Von alten und neuen Bürowelten. Maik Marten

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Название Von alten und neuen Bürowelten
Автор произведения Maik Marten
Жанр Зарубежная деловая литература
Серия
Издательство Зарубежная деловая литература
Год выпуска 0
isbn 9783752926736



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an. Vertreter in Anzügen und Musterkoffern machten sich auf, um an den Türen der amerikanischen Haushalte für ihre Produkte zu werben. Ganz nebenbei sammelten die emsigen Verkäufer bei ihren Bestellungen die Adressen von Tausenden Amerikanern. Es folgten erste postalische Bestellungen. Bald darauf verzichtete man auf die Handelsreisenden und beschränkte sich gänzlich auf die Bestellung per Post. Die Amerikaner waren dabei, ihre Leidenschaft fürs Shopping vom heimischen Sofa aus zu entdecken. Es war die Geburtsstunde des Versandhandels. Waren es zunächst nur Hygieneartikel, baute Larkin das Angebot mit der Zeit kontinuierlich aus und so bescherte die wachsende Palette an Verbrauchsartikeln dem Unternehmen aus Buffalo stetig wachsende Umsätze. 1890 bot die Larkin Company bereits ganze Vorratsboxen an, die den durchschnittlichen Bedarf einer amerikanischen Familie an Seifen- und Toilettenartikeln für ein ganzes Jahr abdeckte. 1883 verschickten sie über 1,5 Millionen Produktkataloge ins ganze Land. Ende des 19. Jahrhunderts war aus der ehemals unbedeutenden Seifenmanufaktur ein riesiges Versandhaus-Imperium mit über 4.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 29 Millionen US-Dollar (Das entspricht heute circa 360 Millionen Dollar) geworden. Die Kasse der Larkin Company war also gut gefüllt, als man 1903 beschloss, Frank Lloyd Wright mit dem Bau einer neuen Firmenzentrale zu beauftragen.

Larkin Building in Buffalo, New York, USA, (gebaut 1903-1905), Architekt: Frank Lloyd Wright; Quelle: www.wikiarquitectura.com

      Abb. 7-8: Larkin Building in Buffalo, New York, USA, (gebaut 1903-1905), Architekt: Frank Lloyd Wright; Quelle: www.wikiarquitectura.com

      Wie stellte man es an, in einem Gebäude, das ausreichend Platz für über 1000 Arbeiter bieten sollte, möglichst jedem einzelnen Mitarbeiter optimale Lichtverhältnisse zu bieten? Frank Lloyd Wright löste das Problem, in dem er zentral im Gebäude ein riesiges Atrium platzierte. Alle Arbeitsplätze waren entweder nahe der Außenfenster oder zum innenliegenden Lichthof ausgerichtet. Im Inneren setzte er helle, sandfarbene Farbtöne ein, damit möglichst viel Licht reflektiert wurde. Von ihm entworfene Stehleuchten erhellten die vielen Tischreihen zusätzlich mit künstlichem Licht.

Larkin Building in Buffalo, New York, USA, (gebaut 1903-1905), Architekt: Frank Lloyd Wright

      Abb. 8

      Allein das Betreten des Gebäudes kam einer Inszenierung gleich.1 Durch einen hübsch angelegten Garten erreichte man eine breite, seitlich am Gebäude verlaufende Treppe. Frische Luft umhüllte einen, wenn man die Stufen zur Eingangstür erklomm. Ein künstlicher Wasserfall ergoss sich in einem großen Wasserbecken. Über dem fließenden Wasser las man in großen Lettern: HONEST LABOR NEEDS NO MASTER - SIMPLE JUSTICE NEEDS NO SLAVES. Alles im Inneren war luftig und großzügig angelegt: Das Foyer; der große Schreibsaal im Erdgeschoss; die seitlich vom Atrium abgehenden Arbeitsräume hinter den balkonartigen Brüstungen und hohen Säulen; und das Restaurant in der obersten Etage, von dem aus die Belegschaft einen ungehinderten Blick ins Atrium genießen konnte. Dachgarten und Terrassen waren zur Erholung und für Raucherpausen vorgesehen. Auch der Akustik in den offenen Bereichen schenkte man mehr Aufmerksamkeit als sonst üblich. So setzte man für Böden, Treppen, Fensterbänke und Trennwände schallabsorbierende- und feuerbeständige Zementverbindungen ein. Unter dem Fußboden verlegte man eine zusätzliche Filzschicht, um den Trittschall zu reduzieren. Ausreichend Fensteröffnungen, offene Räume, Zugänge und wärmeregulierende Materialien sollten für ein verbessertes Klima im Inneren sorgen. Das Zusammenwirken der Maßnahmen stellte eine Art Vorgänger der späteren Klimaanlage dar.2 Viele Möbel, darunter die Schreibtische und Stühle hatte Wright selbst entworfen. Die Gestelle der Bürostühle waren durch Scharniere mit den Arbeitstischen verbunden und schwebten über dem Fußboden. So ließ sich der Boden leichter reinigen.

      Abb. 9: Schreibsaal im Larkin Building; Quelle: www.wikiarquitectura.com

      Die vielen Annehmlichkeiten konnten aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Gebäude den einzigen Zweck verfolgte, die Arbeitskraft der Angestellten optimal auszubeuten. Alle Errungenschaften dienten dazu, ihre Produktivität zu steigern. Die Auftraggeber appellierten ganz unverhohlen an die Disziplin ihrer Mitarbeiter, an den Segen harter Arbeit und die Vorteile der Zusammenarbeit. Frank Lloyd Wright sprach von den Freuden des „communal experience“, der Gemeinschaftserfahrung.3 Und hoch über den Köpfen der Arbeiter, an den Balkonbrüstungen zum Atrium, thronten motivierend, - oder je nachdem wie man es betrachten möchte, mahnend, - in großen Lettern Wörter wie SACRIFICE, INTEGRITY, LOYALTY, FIDELITY, ENTHUSIASM, CONTROL und CO-OPERATION. Nichts erinnerte im Larkin Gebäude an die klaustrophobisch engen Zustände einstiger Kontore. Andererseits stellte sich aber in den Schreibsälen auch nichts den prüfenden Blicken von Vorgesetzten oder missgünstigen Kollegen schützend in den Weg. Vertraulichkeit, Anonymität und Intimität fanden hier keinen Platz.

      Die ersten Bürogebäude

       Zeniths Türme strebten über den Morgennebel auf; nüchterne Türme aus Stahl, Sandstein und Zement, robust wie Felsen, doch schlank wie Silbernadeln, weder Zitadellen noch Kirchen, sondern solide, schöne Bürogebäude. Der Nebel hatte Mitleid mit den verwitterten Gebäuden früherer Generationen, mit dem Postamt samt seinem schindelgeplagten Mansardendach, den rotgeziegelten Minaretten plumper alter Häuser, den Fabriken mit ihren spärlichen, rußverschmierten Fenstern, den lehmfarbenen Wohnhäusern aus Holz. Die Stadt wimmelte von solch grotesken Gebilden, die mehr und mehr von blitzblanken Türmen aus dem Geschäftszentrum verdrängt wurden, und auf den weiter außerhalb gelegenen Hügeln reihte sich ein neues, hell schimmerndes Haus ans andere. Gewiss Heimstätten für Frohsinn und Beschaulichkeit.

       (aus Sinclair Lewis Babbitt, 1920)

      Die Wirtschaft wuchs, und mit ihr die Städte. In New York stieg die Bevölkerungszahl zwischen 1850 und 1920 von 515.000 auf 5,6 Millionen an.1 In Berlin lebten 1850 noch 418.000 Menschen, 1920 waren es fast 3,9 Millionen und London verzeichnete zeitgleich einen Anstieg von 2,6 auf 7,4 Millionen Einwohner.2 Zugezogen waren die Menschen vom Land und den kleinen Gemeinden, um in den aufstrebenden Städten Arbeit zu finden. Industrie, Gewerbe und Dienstleistungen boomten vor allen Dingen in den urbanen Zentren. Mit ihnen explodierte förmlich der Bedarf an Bürofläche in den begehrten Innenstadtlagen. Die Folge waren rasant steigende Quadratmeterpreise und der Beginn der Immobilienspekulation. Man nutzte jeden Quadratmeter Fläche, der zum Verkauf stand. Brachflächen wurden erschlossen, alte Häuser abgerissen und durch neue Bürogebäude ersetzt. Der Erwerb von Grund und Boden war derart kostspielig geworden, dass man schließlich vermehrt begann, in die Höhe zu bauen.

      Doch zunächst blieben die unteren Etagen der Wohnhäuser und Bürogebäude bei den Städtern noch beliebter, als die mühsam durch Treppensteigen zu erreichenden oberen Stockwerke. Je höher die Etage, desto günstiger die Miete. 1853 erfand man den hydraulischen Lastenaufzug.3 Siebzehn Jahre später, im Jahr 1870, war es vermutlich die Equitable Life Insurance, die als Erstes einen Personenaufzug in ihrem Bürogebäude einbauen ließ. Damit änderten sich die Präferenzen der Bewohner. Man erkannte die Vorzüge, die mit den höheren Etagen verbunden waren: Die Aussicht über die wachsende Stadt war prächtiger, die Luft war frischer, das Licht heller und dem Straßenlärm, der jedes Jahr zuzunehmen schien, ließ sich von hier oben viel leichter entkommen.

      Dem Wachstum der Häuser waren zu diesem Zeitpunkt aber noch enge Grenzen gesetzt. Die herkömmliche Bauweise, Stein auf Stein, ließ nur eine bestimmte Bauhöhe zu. Mit jeder weiteren Etage, die man hinzufügte, erhöhte sich die Traglast auf die darunter liegenden Wände. Man löste das statische Problem, in dem man die tragenden Wände der unteren Geschosse verstärkte, mit großen Fensteröffnungen sparsam umging und die oberen Etagen des Gebäudes verjüngte. Aber nach etwa zehn, zwölf Etagen war erst einmal das Maximum erreicht. Mit ihrer dennoch bereits beachtlichen Höhe von circa dreißig bis vierzig Metern und ihrer sich verjüngenden Form reichten die neuen Riesen an so manches Kirchengebäude aus der Nachbarschaft heran, weshalb man ihnen auch den Spitznamen Cathedrals of Commerce gab.4