Название | Haustiere |
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Автор произведения | Claudia Gürtler |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783742782144 |
Claudia Gürtler
Haustiere
16 Kurzgeschichten; Katze, Pony, Hund, Ratte, Leguan & Co.
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Inhaltsverzeichnis
Statt eines Vorworts: Der Bauer und seine Tiere
Vom Hund, der sich nicht verschenken wollte
Weihnachten mit Katzen und Engeln
Schwarztee und ein Tropfen Honig
Statt eines Vorworts: Der Bauer und seine Tiere
Ein Bauer, nennen wir ihn Toni, hatte einen treuen Hofhund, ein kräftiges Pferd, 1einen wachsamen Esel und sieben ebenso wachsame Gänse, die miteinander um die Wette krähten, einen stolzen Hahn und fünf Hühner, ein dickes, gutmütiges Schwein, das jedes Jahr elf Ferkel warf, zwei Stallkatzen und eine uralte Küchenkatze, jede Menge Mäuse, ein Storchenpaar auf dem Dach und drei Schwalbenpaare im Tenn, die jeden Frühling wiederkamen und ihn im Herbst wieder verliessen. Sie alle teilten Haus, Stall, Felder und Weiden mit ihm. Sie teilten sein Leben mit ihm – und nahmen ihn nicht für voll.
Natürlich dachte er, er sorge gut für seine Tiere, und ohne ihn hätten sie keine Überlebenschancen. Ohne ihn würden sie hungern und hätten kein Dach über dem Kopf. Niemand würde den Tierarzt rufen, wenn sie krank wurden, und ohne sein Lob, seine Liebkosungen mit Stimme und Händen würden ihre Seelen verdorren wie zarte Pflänzchen an der Sonne.
Ja, so dachte er, und die Tiere liessen ihn denken, wie er dachte und reden, wie er eben redete. Sie stupsten einander an und lachten lautlos und schüttelten fast unmerklich die grossen und kleinen Köpfe, denn natürlich war es genau anders herum. Wenn sie nicht wären, die Tiere, die für ihn rochen, sahen, Krümel aufputzten, Lasten transportieren, das Gras ordentlich kurzhielten, wäre er vollkommen lebensuntüchtig. Wenn sie ihn nicht fütterten und tränkten und für sein leibliches und seelisches Wohl sorgten, unauffällig, nachsichtig, liebevoll – er wäre längst nicht mehr unter den Lebenden. Und falls doch, würde seine Seele verdorren wie ein zartes Pflänzchen an der Sonne. Er brauchte es, all dieses Streicheln und Kraulen. Nichts geht über dieses Gefühl von Ehrfurcht, wenn man in dichtes Fell fasst, und nichts ist so tröstlich wie der kräftige Geruch von Tieren.
Man konnte Toni, dass er war, wie er war, nicht übelnehmen. Er würde ein Leben lang ein Frischling bleiben, ein Welpe, ein Fohlen, ein blindes, tapsiges Kätzchen.
Wie oft schon hatten sie ihm geduldig zugeredet, hatten ihm dieses und jenes beizubringen versucht. Er war begriffsstutziger als jedes erst wenige Stunden alte Tier. Man konnte ihm Dinge zwanzig Mal sagen, ohne dass er etwas dazu lernte.
Sie hatten ihm das Leben gerettet, mehr als einmal, ohne einen Dank dafür zu erwarten, aber dieses Mal galt es ernst.
Es würde ein Erdbeben geben und Haus und Stall würden bis auf die Grundmauern niederbrennen.
Nur weil die Tiere in den Ställen so viel Radau machten, wie sie konnten, weil die Gänse gackernd und zischend über den Hof rannten, der Hund mit der Kette rasselte, die Katzen in sein Bett sprangen und die Mäuse die Wände hinauf und hinunterliefen, kam er rechtzeitig aus dem Bett, aus dem Haus, öffnete weit alle Stall- und Boxentüren.
Er rettete das Leben seiner Tiere, und sein eigenes nacktes Leben dazu.
Gewiss, Bauer Toni war nicht mehr der Jüngste, aber in jener Nacht wurde er schlohweiss, verzagt und zittrig. Sollte er ihn wiederaufbauen, seinen Hof? Vorerst übersiedelte er in eine Höhle, die er noch aus Kindertagen kannte. Hier wollte er gründlich darüber nachdenken, ob es sich noch lohnte, das Leben. Der Hund führte ihn, das Pferd trug ihn, Hühner und Kuh versorgten ihn und die Katzen wärmten seine Seele. Selbst die Mäuse zogen mit ihm um und hielten seinen Wohnraum sauber.
Genau genommen gab es ja nun keinen Grund mehr für Treue, denn Bauer Toni hielt seine Seite des Vertrages, Essen zu liefern und für eine trockene Bleibe zu sorgen, nicht mehr ein, aber die Tiere stiessen einander an, nickten fast unmerklich mit den Köpfen und es war also beschlossene Sache: Sie konnten ihn nicht verlassen. So menschlich wollten sie nicht sein!
Tierische Erbschaft
Damals liebten sie sich noch, und es verging kaum ein Wochenende, an dem sie nicht frühmorgens den düstergrauen Wohnblock verliessen, um sich Häuser auf dem Land anzusehen. Lust und Laune und Teds Intuition, auf die er stolz war, bestimmten die Route, die das junge Paar mit seinem rostigen Deux-chevaux abklapperte. Hand in Hand gingen sie durch die leeren Zimmer von zum Verkauf stehenden Häusern, und ihre Stimmen hallten unnatürlich laut und verzerrt von den Wänden.
Mit entzückten Freudenschreien begeisterte sich Lis für alles, was klein, schmuck, bezugsbereit und überschaubar, oder wie sie es nannte, handlich war, während Ted eine Vorliebe für Riesiges entwickelte. Weiträumige Schlösser mit meterdicken Mauern und stillgelegte Fabriken weckten seinen Enthusiasmus ebenso wie das ausgediente Gefängnis, von dem Lis sich schaudernd abwandte.
Vier Jahre später gaben Lis und Ted noch immer sonntags die Kinder bei ihren Eltern ab, um sich Häuser anzusehen, aber sie schwiegen während der Fahrten im Deux-chevaux. Ihre Hände berührten sich nicht, die Schultern rieben nicht mehr wie zufällig aneinander, und immer öfter tönten ihre Stimmen aufgebracht durch die leeren Räume von zum Verkauf stehenden Häusern.
Auf den Tag genau sieben Jahre nach ihrer ersten gemeinsamen Hausbesichtigung überraschte Ted seine Frau mit der Nachricht, er habe vor einer Stunde den Kaufvertrag für ein Haus unterschrieben. Es war Lis’ fünfunddreissigster Geburtstag, kein Samstag oder Sonntag übrigens, also genau genommen nicht der Moment für Hausbesichtigungen, und sie hatte eine beträchtliche