Afrikanische Märchen auf 668 Seiten. T. von Held

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Название Afrikanische Märchen auf 668 Seiten
Автор произведения T. von Held
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742763129



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grrr, grrr sage, wißt ihr, daß ich noch nicht fest schlafe;

       hört ihr mich aber pfuh, pfuh sagen, dann bin ich

       fest eingeschlafen.« Da warteten die Mädchen, bis sie

       den Alten »pfuh, pfuh« sagen hörten. Dann standen

       sie auf, befestigten allen Zierat an den Gewändern,

       damit er keinen Lärm machen konnte und horchten

       noch mal, ob der Mann auch wirklich schliefe. Als sie

       dessen ganz sicher waren, schritten sie über ihn fort

       aus der Hütte hinaus, nahmen Asche und bestrichen

       sich mit ihr gegenseitig die Gesichter.

       Der Häuptling der Damaras hatte einen großen

       Stein vor der Hütte liegen, den benutzte er als Sitz.

       Diesen Stein nahmen die Mädchen und zerschmetterten

       mit ihm den Kopf des schlafenden Mannes. Dann

       gingen sie eilends fort und folgten den Spuren der

       fortgewanderten Hereros; denn sie wollten nicht bei

       den Damaras bleiben. Bald kamen sie an einen großen,

       flachen Felsen, der wie ein Haus aussah. Vor

       ihm stand das älteste Mädchen, welches Cnihova

       hieß, still und rief:

       »Felsen, öffne dich!«

       Darauf tat der Felsen sich auf und ließ die Mädchen

       eintreten, voran die, welche gerufen hatte.

       Die jüngste der Schwestern hieß Cahavandye und

       folgte nach. Als sie alle in dem Felsen waren, schloß

       er sich wieder; aber der Raum in ihm war etwas eng

       für sie alle.

       »Wenn es sehr eng hier wird,« sagte Cnihova zu

       ihren Schwestern, »so dürft ihr nicht schelten«.

       »Wie,« rief Cahavandye, »nicht genug Raum will

       er uns geben, und wir sollen nicht einmal schelten? Es

       ist ein ganz abscheulicher Felsen!«

       Dann schwiegen sie alle.

       Als die Bergdamaras zurückkamen, fanden sie, daß

       die Mädchen alle verschwunden waren und den alten

       Mann getötet hatten. Sofort machten sie sich auf den

       Weg, um die Entlaufenen zu verfolgen. Als sie zu

       dem großen flachen Felsen kamen, konnten sie die

       Spuren nicht mehr sehen und fragten einander:

       »In welcher Richtung mögen sie weitergegangen

       sein?«

       Da hörten sie den leisen Klang der Glocke, welche

       das älteste Mädchen an ihren Kleidern trug.

       »Was war das?« riefen die Damaras. »War es nicht

       der Klang einer Glocke? Oder war es die Stimme

       eines Vogels, die wir gehört haben? Sind sie aber

       fortgenommen, so war es der Klang einer Glocke, und

       die Mädchen waren hier versteckt.«

       Dann gingen sie wieder zurück zu den Hütten.

       Sobald die Mädchen merkten, daß die Damaras

       fortgegangen waren, sprach Cnihova zu dem Felsen:

       »Öffne dich!«

       Da öffnete er sich und ließ die Mädchen hinaustreten.

       Als aber Cahavandye, die jüngste der Schwestern,

       den andern folgen wollte, schloß er sich geschwind

       und hielt sie gefangen.

       Die Mädchen nahmen nun von dem Felsen, was die

       Damaras dort hatten liegen lassen; aber ehe sie weitergingen,

       baten sie den Felsen:

       »Gib uns unsre Schwester! Sie ist ein Kind und hat

       gesprochen wie ein Kind; ihre Worte haben kein Gewicht.

       «

       Aber der Felsen öffnete sich nicht. So zogen denn

       die Kinder weiter und kamen nach langem Wandern

       dahin, wo ihre Eltern und Freunde sich niedergelassen

       hatten. Große Freude herrschte, und Feste wurden

       veranstaltet, weil die Mädchen und besonders die Älteste

       wiedergekommen waren. Von nun an blieben sie

       stets da, wo auch ihre Eltern waren.

       Cavahandye, die in dem Felsen geblieben war,

       weinte bitterlich und rief fortwährend:

       »Öffne dich, öffne dich! Ich habe gesprochen, wie

       ein Kind redet.«

       Aber der Felsen erhörte sie nicht. Wenige Tage

       darauf kam ein Löwe des Weges, der rief den Felsen

       an:

       »Öffne dich!«

       Da gehorchte der Felsen. Als Cahavandye aus der

       Offnung heraustrat, verfolgte sie der Löwe; doch das

       Mädchen rannte, so schnell es konnte, und erreichte

       beinahe den Platz, wo es seine Mutter und Schwestern

       zu finden hoffte. Da es aber vom Laufen ermattet war

       und in der Schnelligkeit nachließ, wurde es doch noch

       eine Beute des Löwen, der es verschlang. Als die Damaraleute

       zu dem Felsen kamen und ihre Schilder und

       Speere fort waren, wußten sie, daß es die Hereromädchen

       gewesen waren, welche sie genommen hatten;

       deshalb folgten sie ihren Spuren, aber sie erreichten

       sie nicht und kehrten wieder zurück.

       Fußnoten

       1 Die Herero sind ein Nomadenvolk, daher in dieser

       Erzählung die Rede davon ist, daß sie, sobald ihr

       Vieh die Weide abgegrast hat, weiterziehen. Die älteste

       Tochter genießt in jeder Hererofamilie eine besonders

       bevorzugte Stellung und heißt allgemein »das

       große Mädchen«. – Mit den in dieser Sage angegebenen

       Lauten »grrrr, grrrr« und »pfuh, pfuh« sind jedenfalls

       die Schnarchlaute, die wir mit »sägen« und »blasen

       « bezeichnen, gemeint. – Eiserne Schmuckgegenstände

       tragen Hereroweiber oft an ihren Röcken;

       wenn sie kein Geräusch machen wollen, müssen diese

       befestigt werden. Eine kleine Glockenart trägt oft die

       Älteste einer Familie. – Die Herero und Damara stehen

       sich stets feindlich gesinnt gegenüber; der Herero

       betrachtet den Damara als tief unter sich stehend. –

       Neger gehen stets einer hinter dem anderen, und es ist

       rätselhaft, wie sie imstande sind, Unterhaltungen aufrecht

       zu erhalten, in denen z.B. der erste und siebente

       und der zweite und achte miteinander reden. In Familien

       wird bei dieser Art des Gehens das Alter innegehalten.