Sie träumte von Liebe. Christina Bartel

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Название Sie träumte von Liebe
Автор произведения Christina Bartel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742750358



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würde seine Frage verneinen.

      Joan aber nickte. „Ich möchte nach dem Mädchen sehen.“

      Brian schüttelte den Kopf und sah zu Rachel. „Nach dem gestrigen Tag, kennst du meine Meinung. Fährst du dennoch?“

      „Ich muss, Brian... Bitte versteh’ das.“

      „Tut mir leid, aber das kann ich nicht“, sagte er verdrossen, schob mit einem lauten Knarren seinen Stuhl zurück und eilte aus der Küche.

      „Briiaan!“, rief Rachel ihm nach. Da hörten sie, wie die Eingangstür ins Schloss fiel.

      „Was hat er denn?“, fragte Joan und begann den Tisch abzuräumen.

      „Er ist um uns besorgt.“

      Joan lächelte. „Brian macht sich immer um uns Sorgen.“

      Als sie eineinhalb Stunden darauf im Kloster eintrafen, wurden sie bereits von Schwester Evelyn erwartet. Lächelnd kam sie von den Pferdeställen zu ihnen herübergelaufen.

      „Laila und Celia werden morgen von ihrer Großmutter abgeholt. Sie hat die Verantwortung für beide übertragen bekommen“, teilte sie ihnen erfreut mit.

      Joan lächelte. „Endlich eine gute Nachricht“, sagte sie, obwohl sie die Mädchen vermissen würde. In den vergangenen Monaten waren sie Freundinnen geworden. „Und was ist mit ihrem Vater? Ist er im Gefängnis?“, fragte sie hoffnungsvoll.

      „Er hatte einen Unfall“, sagte Schwester Evelyn leise. „Er war auf dem Weg zu uns, als er betrunken von der Strasse abkam und gegen einen Baum fuhr. Man konnte ihm nicht mehr helfen.“ Die Schwester senkte den Blick und gedachte dem Mann. Für Joan und Rachel war er ein Schwein, das nicht annähernd seine gerechte Strafe bekommen hatte.

      Am nächsten Tag fuhren Joan und Rachel eher als üblich ins Kloster. Joan wollte die Stunden vor der Abreise der Mädchen mit ihnen verbringen. Laila und Celia waren aufgeregt, da sie ihre Großmutter vor Jahren zuletzt gesehen hatten und sie kaum kannten. Als schließlich das kleine, blaue Auto vorfuhr, fielen die Mädchen in Joans Arme. Tränen liefen über ihre Wangen, während sie einander ein letztes Mal fest drückten.

      „Es wird euch an nichts fehlen“, flüsterte Joan.

      „Du wirst uns fehlen“, sagte Laila mit Tränen in den Augen.

      „Ihr werdet mir auch fehlen.“ Abermals zog Joan sie in ihre Arme und beobachtete Minuten darauf, wie die beiden in das Auto ihrer Großmutter stiegen. Vom Tor aus winkten die Nonnen sowie Rachel und Joan ihnen nach. „Sie werden bei ihr ein besseres Leben haben“, sagte Joan leise.

      An den darauffolgenden sieben Tagen kümmerte Joan sich ausschließlich um das verwundete Mädchen, das die meiste Zeit über schlief. Täglich wechselte sie den Verband und als sich der Arzt die Wunde erneut ansah, schien er zufrieden zu sein. Er hatte einen Großteil des Gewebes entfernen müssen, sodass die Brust nun sehr viel kleiner als die andere war, doch ihm genügte, dass das Mädchen überhaupt noch lebte.

      Einige Tage darauf hatte sie sich von dem Blutverlust weitgehend erholt und sah sich in Joans Beisein zum ersten Mal nackt im Spiegel an. Tränen rannten aus ihren Augen, als sie ihren Oberkörper schnell wieder bedeckte. In ihrer Verzweiflung zerschlug sie bei der nächsten Gelegenheit den Spiegel in ihrem Zimmer und schnitt sich die Pulsadern an den Handgelenken auf. Joan fand sie in ihrem Bett, die Arme voller Blut... Es war bereits zu spät. Der letzte Hauch Leben hatte diesen misshandelten Körper verlassen.

      Der Schock über den Selbstmord saß bei allen tief. Die Kinder lachten noch weniger als sonst, sprachen nur wenig miteinander und unterließen das Spielen tagelang ganz. Alle dachten an das Mädchen, das als erste hinter den Stallungen beerdigt wurde.

      Der unerwartete Tod des Mädchens traf Joan so schwer, dass sie Rachel zwei Tage darauf mitteilte, sie nun nicht mehr ins Kloster zu begleiten. Sie hatte sich überwiegend allein um das Mädchen gekümmert, lange Gespräche mit ihr geführt und von ihr erfahren, was an jenem Tag geschehen war. Zu niemandem verlor Joan darüber ein Wort. Allein dem Mädchen bei ihren Erzählungen zuzuhören, hatte sie viel Überwindung gekostet. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie sie derartige Qualen so lange überlebt hatte.

      Die Misshandlungen wurden tagtäglich schlimmer und Joan konnte dies nicht länger ertragen. Das schreckliche Leid der Mädchen und Jungen erdrückte sie, schnürte ihr die Kehle zu... nahm ihr den Atem...

      Der Dezember verging und während Joan die Weihnachtsfeiertage in Gesellschaft von Brian und Rachel auf einigen Partys verbrachte, vermisste sie Steves aufheiternde Art mehr denn je. Oftmals war es nur ihm gelungen, dass sie solch langweilige Veranstaltungen einigermaßen amüsant überstanden hatte.

      „Darf ich Sie um den nächsten Tanz bitten?“, fragte nach einer Weile, in der sie allein an der Bar gestanden hatte, plötzlich eine ihr bekannte Männerstimme hinter ihr.

      Mit einem Lächeln im Gesicht wandte Joan sich zu Paolo Bandero um. „Diesmal sind Sie also ehrlich und fragen mich gleich.“

      „Nachdem ich beobachten konnte, wie Sie zahlreiche Männer abgewiesen haben, wollte ich eigentlich gehen.“

      „Und was hat Sie veranlasst, dennoch zu mir herüber zu kommen?“

      „Sie“, sagte er sanft. Ihre Blicke begegneten sich. „Sie sahen einsam aus.“

      Das stimmte vermutlich sogar, dachte Joan, wandte den Blick von ihm ab und nippte an ihrem Champagnerglas. „Sie haben mich also beobachtet...“

      „Vielmehr Ihr bezauberndes Kleid, Mrs. ... Oh, ich kenne Ihren Namen noch gar nicht.“ Sein Lächeln war umwerfend.

      „Joan Farley“, stellte sie sich vor und reichte ihm die Hand.

      Die Überraschung über ihren Namen stand Paolo ins Gesicht geschrieben, als er ihre Hand nahm und ihre Finger küsste. „Sie müssen verzeihen, dass ich Sie nicht sofort erkannt habe, Mrs. Farley.“

      „Joan - wenn es Ihnen recht ist. Im Übrigen bin ich sehr froh, dass man mich nicht überall erkennt.“

      Er nickte verständnisvoll, aber Joan glaubte nicht, dass er eine Ahnung davon hatte, was sie meinte. „Es freut mich, Sie wiederzusehen, Joan. Ich bin Paolo Bandero.“

      „Ich weiß. Man hat es mir zugetragen“, sagte sie lächelnd. „Möchten Sie jetzt vielleicht tanzen?“

      „Einer Aufforderung von Ihnen sollte man ohne zu zögern nachkommen, sonst bietet einem vielleicht nie wieder diese Gelegenheit.“

      „So schrecklich bin ich gar nicht“, sagte Joan beiläufig, als sie zu den anderen tanzenden Paaren hinübergingen.

      „Dann täuscht mich mein Eindruck von Ihnen nicht. Obwohl, ich bin der Ansicht, dass nur die besten Freunde einen Menschen wirklich beurteilen können“, sagte er und legte seine Hand knapp oberhalb ihres Po’s.

      „Und dazu zählen Sie sich?“

      „Das wäre eine Anmaßung!“ Er drehte sie herum. „Aber ich würde mich sehr freuen, wenn wir uns besser kennen lernen würden, Joan.“

      Im Laufe der nächsten Monate trafen Joan und Paolo sich mehrmals wöchentlich zum Lunch und verbrachten immer häufiger den Nachmittag miteinander. In kürzester Zeit wurden sie gute Freunde, die einander sehr ähnlich waren. Paolo zeigte Joan alle interessanten Sehenswürdigkeiten von Mailand, schleppte sie zum Schoppen ins goldene Dreieck zu Versace, Krizia oder Valentino und schenkte ihr eine wunderschöne Muschelkette aus einem Geschäft im Navigli-Viertel. Nachdem er seine Touristenführung beendet hatte, führte er sie schließlich in seine Welt ein. Er stellte sie seinen zahlreichen Freunden vor und ging mit Joan am Abend auf deren Partys.

      Eines Abends im März folgte Paolo ihrer Einladung und kam zu ihnen nach Hause zum Essen, zu dem die drei ihn eingeladen hatten. Es wurde Zeit, dass sie sich besser kennen lernten, hatte Brian gesagt, und führte ein langes, aufschlussreiches Gespräch mit Paolo. Nachdem Mr. Bandero ihm einige Entwürfe seines Sohnes gezeigt hatte, erfuhr