Leben verboten!. Maria Lazar

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Название Leben verboten!
Автор произведения Maria Lazar
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754174296



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Deshalb ist er auch so viel zu euch gekommen.

      Ruth empfand in sich eine graue, steinschwere Halle, die sich selbst erdrücken wollte und nur getragen wurde durch ihre entsetzliche, hohe Leere. Wo verschnörkelte Stühle an den Wänden standen, ganz vereinzelt und wo etwas von ihr war, ein Hauch, ehe sie selbst noch war, und wo er war, voll und ganz, nur daß man ihn nicht sehen konnte. Diese Halle, die sie aus den frühen, angstvollen Dämmerstunden kannte.

      – Wann ging er weg, fragte sie kurz. – Bald darauf. Er nahm ein Teil von der Erfindung deines Vaters und verwendete sie für seine Zwecke. Er hat viel damit erreicht. Aber natürlich wollte ihn dein Vater nicht mehr sehen. Er ist übrigens von selbst nicht gekommen und –

      – Schweig, unterbrach sie ihn. Sie fühlte sich umgeben von lauter schwarzen, weichen Bändern und Spagatschnüren, die alle ineinander übergingen. Fesseln, Fesseln.

      Und aus ungeheurer Tiefe heraus quillt dunkel empor eine formlose Masse. Die sie nicht modeln darf.

      Sie ist machtlos.

      – Ruth, bat Gustav erschrocken, wenn Mutter davon erfährt. Nein, das tust du mir nicht an. Nicht wahr, gewiß nicht. Überdies, das was du von verliebt sagst, ist natürlich dummes Zeug. Mutter war sehr gekränkt. Er war doch ein Freund von ihr. Auch von deinem Vater. Und er war jünger als sie. Und überhaupt, deine Mutter war nie verliebt, überhaupt nicht. Wie du nur so etwas sagen kannst. Du bist wirklich ein Fratz –

      – Und du ein Esel. – Glühende Zornestränen standen in ihren Augen.

      Sie trat an das Fenster. Unten wurden die ersten Gaslaternen angezündet. Sie stöhnte: was kann ich Mutter geben, was kann ich ihr schenken, alles schenken, meiner lieben, armen Mutter, Mutter, Mutter –

      Zum Abendessen kam Mutter mit verweinten Augen. Ruths Hände wurden eiskalt. Und eine harte Wut überkam sie. Sie haßte alle Weinenden. Nie konnte Mutter ihr das zeigen. Nein, pfui, das war eine Schande, nein.

      – Was hast du Mutter wieder geärgert, zankte Richard über den Tisch hinüber.

      – O nichts, erwiderte sie achselzuckend. Wenn Mama so empfindlich ist – ich kann nichts dafür.

      Sie ging in den nächsten Tagen, in den nächsten Monaten an ihrer Mutter vorbei, ohne sie zu sehen. Aber in den Nächten erlebte sie alle ihre Schmerzen hundertfach wieder. Sie vergaß die eigene Sehnsucht vor der Sehnsucht, an der Mutter litt, die eigenen Qualen vor Mutters Qualen und ihren großen Zorn vor Mutters unsäglichem Schmerz, der ja so nicht zum Ausdenken furchtbar sein mußte, weil er nicht wagte sich zu erkennen, sich einzugestehen, weil Mutter täglich über den Rechenbüchern saß und die Liebe zu ihren Kindern für ihren einzig würdigen Lebenstrieb erklärte. Und der doch so an der Oberfläche war, daß Mutter es sie sehen ließ, als sie weinte. Nein, deshalb mußte sie Mutter bei Tag ausweichen. Und wieder in die kleinen Vorstadtgärten fliehen.

      Zuhause aber wurde sie unerträglich.

      Als Mutter einmal einem Gast bei Tisch eine glänzende Schilderung Großvaters gab, der ein Kavalier war vom Scheitel bis zur Sohle, nur von Geld habe er freilich wenig verstanden, warf Ruth ein: – er muß ein roher, betrunkener Mensch gewesen sein. Daß er seine Bedienten geprügelt hat, finde ich ekelhaft und ich ärgere mich noch heute darüber, daß er das ganze Vermögen verspielt hat. Es ist doch gräßlich unintelligent, wenn einem fremde Pferde mehr wert sind als die eigenen Kinder.

      Und Ruth sagte, wenn Mutter Hexenglauben und Wahrsagerwesen als Schwindel und Unsinn verdammte: – Ich glaube bestimmt an alles Übernatürliche – obwohl sie überhaupt nichts glaubte und ihr Leben nahm, wie der Tag es hinstreute, mit einem Grauen, das zu tief war, um über sich selber nachzudenken.

      Und Ruth sagte: – Ich gehe in die Kirche, nicht weil ich muß, sondern damit die Leute sehen, daß wir auch Christen sind. – Dabei ging sie überhaupt nie zur Kirche.

      In diesen Tagen konnte sie nichts essen als altes Brot und harte, unzerbeißbare Dinge, an denen sie sich die Kiefer wund riß. Ein fortwährendes Übelsein drückte ihr den Magen leer. Und die große Bosheit, die in ihr war, würgte die Kehle, zerfraß die Haut und zehrte an den braunen Kinderhänden.

      Sie wußte nicht, ob diese Bosheit etwas ihr eigenes war. Oder ob sie sie mitgebracht hatte aus dem Zimmer mit der braunen Holztür. Oder ob es die Bosheit des Schicksals war, das sie zwang, Sprachrohr zu sein für ein unterdrücktes Leben, unterdrückte Sehnsucht und unterdrückte Kraft. Nur Sprachrohr oder war noch etwas in ihr, das ihr die Augen offen hielt mit großen, weichen, weißen Händen. Daß sie nicht einmal blinzeln konnte und nur die heißen Tränen brennen fühlte.

      Sie ließ von dem müden Druck der Spätsommernächte den Kopf in ihr kleines Kissen pressen. Und sie bohrte das Gesicht hinein, um nicht denken zu müssen. Sie sehnte sich maßlos nach einer Bonne, die sie als dreijähriges Kind gepflegt hatte und täglich vor dem Einschlafen an ihrem Bett gesessen war. Wenn die wieder hier sein könnte, wäre alles besser. Sie wußte nicht mehr, wie das Mädchen ausgesehen hatte, aber sie erinnerte sich an eine kühle, behutsame Hand und weiße Mullgardinen vor dem Fenster.

      Wenn sie aber Mutters Stimme aus dem Nebenzimmer hörte, sagte sie halblaut in das heißgehauchte Kissen hinein: er ist ein Schuft – ich liebe ihn – er hat Vater bestohlen – ich liebe ihn – er hat uns gemordet – ich liebe ihn – er hat unsere Zimmer trüb und drückend gemacht und unser Leben mißtrauisch und eng – ich liebe ihn – er sucht das Böse, weil das Licht ihn verlassen hat – ich liebe ihn – ich habe ihn immer geliebt – ich liebe –

      So das Sprachrohr. Und unter dem Bett lag, staubdick geschichtet, wehrlose Wut.

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