Название | Sonnenkaiser |
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Автор произведения | Dirk Meinhard |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783754172469 |
Sie hatten den Feldweg auf der abgewandten Seite des Wäldchens benutzt, um ihre Position zu erreichen. Ein kleiner Teil der Frontscheibe bot einen Blick auf das Objekt ihres Interesses. Allerdings wurde die Sicht bei zunehmender Dämmerung immer schlechter. Bis zum Sonnenuntergang würde es keine halbe Stunde mehr dauern.
Einer der drei, ein jung aussehender Mann mit lockigen schwarzen Haaren und einem kurz geschorenen Bart, beobachtete die Anlage durch ein Fernglas und erzählte hin und wieder den anderen beiden, was er sah. Die saßen im Laderaum auf dem Boden und kontrollierten erneut ihre Ausrüstung in den beiden großen ziemlich mitgenommen aussehenden schwarzen Sporttaschen, um die Zeit totzuschlagen.
Alle drei spürten die Anspannung, die sich während der Wartezeit aufgebaut hatte. Allzu lange würde es nicht mehr dauern, bis sie endlich losschlagen konnten.
Ahmed, der mit dem Fernglas auf dem Beifahrersitz des Wagens saß, rutschte auf dem rissigen Kunstlederbezug hin und her. Aus dem Sitzinnern presste er mit seinem Gewicht die darin befindliche Nässe. Seine Hose fühlte sich im Schritt unangenehm klamm an.
Es roch im Innern des Wagens muffig und feucht. Passend dazu wucherte ein grünlicher Belag in allen möglichen Ecken. Das Fahrzeug hatte seine beste Zeit lange hinter sich gebracht und bereits beim Kauf ehrlich gezeigt, was der Interessent erwarten konnte. Innen an der Frontscheibe lief am Abend des Kaufs noch Wasser herunter und sammelte sich am Boden in kleinen Pfützen. Die Ladefläche hinter den völlig abgenutzten Sitzen war zerschrammt und mit Rost bedeckt. Der Motor quälte sich beim Starten, blies dann reichlich Qualm aus dem Auspuff, verfiel aber doch in einen recht ruhigen Lauf. Dafür erforderten die Bremsen ein gewisses Maß an Nervenstärke von den Fahrzeuginsassen. Der graue nachträglich mit einer Farbrolle angebrachte Anstrich der Karosserie verdeckte notdürftig, dass an diesem Wagen das meiste längst von Rost befallen war.
Sie benötigten zwei Fahrzeuge ohne Verkehrskontrollsystem, also solche, die alt genug waren, um von den gesetzlichen Vorschriften ausgenommen zu sein. Zwar kam man mit solchen Wagen nicht in die städtischen Sicherheitszonen, auch nicht in die Umweltzonen der Städte, in denen besondere Luftreinhaltungsvorschriften herrschten und auch nicht auf die Autobahnen, deren Benutzung nur mit automatischen Identifikations- und Mautsystemen erlaubt war. Aber dafür benötigten sie den Transporter auch nicht. Er hatte sie nur zu diesem Ort befördern sollen. Seine letzte Aufgabe war ein kurzes Feldwegrennen.
Sie hatten die Autos anonym bei einem Straßenhändler in einer No-Go-Zone gekauft. Der Mann, ein stämmiger Typ mit vernarbtem Gesicht und atemberaubend fauligem Atem, sprach nur gebrochen Deutsch und sein Akzent ließ darauf schließen, dass er aus Osteuropa kam. Er hatte mit zwei anderen Männern zusammen mehrere sehr betagte Fahrzeuge abends auf einem Parkplatz eines Supermarktes angeboten. Auf dem Platz standen mehrere nicht sehr vertrauenswürdig aussehende Personen. Das gleiche galt auch für ihre angebotenen Waren, ähnlich alte Autos, verschiedenste gebrauchte elektronische Geräte, Zigaretten, Alkohol und natürlich auch Drogen und Waffen.
Dieser Stadtteil Frankfurts gehörte zu den Gegenden, in denen die Polizei sich längst nicht mehr blicken ließ. Einzelne Streifenwagen mit zwei Polizisten bedeuteten hier nur eine schnell zu beseitigende Provokation. Für einen Aufmarsch einer größeren Zahl von Ordnungskräften war dieser Bereich der Stadt nicht mehr interessant genug. Abgesehen davon wäre der Aufwand, hier der geltenden allgemeinen Ordnung Geltung zu verschaffen, nicht absehbar.
Mangels einer funktionierenden Exekutive schützten sich die Leute, die hier wohnten, so gut es ging, selbst. Und dazu gehörte, dass man nicht auffiel und vor allem nicht die falschen Fragen stellte. Man arrangierte sich mit den Gegebenheiten, versuchte, sich durchzuschlagen. Wer Glück hatte, wohnte in Gemeinschaften, die sich durch ihre Größe besser vor anderen schützen konnten. Die, die hier ein Geschäft machen wollten, stellten auch keine Fragen, vor allem nicht darüber woher die angebotenen Waren stammten. Die Antworten darauf wären ohnehin nicht von Belang gewesen, da sie kaum ein Wörtchen Wahrheit enthalten hätten. Lediglich bei der Bezahlung, ausschließlich mit Bargeld, wurde auf Wahrheit extrem viel Wert gelegt.
In einem Land, in dem offiziell keine Bargeldzahlung mehr vorgesehen war, hätte man vielleicht erwarten können, dass so etwas nicht möglich sei, aber weder der allmähliche Einzug der im Umlauf befindlichen Banknoten noch die offizielle Erklärung ihrer Ungültigkeit hatten ihre Wirkung entfalten können. Hier fand man Geldscheine und Münzen aus der ganzen Welt und niemand scherte sich darum, welche Einstellung Regierungen zu ihrem Geld hatten. Hier blieb es Zahlungsmittel, natürlich nur, solange es echt war.
Während Ahmed mit dem Verkäufer verhandelte, standen die nach Alkohol riechenden und schlecht rasierten Begleiter des Autoverkäufers in ihren schwarzen Lederjacken mit finsteren Gesichtern stumm im Hintergrund und warteten wohl nur darauf, dass etwas nicht in ihrem Sinn ablief. Zur Bestätigung dieser Intention hielt einer einen Knüppel in der Hand, während der andere mit einem Messer mit beunruhigend langer Klinge herumspielte. Ahmed hatte versucht, sich davon nicht beunruhigen zu lassen, was ihm nicht gelang. Trotzdem sie selbst zu dritt zu dem kleinen Markt gegangen waren, war ihm ziemlich flau im Magen gewesen.
Sie hatten sich ein paar Isomatten mitgenommen, um nicht während der Wartezeit im leeren Laderaum auf dem kalten Blech sitzen zu müssen. Auf der Hinfahrt zu diesem Warteplatz konnten nur zwei von ihnen die beiden Sitze benutzen. Der dritte hatte im Laderaum nahe der Hecktür gesessen, sich mit einem Seil an zwei an den Wänden angeschweißten Griffen gesichert und gehofft, dass nichts Unvorhergesehenes geschah.
>>Wie lange dauert das denn noch? Ich hab noch was flachzulegen! Mich juckt es schon!<<, nörgelte einer der beiden aus dem Laderaum und lehnte den Kopf heftig an der Laderaumwand an. Der Aufprall klang schmerzhaft. Trotzdem zuckte der Mann nicht einmal mit den Augenlidern.
Trotz der Matten saß es sich in dem dämmerigen Ladeabteil unbequem. Dank des Frühsommers war es unangenehm warm und der Wagen schien jeden einzelnen Wassertropfen, den er jemals eingesammelt hatte, auszuschwitzen.
>>Khaleb, Du nervst!<<, erwiderte Ahmed.
>>Wie oft soll ich es noch wiederholen! Wir müssen warten, bis die Anlage hochfährt. Erst dann macht es Sinn, unser kleines Feuer zu zünden!<<
Khaleb, ein junger sportlich wirkender Mann, der wie seine Begleiter eine Hose und ein Shirt in einem braunen Camouflage-Muster trug, nickte und schloss die Augen.
>>Bevor Du wieder fragst, es gibt keine feste Uhrzeit!<<, fügte der dritte Mann hinzu, der nur unter seinem Spitznamen Mac angesprochen wurde. Er hatte sichtlich ein paar Kilo zu viel. Das Shirt tarnte bei ihm hauptsächlich das Zuviel an Bauchumfang. Im Vergleich zu den anderen beiden wirkte er sehr behäbig.
Die Anlage, die Ahmed beobachtete, war ein Brennstoffzellenkraftwerk, das nachts und bei Windstille die konventionellen Kraftwerke bei der Stromversorgung unterstützte, wenn die Strommengen aus Solar- und Windkraftwerken nicht ausreichend zur Verfügung standen.
Das Kraftwerk bestand aus mehreren Komponenten. Aus einer unterirdischen Kaverne wurde Wasserstoff in den Hauptkomplex geleitet, in dem eine gewaltige Brennstoffzellenbatterie das erste Element des Periodensystems mit Sauerstoff oxidierte. Das Ergebnis, Strom, wurde ins Stromnetz geleitet, das Abfallprodukt, Wasser, in das Abwassernetz.
Die Anlage stellte Wasserstoff selbst her, der direkt in die Kaverne gepumpt wurde, in der ein ausreichender Vorrat gespeichert war, um die Maximalleistung der Anlage für eine Woche sicherzustellen. Derartige Anlagen waren in Bezug auf die in das Netz eingespeiste Leistung nicht sehr wirtschaftlich. Erst wurde Strom erzeugt, etwa im weit entfernten Marokko, durch das interkontinentale Netz hierher geleitet, und dann verwendet, um Wasser in seine Bestandteile zu spalten. Zu einem späteren Zeitpunkt wurde der Wasserstoff aus diesem letzten Prozess benutzt, um wieder Strom zu erzeugen. Von der ursprünglichen Strommenge blieben damit nicht einmal vierzig Prozent über. Aber auch dann, wenn die Windparks keine Energie lieferten, musste die Stromversorgung gesichert werden.
Ahmed kannte sich mit solchen Anlagen nicht gut aus. Der Plan stammte auch nicht von