Das Barnabas-Evangelium. Irene Dorfner

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Название Das Barnabas-Evangelium
Автор произведения Irene Dorfner
Жанр Языкознание
Серия Leo Schwartz
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738053623



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Sie die Bibel, sie ist sehr wertvoll,“ sagte Hala Magnusson und sah ihn dabei flehend an.

      „Wie hoch ist ihr Wert?“, fragte Hedlund, der sich noch keine Gedanken über den finanziellen Wert gemacht hatte.

      „Mit ihrer Anlieferung wurde uns der Versicherungsschein übergeben. Sie wurde für 14 Millionen Britische Pfund versichert.“

      Hedlund pfiff durch die Zähne. Das änderte alles. Der Diebstahl könnte nicht nur einen religiösen, sondern auch einen finanziellen Hintergrund haben.

      Die Aufzeichnungen der Überwachungskameras standen bereit und Hedlund sichtete sie sorgfältig. Warum hatten die Täter keine Masken auf? Drei der Diebe gingen sofort in die Fahndung. Bis auf den einen Mann, der auf keiner der Aufzeichnungen klar erkennbar war.

      Nun fuhr Hedlund ins Hotel, um mit den Experten zu sprechen. Alle vier saßen im Frühstücksraum, die Nachricht über den Einbruch in der Hauptbibliothek hatte sich herumgesprochen. Als sie erfuhren, dass die Bibel gestohlen wurde, waren sie entsetzt. Es folgte eine heftige Diskussion, die Hedlund unterbrechen musste. Er war müde und genervt.

      „Was haben Sie bis jetzt herausgefunden? Ist die Bibel echt? Was steht darin?“

      „Wie stellen Sie sich das vor junger Mann? Dass wir eine 2000 Jahre alte Schrift einfach so übersetzen können? Das dauert Jahre.“

      „Was wir mit Sicherheit bis jetzt sagen können ist, dass die Schrift aus der damaligen Zeit stammt. Auch das Leder, auf dem geschrieben wurde, kann in die damalige Zeit datiert werden.“

      „Das ist alles? Mehr haben Sie nicht?“

      „Sie sind ein Banause! Schämen Sie sich! Sie brauchen für Ihre Arbeit Ihre Zeit, so wie wir unsere brauchen. Wir dürfen uns bei unserer Arbeit keinen einzigen Fehler erlauben und prüfen mehrfach jedes Ergebnis, bevor wir damit an die Öffentlichkeit gehen. Fehler, wie sie in der Vergangenheit durch vorschnelle Veröffentlichungen geschehen sind, dürfen wir uns nicht erlauben. Jetzt können wir unsere Arbeit beenden und nach Hause fahren.“

      „Gibt es keine Fotos der Bibel?“

      „Sie meinen, wir sollten den Text anhand der Fotos übersetzen? Sie verstehen wirklich nichts von unserer Arbeit. Nein, wir können die Arbeit auf diese Art und Weise nicht fortführen. Wir arbeiten nur an Originaldokumenten und nur diese Übersetzungen und Expertisen werden anerkannt. Man würde uns überall auslachen, wenn wir als Grundlage unserer Arbeit Fotos auf den Tisch legen, statt des erwarteten Originals.“

      „Zusammenfassend kann ich davon ausgehen, dass die Bibel echt ist?“

      „Hören Sie genauer hin! Mein Kollege sagte vorhin, dass das Leder aus der Zeit vor 2000 Jahren stammt und auch die Schrift in die damalige Zeit passt. Diese beiden Aussagen können wir vertreten, mehr aber nicht. Dazu bräuchten wir die Originalbibel und viel mehr Zeit.“

      Malte Hedlund verabschiedete sich von den arroganten Herren und hoffte, sich nie wieder mit ihnen auseinandersetzen zu müssen. Er hasste seinen Job und spürte, dass dieser Fall noch lange nicht zu Ende sein würde.

      2.

       Altötting/Deutschland, 27. November

      Die Weihnachtsfans fieberten auch in diesem Jahr wieder dem Altöttinger Christkindlmarkt entgegen, der heute endlich startete. Gut drei Wochen lang konnte man den Duft des Glühweins, der Bratwürste und der Zuckerbäckerei wieder genießen, während man die besondere Stimmung des Christkindlmarktes, der eingebettet in prächtige Barockgebäude am berühmten Kapellplatz jedes Jahr stattfand und weit über die Stadtgrenze hinaus berühmt und beliebt war. Wer könnte sich dem Zauber der Besinnlichkeit und der Ruhe, gepaart mit geschäftigem Treiben entziehen? Hans Hiebler, Kriminalhauptkommissar der Mühldorfer Kriminalpolizei, jedenfalls nicht. Der 54-jährige, sportliche, attraktive Junggeselle mit dem besonderen Faible für Frauen schlenderte mit seiner neuesten Eroberung Rita über den Christkindlmarkt und war glücklich. Die junge Rita war wie eine frische Brise in seinem Leben und er ließ sich von ihr und ihrem Temperament gerne mitreißen. Beruflich war es in den letzten Wochen sehr ruhig gewesen. Es gab fast nur Routinearbeiten, alles war friedlich in seiner beschaulichen oberbayrischen Heimat. Er kaufte Rita ein Lebkuchenherz mit einem kitschigen Spruch, über den sich beide amüsierten.

      „Ich bin dir noch einen Glühwein schuldig,“ strahlte ihn Rita an. „Warte hier und halte mir ein Plätzchen frei. Bin gleich zurück.“

      Hans stellte sich an einen Tisch und sah der für ihn viel zu jungen Frau hinterher. Rita war erst 32 Jahre alt, er war also über 20 Jahre älter als sie. Was sollte ihn an ihrem Alter stören? Die anderen tuschelten über sie, das hatten sie längst bemerkt. Hans war es egal, was andere über ihn dachten. Er genoss die Zeit mit ihr. In ihrer Gegenwart fühlte er sich jung und frisch; was sollte daran verkehrt sein?

      Dann gab es einen fürchterlichen Knall!

      Hans ging in Deckung, viele Dinge flogen ihm um die Ohren. Was war passiert? Qualm und Rauch füllte die Luft und die Sicht war gleich Null! Schreie, fürchterliche Schreie folgten und wurden immer mehr. Dann brach Panik aus. Hans rettete sich neben den Eingang einer Verkaufsbude, sonst hätten ihn die Menschen umgerannt. Was zum Teufel war hier los? Hans rief seine Kollegen in Mühldorf an und hatte keine Ahnung, dass sein Chef Rudolf Krohmer am anderen Ende der Leitung war. Der Lärm um ihn herum war zu groß. Hans hatte keine Chance, auch nur ein Wort zu verstehen. Er musste einen Platz finden, von dem aus er telefonieren konnte. Er lief einfach los und suchte Schutz in der Stiftskirche.

      „Feuerwehr und mehrere Krankenwagen zum Kapellplatz Altötting. Schnell!“, rief Hans ins Handy und seine Worte hallten in der Kirche wider. Viele Personen hatten ebenfalls Schutz in der Stiftskirche gesucht, aber Hans nahm sie nicht wahr.

      Rudolf Krohmer, Chef der Mühldorfer Polizei, verstand seinen Kollegen nun viel besser und gab sofort die Anweisung weiter.

      „Was ist passiert?“

      „Das weiß ich noch nicht. Ich vermute eine Bombe.“ Hans hatte aufgelegt und ging wieder nach draußen. Rita! Wo war sie?

      Krohmer war geschockt. Eine Bombe auf dem Christkindlmarkt Altötting war eine Katastrophe! Nachdem er Feuerwehr und Rettungswagen angefordert hatte, rief er umgehend den Kollegen Schenk an. Der Chef der Altöttinger Polizei war ein unsympathischer, schwieriger Charakter, mit dem er regelmäßig aneinandergeriet. Jetzt ging es nicht um persönliche Aversionen, es gab Wichtigeres.

      „Es stimmt also wirklich? Eine Bombe auf dem Christkindlmarkt? Woher haben Sie Ihre Informationen?“

      „Einer meiner Leute ist privat vor Ort. Es herrscht Panik. Ich habe ihn kaum verstanden. Feuerwehr und Rettungskräfte sind unterwegs. Ich fahre sofort los, wir müssen umgehend einen Krisenstab einrichten.“

      Waldemar Schenk lehnte sich zitternd zurück. Eine Bombe in seinem beschaulichen Altötting! Und dann noch auf dem Christkindlmarkt! Für einen kurzen Moment war er versucht, einfach davonzulaufen. Er war überfordert. Reiß dich gefälligst zusammen! Er öffnete das Fenster, atmete tief durch, und ging wieder an seinen Schreibtisch. Jetzt galt es, die Nerven zu bewahren!

      Rauch und Qualm lichteten sich nur langsam und Hans konnte das Ausmaß immer noch nur erahnen. Es war schwer, in der Luft zu atmen und er hielt sich den Schal vors Gesicht. Er näherte sich dem Zentrum des Unheils. Wo war seine Rita? Er betete inständig, dass sie in Sicherheit war. Ganz bestimmt war sie das! Hans ging weiter und stand vor der Stelle, an der vor wenigen Minuten noch eine Bude stand. Nichts war von ihr übriggeblieben. Die beiden Nachbarbuden hatten auch ordentlich was abbekommen, aber sie standen noch. Hans hörte die Sirenen. Hilfe nahte.

      „Rita? Rita!“ Hans rief mehrmals ihren Namen. Anfangs laut und ruhig, dann immer hektischer, bis er schließlich hysterisch wurde. Er suchte in jedem Winkel und jedem Eck. Wo war sie nur? War sie tatsächlich so weit weggelaufen? Verständlich, nach so einer heftigen Explosion. Hans wusste nicht mehr, wie lange er nach ihr suchte, er hatte jegliches Zeitgefühl verloren.

      Leo