Sie träumte von Liebe. Christina Bartel

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Название Sie träumte von Liebe
Автор произведения Christina Bartel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742750358



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Joan den Kopf zu ihm herum. „Bandero? Ist er…“

      „Der Sohn von Mr. Bandero“, führte Matthew ihren Gedanken zu Ende.

      „Ich hatte keine Ahnung, wer er ist. Er hat sich mir nicht vorgestellt.“

      Matthew zog die Brauen hoch. „Worüber habt ihr euch denn solange unterhalten?“

      „Dad! Du sollst mich nicht immer beobachten!“, mahnte sie ihren Vater in gespielter Entrüstung.

      „Du bist mein kleines Mädchen, ich werde immer ein Auge auf dich haben“, sagte er schmunzelnd, worauf sie stöhnte.

      „Das sind ja schöne Aussichten.“

      Matthew lächelte und nahm ihre Hand zwischen die seinen. „Wenn ich mich recht erinnere, sind es nur noch wenige Wochen, bis mein kleines Mädchen Geburtstag hat. Hast du etwas Besonderes geplant?“

      Sie schüttelte den Kopf und richtete ihren Blick aus dem Seitenfenster hinaus. „Nicht dieses Jahr...“

      Verständnisvoll nickte Matthew und sprach ihren Geburtstag in den nächsten drei Tagen nicht mehr an. Nach einem gemeinsamen Abendessen im La Scaletta verabschiedete Joan sich im Auto mit einer festen Umarmung von ihrem Vater, da dieser am darauffolgenden Morgen zurück nach New York fliegen würde.

      Doch in den gemeinsamen drei Tagen mit ihrem Vater war sie häufiger vor der Tür gewesen, als in den Wochen seit ihrer Ankunft. Sie hatte Blut geleckt und wollte mehr von Mailand sehen. Sie wollte diese fremde Stadt kennen lernen. Brian war jedoch in seiner Arbeit so eingespannt, dass er nur wenig Zeit für seine Schwester und Rachel übrig hatte. So erkundeten Joan und Rachel die Stadt allein. Sie besichtigten den Mailänder Dom, sahen den älteren Italienern zu, wie sie auf den Bänken sitzend die Tauben auf dem Domplatz fütterten, und besuchten die Pinacoteca Ambrosiana, die eine beachtliche Gemäldesammlung bereithielt. Sie bummelten durch die Galleria Vittorio Emanuelle II, dem beliebtesten Treffpunkt der Mailänder, und aßen dort in einem der Restaurants zu Mittag. An den Abenden, an denen Brian geschäftliche Treffen wahrnehmen musste, zogen sie los, um im Navigli-Viertel das rege Nachtleben in den zahlreichen Musikkneipen kennen zu lernen. Das Viertel strahlte mit seinen engen Gassen einen Hauch Venedigs aus. Tagsüber schlenderten sie die engen Strassen entlang und überquerten die Brücken, die über die beiden Kanäle Naviglio Grande und Naviglio Pavese führten, um an weiteren kleinen Geschäften, Restaurants und Cafe’s vorbeizukommen. Immer wieder blieben sie stehen, betraten die Geschäfte und plauderten mit den Italienern.

      Zu Joans Geburtstag führte Brian seine beiden Frauen ins Al Porto in der Piazza Generale Cantore aus. Anschließend gingen sie ins Plastic tanzen und ließen den Abend mit einem Glas Wein am Kamin ausklingen.

      „Jetzt wo du Zweiundzwanzig bist, stelle ich dir eine sehr wichtige Frage“, sagte Brian mit ernstem Gesichtsausdruck. „Wie stellst du dir dein weiteres Leben vor?“

      Joan lachte auf. „Das haben wir uns als Kinder jedes Jahr zum Geburtstag gefragt...“

      „Du erinnerst dich?“, fragte er lächelnd.

      „Wie könnte ich das vergessen? Dein größter Wunsch mit etwa zwölf war, ein wildechter Cowboy mit eigener Ranch zu sein.“

      Sie hielt sich beschämt die Hand vor die Augen. „Erinnere mich nicht daran!“

      Rachel lachte und lauschte den minutenlangen Erzählungen der beiden, als sie einander die Kindheitsträume des jeweils anderen in Erinnerung zurückriefen. Sie lachten und alberten herum, bis ihnen die Bäuche wehtaten.

      „Du willst also von meinen Träumen erfahren?“, sagte Joan schließlich wieder ernster.

      „Wir stehen mit beiden Beinen zu sehr in der Realität, um noch an die Verwirklichung unserer Träume zu glauben“, wandte Brian ein.

      „Erst mit dem Tod eines Menschen, sterben auch dessen Träume.“

      „Damit magst du Recht haben.“ Er lächelte. „Okay, dann erzähle mir von deinen Träumen, Schwesterchen. Sag mir, wie du dir das nächste Jahr vorstellst.“

      „Ich wünschte, ich wäre glücklich“, sagte sie leise und sah ihn an. „Ich möchte mein Leben wieder genießen... lachen... und es nicht mit Problemen verkomplizieren. Und irgendwann lerne ich vielleicht auch einen netten Mann kennen, der Steves Stelle ersetzt.“ Tränen schimmerten in ihren Augen.

      „Es wird niemals jemand kommen, der Steve ersetzt“, sagte Brian mitfühlend. „Aber du wirst mit Sicherheit wieder jemanden kennen lernen, der dich so liebt, wie Steve es getan hat.“

      Unter Tränen nickte Joan ihm zu. Nur einmal in ihrem Leben wollte sie glücklich sein, mehr verlangte sie nicht. Sie hatte geglaubt mit Steve ihr Glück gefunden zu haben, aber es sollte nicht lange halten. Und wenn sie nun ehrlich zu sich war, dann musste sie sich eingestehen, dass Steve und sie in der kurzen Zeit ihrer Beziehung viele Schwierigkeiten hatten bewältigen müssen. Es war ein ständiges Auf und Ab gewesen, da sie sich selbst durch den Beschlag der Medien in ihrer Welt eingeengt gefühlt hatte. Steve, der nie viel von den Medien gehalten hatte, war nur einmal mit ihr nach New York gereist, um ihre Eltern zu besuchen. Vier Tage lang hatte er die ständige Beobachtung der Fotografen ertragen, ohne sich bei ihr zu beschweren, doch dann erschien ein Artikel über seine Vergangenheit, sein bisher langweiliges Leben, in der Zeitung und sie waren noch am selben Tag nach Los Angeles zurückgeflogen. Danach hatte er sie kein einziges Mal mehr nach New York begleitet.

      Schaute Joan nun aber in die Zukunft, dann wollte sie mit einem Mann ihr Glück finden, ohne das sie stets um ihre Liebe kämpfen musste. Das war ihr größter Wunsch - ihr Traum.

      Nach wochenlangen Versuchen gelang es Rachel im August endlich, Kontakt zu der Oberen eines Klosters aufzunehmen, das sich eine Autostunde außerhalb von Mailand befand. Seit Jahren war das Kloster, das sich um misshandelte Kinder kümmerte, in Los Angeles allen bekannt, doch niemand hatte es bisher besucht.

      Mit ihrer Kamera ausgerüstet, begleitete Joan Rachel erstmals bei einer ihrer Touren und hielt sich während der Fahrt genau an den Zettel, auf dem der Weg zum Kloster von einer Nonne geschrieben worden war. Die Fahrt führte sie in eine einsame Gegend, in der marode Bauernhäuser und verlassene Höfe an die Anfänge von Mailand erinnerten. Inmitten dieser Ruhe fuhren sie die einzige Strasse entlang, die vermutlich einst die Verbindungsstrasse unter den einzelnen Gehöften gewesen war.

      Als sie nach einer Fahrt ins scheinbar Endlose bereits dachten, sich völlig verfahren zu haben, erblickten sie zwischen dichtbewachsenen Bäumen ein großes, altertümliches Kloster, das von einem hohen Zaun umgeben war.

      „Meinst du, wir sind hier richtig?“, fragte Joan ihre Freundin skeptisch und stieg aus dem Auto. Gefolgt von Rachel trat sie an das hohe Eisentor und spähte durch den rostigen Zaun hindurch.

      „Es würde zu der Beschreibung der Nonnen passen“, erklärte Rachel selbst verwundert, da das Grundstück nicht wie ein Zufluchtsort für misshandelte Kinder und Frauen aussah. Das graue Gemäuer schien heruntergekommen und seit Jahren nicht mehr betreten worden zu sein. Überall wucherten große Sträucher und Bäume ineinander, sodass der Blick auf das Haus fast unmöglich war.

      „Wir sollten umkehren und irgendjemanden nach dem richtigen Weg fragen“, sagte Joan und wandte sich zum Gehen um. Als sie nur noch wenige Schritte vom Auto entfernt war, rief Rachel sie leise beim Namen und Joan drehte sich zu ihrer Freundin um. Da sah auch Joan die Nonne hinter dem Zaun, die aus dem Nichts aufgetaucht war. In ihrer schwarzen Tracht kam sie langsam den schmalen Sandweg entlanggelaufen und blieb Rachel gegenüber auf der anderen Seite des Tores stehen.

      „Kann ich Ihnen helfen?“, fragte sie freundlich, doch das Tor blieb geschlossen.

      „Ich bin Rachel Maldione...“, stellte Rachel sich auf Italienisch vor und deutete lächelnd auf Joan, die inzwischen neben sie getreten war. „... und das ist Joan Farley.“

      „Ci. Bitte kommen Sie“, sagte die Nonne und öffnete mit einem alten Schlüsselbund das schwere Eisentor. Kaum das Joan und Rachel das