Название | Die Brücke zur Sonne |
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Автор произведения | Regan Holdridge |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783754170441 |
„So einen ausgeschämten, überheblichen und voreingenommenen Waschlappen wie dich…“
Mit aller Gewalt versuchte Patty, sich aus dem Griff zu befreien, doch es gelang ihr nicht. Unbeherrscht holte sie aus – eine schmerzhafte Ohrfeige traf die linke Wange der Rancherstochter. So schnell sie konnte, sprang Patty vom Sulky, um weiteren Angriffen zu entgehen, doch der Sand war weich und rutschig und ihre Ballerinas nicht für solchen Boden geeignet – sie verlor das Gleichgewicht und im nächsten Moment spürte sie schon, wie Amy ihren rechten Arm von hinten zu packen versuchte.
„Noch nie ist mir jemand begegnet, der so gemein sein kann, wie du!“, schrie das amerikanische Mädchen ihr unbeherrscht ins Ohr. Sie besaß mehr Kraft, als Patty ihrer kleinen, rundlichen Figur zugetraut hatte und nur durch einen harten Tritt in die Kniekehlen gelang es ihr, sie abzuschütteln.
„Wenigstens darf ich mir etwas darauf einbilden!“ Patty wollte über das andere Mädchen hinwegsteigen, doch da hatte sie Amy unterschätzt: Gerade noch fühlte sie die harten Stiefel schmerzhaft gegen ihr rechtes Schienbein donnern, ehe sie der Länge nach in den regendurchnässten Sand fiel. Ihr neues Kleid! Alles war schmutzig!
„Du glaubst wohl, dass ich bei euren primitiven Problemregelungen nicht mithalten kann?“, kreischte sie.
„Das kannst du auch nicht!“ Jetzt war Amy es, die nicht mit Patty gerechnet hatte.
Das vierzehnjährige Mädchen packte sie an den Schultern und drückte sie mit aller Kraft zu Boden, doch die Rancherstochter war stärker. Unter Jeans fassungslosem Blick, die mittlerweile ebenfalls von der Kutsche gestiegen war und das Schauspiel entgeistert verfolgte, wälzten sich die beiden Mädchen auf der Erde. Keine wollte aufgeben und jede ließ ihren Zorn an der anderen aus, aber allmählich ließen Pattys Kräfte nach und sie konnte die heftigen, hasserfüllten Schläge kaum noch abwehren. Sie musste von hier fort!
„Na, warte!“, stieß sie unbeherrscht hervor und schlug mit letzter Kraft ihre Faust gegen Amys Stirn. Mit einem Aufschrei rutschte das andere Mädchen beiseite und gab Patty für eine Sekunde frei. Die genügte ihr. Eilig sprang sie auf, taumelte ein paar Schritte vorwärts, um dann so gut es ihr auf dem nassen Boden möglich war, davonzurennen. Sie wagte einen kurzen Blick über die Schulter zurück, der sie dazu veranlasste, das letzte aus sich herauszuholen.
Mühsam und ein wenig benommen erhob sich Amy vom Erdboden und Patty lief, so schnell sie es nur vermochte. Sie hörte eine heisere, schluchzende Stimme hinter sich her brüllen: „Wir beide sind noch nicht fertig, darauf kannst du dich verlassen!“
Im Laufen wandte Patty sich kurz um und schrie zurück: „Ja, erzähl’ nur alles deinem Daddy! Der wird dir dann schon helfen!“
Sie rannte weiter, so schnell sie in ihren Ballerinas konnte und verschwand hinter dem nächsten Strauch und dem darauffolgenden Hügel.
Noch immer wie gelähmt, verharrte Jean neben der Kutsche. Sie konnte nicht glauben, was soeben geschehen war. Was war nur in ihre kleine Schwester gefahren?! Die Tracht Prügel hatte sie sich wahrlich verdient.
Amy trottete mit hängendem Kopf, über und über mit nassem Sand bedeckt zu ihr hinüber. Sie bedachte Jean keines Blickes, sondern ging zu dem Pferd vor dem Sulky, um es an der Stirn zu streicheln.
„Es…es tut mir so leid“, stammelte Jean und fühlte, wie sie rot anlief. Wie sehr schämte sie sich für das Verhalten ihrer Schwester und es gab doch keine passenden Worte, die ihr einfielen und die ein solches Benehmen irgendwie gerechtfertigt hätten. Es war nicht zu entschuldigen und das wussten sie beide in diesem Moment.
„Schon gut“, erwiderte das amerikanische Mädchen leise und nickte ihr zu. „Komm, ich bringe dich nach Hause.“
Das Arbeitszimmer des Ranchbesitzers lag nach Westen, was bedeutete, dass er seine Tochter, die hastig den Sulky verräumte und das Pferd zu den anderen auf die Koppel brachte, nicht entdecken konnte, solange er an seinem Schreibtisch gegenüber der Fensterfront saß. Sollte er allerdings etwas aus einem der Bücherregale benötigen, hatte er durch die beiden Fenster, die zum Hof hin zeigten, einen weiten Überblick.
All das schoss Amy nun durch den Kopf, während sie auf Zehenspitzen die beiden schmalen Stufen zum Vorbau hinauf schlich. Sie kannte die Holzbohlen seit ihrer Kindheit auswendig, die unter ihrem Gewicht knarrten. Zwei große Schritte und die Haustüre war erreicht. Ganz behutsam drehte sie den Knauf herum und schob die schwere Eichentüre gerade soweit auf, dass sie hineinschlüpfen konnte. Drinnen war alles still. Ihre Haushälterin hatte heute frei und ihr Vater arbeitete konzentriert an seiner Monatsabrechnung. Die Tür zu seinem Arbeitszimmer stand offen und jetzt konnte Amy ihn zwischen Papier und Ordnern rumoren hören.
Auf einmal rollte der Schreibtischstuhl scheppernd zurück und laute Schritte näherten sich dem Aktenschrank. Entsetzt ließ das Mädchen die Tür ins Schloss fallen, ungeachtet des erzeugenden Knalls und stürzte zur Treppe. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend raste sie zur Hälfte hinauf, bis von unten ein Aufschrei ertönte: „Amy! Du bist ja schon zurück! Wo willst du denn hin?!“
Verwundert stand Ben Arkin im Türrahmen seines Arbeitszimmers, die Hände in den Hosentaschen vergraben, wie meistens, wenn er sie gerade nicht benötigte. Seine Augen weiteten sich – das war tatsächlich seine Tochter, die dort, über und über verdreckt, auf den Stufen stand und zu ihm hinabstarrte.
„Du hast mir nicht zufällig etwas zu berichten? Ich meine nur, es hat mir so den Anschein…“ Abwartend legte er den Kopf schief und bemühte sich dabei um eine möglichst strenge Miene.
Hin und her gerissen verharrte Amy noch eine Weile regungslos auf der Stelle. Egal, was sie tun würde, es war immer falsch. Langsam drehte sie sich vollends um und kam die Treppe wieder herab, den Kopf tief gesenkt.
„Wie siehst du denn aus? Ist der Wallach etwa mit euch durchgegangen?“
Bei dieser Vorstellung musste Amy schmunzeln: „Durchgehen? Der alte Woody?“ Sie traute sich nicht, ihrem Vater in die Augen zu sehen.
„Hmm.“ Ein wenig besorgt fasste Ben das Kinn seiner Tochter und zwang sie, den Kopf zu heben. „Du siehst ja schlimmer aus, wie einer der Männer nach einer Prügelei!“
Amy hatte noch keine Gelegenheit gehabt, die blauen Flecken, das geschwollene linke Auge und den breiten, blutverschmierten Kratzer quer über ihrer rechten Wange im Spiegel zu bewundern. Sie schämte sich furchtbar für das, was passiert war und sie wusste, dass ihr Vater ihr Verhalten niemals tolerieren würde, wo er doch immer so stolz auf seine brave, wohlerzogene Tochter war. Sie konnte sich selbst nicht erklären, wie das Ganze überhaupt erst hatte derart ausufern können.
„Wir…“ Sie stockte und schluckte. „Na ja, wir hatten nur ein paar kleine Meinungsverschiedenheiten.“
„Wer? Etwa du und die Van-Haren-Mädchen?“
Verzweifelt warf Amy den Kopf zurück. „Nur mit der einen, Patty! Du kannst dir ja überhaupt nicht vorstellen, wie sie in Wahrheit ist!“ Tränen brannten in ihren Augen. „Sie ist eine Hexe! Ein Biest!“
Sprachlos starrte Ben seine Tochter mit offenem Mund eine lange Minute an. „War das denn wirklich nötig?“
Eine Träne kullerte Amy über die Wange. „Ich hasse dieses Miststück! Ich hasse sie! Und ich will sie nie wiedersehen! Einer der Männer kann ihr das Land zeigen! Vielleicht ärgern die sich lieber mit ihr herum oder sie versohlen ihr gleich den Hintern!“
„Na, na!“ Besänftigend wollte Ben sie in den Arm nehmen. „Sie braucht vermutlich nur etwas Zeit, um sich einzugewöhnen.“
Verletzt über sein Unverständnis stieß Amy ihn zurück und warf sich auf dem Absatz herum.
„Ach was! Das einzige, was sie braucht, ist eine ordentliche Tracht Prügel!“ Sie stürmte die Treppe hinauf in ihr Zimmer und knallte die Tür mit einem Schlag, der das ganze Haus erzittern ließ, hinter sich zu.
Ben blickte ihr kopfschüttelnd nach. So ganz konnte er das Geschehene noch immer