Afrikanische Märchen auf 668 Seiten. T. von Held

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Название Afrikanische Märchen auf 668 Seiten
Автор произведения T. von Held
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742763129



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»Gott befohlen!« Er legte ihr Zeug vor und zeigte es

       ihr: er legte ihr für den Preis von 4–5000 Piaster vor.

       Da rief sie: »Mein Herr, das ist viel zu viel für mich;

       ich bin ein armes Weib und habe nicht soviel Geld!«

       Er entgegnete: »Nimm es alles umsonst von mir, und

       mit diesem Beutel voll 500 Goldstücke thu' dir eine

       Güte! Besuche mich ja immer wieder, bleib nicht zu

       lange von mir fern!« Die Alte erwiderte ihm: »Gott

       befohlen!« Sie nahm die Sachen, kehrte frohen Mutes

       heim und brachte jene Gegenstände nach Hause. Sie

       merkte, daß jener etwas von ihr wünschte.

       Am folgenden Tage begab sie sich wieder hin und

       sprach zu ihm: »Mein Herr, wünschest du, daß ich dir

       irgend etwas besorge?« Er entgegnete: »Kennst du

       das Haus von dem und dem?« Sie entgegnete ihm:

       »Ich kenne es!« Er sprach zu ihr: »Nimm dieses Kästchen

       hier, und bring es jener schönen Frau, und diese

       500 Goldstücke hier sollen für dich sein! Und sage

       jener Schönen die Worte: ›Ich möchte gern zwei

       Stündchen bei dir zubringen!‹« Die Alte entgegnete:

       »Gott befohlen!« Sie nahm das Kästchen und ihre

       500 Goldstücke und ging ab. Dann begab sie sich

       nach dem Hause der schönen Frau; sie klopfte an die

       Thür, da kam die Dienerin heraus und fragte: »Was

       willst du?« Die Alte erwiderte: »Geh' zu deiner Herrin

       und sage ihr: ›Die Hebamme deiner Mutter möchte

       bei dir ein Stündchen verweilen!‹« Die Dienerin ging

       ins Haus zurück zu ihrer Herrin und berichtete ihr:

       »Die Hebamme deiner Mutter möchte ein Stündchen

       bei dir zubringen.« Hierauf trat die Alte ein, und die

       schöne Frau bewillkommte sie herzlich. Die Alte begann:

       »Du bist mein Töchterchen, ich habe deine

       Mutter schon aufgezogen und dich auch, als du klein

       warst und auf meinem Schoße saßest.« Sie nahm

       neben der schönen Frau Platz, und diese ließ ihr Kaffee

       kochen und Essen vorsetzen. Die Alte sprach zu

       ihr: »Herrin, du sendest mich doch nicht ohne Hoffnung

       wieder weg?« Die schöne Frau erwiderte: »Nur

       zu! Gott befohlen! Was du bedarfst, werde ich dir

       schon verschaffen!«

       Die Alte begann: »Ja, da ist ein reicher Kaufmann

       erst seit kurzem hier angekommen; der erkundigte

       sich nach deiner Wohnung und fragte nach dir; er sendet

       dir dieses Kästchen; das ist ein prächtiges Geschenk,

       das du (behalten mußt und) mir nicht zurückgeben

       darfst!« Die schöne Frau empfing das Kästchen

       von der Alten und barg es in ihrer Truhe. Dann fragte

       sie die Alte: »Was beabsichtigt denn jener?« Diese erwiderte:

       »O, er will bloß zwei Stündlein bei dir verweilen!

       « Die schöne Frau sprach: »Nun gut, dann

       geh' zu ihm und sage ihm, er solle zwei Stunden nach

       Sonnenuntergang kommen!« Der Wesir freute sich

       über diese Kunde, begab sich ins Bad, rasierte seinen

       Körper und sein Haupthaar und machte sich fix und

       fertig. Die schöne Frau hatte der Alten gesagt: »Wenn

       er das Haus nicht kennt, so zeig es ihm und geh dann,

       wohin du willst.« Als die Nacht einbrach, machte sich

       auch die schöne Frau fix und fertig und richtete eine

       Abendtafel her: »Sie bedeutete die Dienerin und

       sprach zu ihr: ›Wenn ein Kaufmann zu mir kommt, so

       laß ihn hier neben mir fünf oder zehn Minuten sitzen

       und poche dann tüchtig an die Thür, schleich dich

       hinaus vor die Thür und poche an dieselbe!‹«

       Der Kaufmann kam, trat ein, und sie empfing ihn,

       sie bewillkommte ihn mit diesen Worten: »Sei gegrüßt!

       Willkommen! Segen hat uns aufgesucht!« Er

       entgegnete ihr: »Du bist der Ort des Segens!« Dann

       nahm er neben ihr Platz. Beide hatten eben erst begonnen,

       den ersten oder zweiten Bissen zu genießen,

       da erdröhnte die Thür. Der Wesir blickte die schöne

       Frau an und fragte sie: »Wer ist das?« Da sprang sie

       auf, schlug auf die Schenkel und rief: »Wo verstecke

       ich dich jetzt?« Er fragte sie nochmals: »Was ist's

       denn?« Sie antwortete: »Das ist der Bruder meines

       Mannes, der ist ein Mörder; jeden Tag kommt er so

       um diese Zeit, er giebt Obacht auf mich und auf das

       Haus seines Bruders!« Er fragte: »Was ist da zu

       thun?« Sie erwiderte: »Ich habe ein Kellerloch, in das

       werde ich dich hinablassen, und dort wirst du zehn

       oder fünfzehn Minuten verweilen müssen; wenn mein

       Schwager wieder fort ist, werde ich dich herauslassen!

       « Der Wesir entgegnete: »Gott befohlen!« Nun

       machte sich die Frau nebst der Dienerin ans Werk,

       und die beiden hoben den Stein oben auf dem Kellerloche

       ab, banden den Wesir an ein Hanfseil und ließen

       ihn hinab in das Kellerloch; dort ließen sie ihn.

       Dann deckte sie wieder den Stein oben darauf und

       ließ ihn da unten bis zum nächsten Morgen. Am nächsten

       Morgen öffnete sie wieder das Kellerloch, in dem

       sich jener befand, und rief hinab: »Wie geht dir's?« Er

       entgegnete: »Eine Ratte von der Größe einer Katze

       und die Nässe hier macht meinen Geist verwirrt!

       Auch hatte ich garnichts zu essen,« fuhr er fort; »denn

       seit gestern Mittag habe ich nichts genossen!« Die

       Frau sprach: »Auf, Magd, bring jetzt die Wolle, eine

       Karde und eine Laterne herunter, damit er ordentlich

       sehen könne, wenn er arbeitet.« Sie rief ihm zu:

       »Wohlan, mein Junge, arbeite nach Herzenslust! Arbeitest

       du tüchtig, so sollst du tüchtig zu essen bekommen;

       arbeitest du aber wenig, so bekommst du

       wenig zu essen!« Er entgegnete: »Das war nicht die

       Beschäftigung meines Vaters und Großvaters!« Sie

       entgegnete: »Ganz wie du willst! Wenn du ordentlich

       kardest, bekommst du zu essen;