in der freien Wirtschaft? - Gänzlich undenkbar! Wir müssen uns klar sein: Dem Urnenpöbel ist völlig gleich, wer die Rechnungen bezahlt – so lange es ein anderer tut. >Vater Staat! Vater Staat!< Was machen die lieben Wähler, wenn sie nicht nach >Mehr Gerechtigkeit!< plärren, wie die Kinder >Mehr Sozialstaat!< fordern? Sie entscheiden in genau der Kurzfristigkeit, die sie den Unternehmern und Investoren fälschlicher Weise vorwerfen. Den aktuellen Pegelstand im eigenen Geldbeutel stets vor Augen; da geht's nicht um nachhaltige Entwicklungen. Ist dieses Verhalten sozial? >Jetzt! Sofort! Alles! Haben! Haben! Haben!<, das schreien Frau Sowieso und Herr Niemand täglich im Chor! Schulen, Brücken, Schwimmbäder, kostenlose, staufreie Autobahnen, es soll alles über Nacht geliefert werden, immer volle Regale und gleichzeitig soll die Eisenbahn nachts lärmfrei und tagsüber ohne Güterzug-Stau fahren und – natürlich - Rente mit 42 für alle, auf dem wohlbesonnten Seegrundstück. Selbstverständlich alles kostenfrei, für den kleinen Mann. Es lebe Robin Hood!!! Der lässt es die `Reichen´ bezahlen. Ist das sozial, gegenüber den Leistungsträgern? Und so denken und entscheiden rund 80 Prozent und bezeichnen gleichzeitig unsere Partei als ...“

      Köchmüller fiel ins Wort: „Wer hat's denn erst richtig schmackhaft gemacht? Wer hat denn seine Raff-Sucht in aller Öffentlichkeit, als hehres Ziel, ausgelebt? – Etwa Tante Frieda???“ Dümpelfeldt leerte sein Glas und kam wieder aufs Thema: „Das sachverstandsfreie Wahlverhalten des selbsternannten >Mündigen Bürgers< ist doch die Wurzel des Übels. Ohne mediales Eingreifen wäre das Grundprinzip jeder Wahl der pure Zufall. Plumpe Ignoranz. Oder gar >Protest<, also eigentlich >Rache< als Triebfeder fürs Kreuzchen-machen. Protest, weil nicht vor jedem Haus eine Autobahnauffahrt ist und Rache, weil man im Verkehrslärm wohnt. Dem kann unser Berufsstand, zum Glück, vor und nach dem Urnengang, einerseits teure Medienkampagnen und andererseits system-stabilisierende Regierungs-Koalitionen entgegensetzen.“

      Der Bonze kam in Fahrt: „Wissen Sie, Herr Köchmüller, was meine Traumvorstellung ist, in Bezug auf öffentliche Güter und deren Nutzung? >Verursacherprinzip!!!< Genau das brauchen wir! Auch Verkehrspolitik ist Wirtschaftspolitik. Folgendes würde ich sofort umsetzen: Jede befestigte Straße privatisieren. Wer vor die Tür tritt – zahlt!!! Pures Verursacher-Prinzip! Das nenn' ICH wahre Gerechtigkeit! Fußgänger für den Bürgersteig: Pro Meter Betrag X; Radfahrer für den Radweg: Betrag Y; Autos für die Fahrbahn: jeweils Z. Alles Strecken- und natürlich Verschleißabhängig.“ Er grinst. „Das gilt besonders für LKW.