Rebeccas Schüler. Tira Beige

Читать онлайн.
Название Rebeccas Schüler
Автор произведения Tira Beige
Жанр Языкознание
Серия Rebeccas Schüler
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754176450



Скачать книгу

In der Dun­kel­heit, die sie um­hüll­te, hät­te er wer weiß was mit ihr an­stel­len kön­nen. Aber da­für sah er zu brav aus. »Ich sage es dir noch ein­mal«, setz­te Rebecca an, »ich bin zu alt für dich. Da drin sind vie­le jun­ge Mäd­chen, die be­stimmt auf dich ste­hen.« Sie nicht, ob­wohl es ihr schmei­chel­te, dass er sie so um­garn­te und nicht lo­cke­r­ließ, sie ab­zu­schlep­pen. Er hat­te zwar einen sport­li­chen Kör­per, aber sein pe­ne­tran­ter Schweiß­ge­ruch, den er durch ein auf­dring­lich rie­chen­des Pa­r­fum zu über­de­cken ver­such­te, wi­der­te sie an. Au­ßer­dem war sie zu aus­ge­laugt, um sich mit ihm zu un­ter­hal­ten oder Aus­ein­an­der­set­zun­gen zu füh­ren.

      »Geh zu­rück, Li­nus.« Rebecca dreh­te sich um und ließ ihn ste­hen.

      So viel Ge­gen­wehr schien ihn wohl zu über­for­dern, denn er folg­te ihr nicht mehr. Statt­des­sen hör­te sie, wie je­mand nach ihm rief. »Komm rein, Al­ter! Was willst du denn da drau­ßen?« Rebecca schüt­tel­te den Kopf und ließ sich von den Häu­sern und der Dun­kel­heit ver­schlu­cken.

      Ein Hund bell­te ir­gend­wo sei­ne schril­len Töne in die Nacht­luft, die als bi­zar­res Echo an den Häu­ser­fron­ten wi­der­hall­ten. An­sons­ten durch­schnitt kein Laut die To­ten­stil­le der schla­fen­den Stadt. Die Stra­ßen wa­ren er­starrt und grau. Jeg­li­ches Le­ben war aus ih­nen ge­wi­chen, als Rebecca über den As­phalt husch­te und auf­pas­sen muss­te, nicht das Gleich­ge­wicht auf ih­ren High­heels zu ver­lie­ren. Ihr schwa­r­zes Kleid flat­ter­te um die Knie, wäh­rend sie das leich­te Jäck­chen fest um ih­ren Kör­per schloss. Sie konn­te gar nicht schnell ge­nug den Wohn­block er­rei­chen, in dem sie die letz­ten drei Jah­re ih­res Le­bens zu­ge­bracht hat­te. Es war nicht das schi­cke Le­ben, das sie mit Paul ge­führt hat­te. Die we­nig ge­räu­mi­ge Woh­nung, die Rebecca be­zahl­te, war kein Ver­gleich zu dem ed­len Häus­chen, dem gro­ßen Gar­ten und dem üp­pi­gen Platz, den das Grund­s­tück ge­bo­ten hat­te. Das be­que­me Le­ben, das sie einst be­ses­sen hat­te, gab es nicht mehr. Nun reich­te ihr Aus­kom­men ge­ra­de so, um nicht in Selbst­mit­leid zu zer­flie­ßen.

      Ab­ge­kämpft er­reich­te Rebecca die Häu­ser­front, an de­ren Fas­sa­de sie sich mit den Hän­den ab­stütz­te, um nicht ins Tau­meln zu ge­ra­ten. Ihr Atem ging schwer und sie hör­te das Blut in ih­ren Oh­ren ra­sant rau­schen, als sie sich nach vorn beug­te und ge­gen den Schwin­del an­kämpf­te, der sie über­fiel, als sie den Kopf senk­te. Der Abend und die Nacht hat­ten sie in die Schraub­zwin­ge ge­nom­men und hin­ter­lie­ßen ein Ge­fühl er­drü­cken­der Matt­heit. Rebecca spür­te, wie ihre Au­gen­li­der schwe­rer wur­den und sie nichts sehn­li­cher wünsch­te, als end­lich in die Fe­dern zu fal­len. Ob sie es noch schaf­fen wür­de, sich das Kleid über den Kopf zu zie­hen?

      Die Trep­pen­stu­fen im fins­te­ren Haus­flur ka­men ihr un­ge­wöhn­lich hoch vor. Im­mer wie­der blieb sie mit den Pumps dar­an hän­gen und muss­te auf­pas­sen, nicht das Gleich­ge­wicht zu ver­lie­ren. Ob die Nach­barn von ih­rem lär­men­den Ge­stol­per, das den Haus­flur er­füll­te, auf­wach­ten, war Rebecca egal. Es wäre wohl ein­fa­cher ge­we­sen, den Licht­schal­ter zu be­tä­ti­gen, aber das hät­te ihre Netz­haut nicht mehr er­tra­gen. Nicht nach die­ser Nacht. Wäre Paul in ih­rer Nähe, hät­te er wohl ge­sagt: »Muss­test du aus­ge­rech­net noch einen Cock­tail trin­ken? Hat dir der letz­te um kurz nach zwei nicht ge­reicht?« Was für eine be­scheu­er­te Hal­lu­zi­na­ti­on, ih­ren Ex vor sich zu se­hen. Er hat­te sich seit ih­rer Tren­nung nur ein ein­zi­ges Mal ge­mel­det und das bloß, weil Rebecca noch einen Kar­ton auf dem Dach­bo­den hat­te ste­hen las­sen. Sie woll­te nicht an ihn den­ken …

      Es war stock­dus­ter, als sie in ihre Woh­nung ein­trat. Ein­zig durch die Fens­ter im Wohn­zim­mer und Flur drang das schwa­che oran­ge Licht ei­ner Stra­ßen­la­ter­ne. Bloß ab ins Bett! Es muss­te kurz vor vier Uhr sein. Nicht mehr lan­ge und es wür­de hell wer­den.

      Rebecca schaff­te es nur müh­sam, ins Bad zu ge­hen und das Make-up zu ent­fer­nen. Sie mach­te noch nicht ein­mal das Licht an, son­dern rieb sich in der schwa­chen Be­leuch­tung le­dig­lich grob die Spu­ren der Dis­co­nacht aus dem Ge­sicht, um nicht mor­gen früh die Au­gen­tu­sche und das Pu­der auf ih­rem Kis­sen vor­zu­fin­den.

      Wie er­schla­gen sank sie mit dem Kopf vor­an in die La­ken und glitt so­fort in einen schumm­ri­gen Däm­mer­schlaf hin­ein, der sie wie ein Was­ser­stru­del nach un­ten zog, ge­nau dort­hin wie­der zu­rück, wo sie ge­ra­de erst her­ge­kom­men war …

      Her­ge­kom­men war … Ge­ra­de her­ge­kom­men war …

      Be­fremd­lich dun­kel ist es um sie her­um, als sie, einen Fuß lang­sam vor den an­de­ren set­zend, über den As­phalt tip­pelt. War­um kommt sie nur so müh­se­lig vor­wärts? Ir­gend­ei­ne Kraft hält sie auf, sich schnel­ler zu be­we­gen. Ver­rä­te­rische Schrit­te hin­ter ihr nä­hern sich un­auf­halt­sam. Sie dreht nur leicht den Kopf in die Rich­tung und sieht hin­ter sich zwei Män­ner. Die Ge­sich­ter kann sie nicht se­hen. Sie möch­te so gern ei­li­ger lau­fen, doch es funk­tio­niert schlicht­weg nicht. Sie scheint auf der Stel­le ste­hen zu blei­ben, kann kaum das Bein he­ben und nach wie vor sind die dunk­len Ge­stal­ten hin­ter ihr, die sie bei­nah er­reicht ha­ben. Auch sie ist fast da. Sie sieht be­reits den ver­trau­ten Wohn­kom­plex. Nur noch we­ni­ge Me­ter. Doch schon wird sie am lin­ken Hand­ge­lenk fest­ge­hal­ten.

      »Sie ge­hört mir.« Wem soll sie ge­hö­ren? Sie ist eine freie Frau.

      Der an­de­re Mann packt sie am rech­ten Ober­arm an. »Sie ge­hört mir.« Es ist die Stim­me von Li­nus. Ob der Un­be­kann­te Ce­d­ric ist? Die Fins­ter­nis ist be­klem­mend und noch im­mer er­kennt sie nicht, wer ne­ben ihr steht. Bei­de zer­ren wei­ter an ihr. Ei­ner will nach rechts ge­hen, der an­de­re nach links. War­um ist nie­mand auf der Stra­ße, der das sieht?

      Sie ge­hört mir.

      Nun ist sie sich si­cher, dass es die bei­den Ker­le aus der Dis­co sein müs­sen. Wo­her sie das weiß? Ce­d­ric lässt ihre Hand sin­ken und nä­hert sich mit sei­nem Ge­sicht dem ih­ri­gen. Schon im nächs­ten Mo­ment glei­ten sei­ne Lip­pen ver­lan­gend über ih­ren Mund und sei­ne Zun­ge bahnt sich einen Weg nach in­nen. Li­nus, der hin­ter ihr steht, fährt mit sei­ner Hand un­ter ihr schwa­r­zes kur­z­es Kleid, strei­chelt sinn­lich über ihre Po­b­a­cken, um an­schlie­ßend mit sei­nen Fin­gern in ih­ren Slip ein­zu­drin­gen und über ihre Schamlip­pen zu rei­ben. Sie stöhnt in den Mund des at­trak­ti­ven Ju­gend­li­chen, der im­mer un­ge­zü­gel­ter sei­ne Zun­ge mit ih­rer ver­schmilzt.

      Sie ge­stat­tet, dass Li­nus sei­ne Hand in ih­rem Hös­chen lässt. Mit dem Zei­ge­fin­ger lieb­kost er ihre emp­find­li­che Knos­pe. Sie wird feucht. Er soll sie wei­ter be­rüh­ren. Dass sie noch im­mer auf der Stra­ße ste­hen und je­den Mo­ment je­mand vor­bei­kom­men kann, macht sie tie­risch an.

      Doch schon ver­liert sie den Halt un­ter ih­ren Fü­ßen und schwebt nach oben in die Luft, tie­fer hin­ein in die Dun­kel­heit. Es kommt ihr nicht selt­sam vor, dass die Schwer­kraft nicht mehr exis­tiert. Sie fühlt sich fe­der­leicht. Die zwei Män­ner zie­hen sich aus. Sie sieht, wie ihre Kla­mot­ten nach un­ten fal­len. Zu­erst se­geln die Ho­sen wie ei­gen­ar­ti­ge En­gels­fi­gu­ren durch die Luft. Dann flat­tern die Shirts hin­ab, als wä­ren sie über­gro­ße Vö­gel mit bun­ten Schwin­gen und zu­letzt sin­ken die So­cken und Shorts zu Bo­den. Al­les lan­det ir­gend­wo ver­streut auf der Stra­ße, die mitt­ler­wei­le kaum noch zu er­ken­nen ist. Le­dig­lich ein paar Stra­ßen­la­ter­nen