Nephilynn. Vanessa Olschansky

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Название Nephilynn
Автор произведения Vanessa Olschansky
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754948033



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des Dämons wurde mir schwindelig. Solange ich nicht wieder bestraft und geschlagen wurde, nahm ich es einfach hin. Ich hörte eine große eiserne Tür, die kraftvoll aufgestoßen wurde. Unsanft schwang er mich zurück über seine Schulter und ließ mich auf dem Boden herab. Er ging zur Tür und schloss sie hinter sich. Der Raum war karg und leer, kein Licht brannte und nirgends war ein Fenster. Ein bisschen Licht durch die Fackeln draußen drang durch den Türspalt am Boden in mein eigenes kleines Gefängnis aus Stahl. Ich schloss die Augen und legte mich vorsichtig bäuchlings auf den kalten Betonboden. Ich versuchte mir, durch die Kälte des Bodens etwas Linderung zu verschaffen. Dicke Tränen liefen meine Wangen herab und ich weinte, wie ich es noch nie getan hatte. Vor der Tür hörte ich es rascheln und schaben, mir war bewusst, dass mein Verhalten diese abartigen Kreaturen anzog und jedes Einzelne von ihnen zu mir wollte.

      Weshalb sie nicht einfach durch den Spalt in der Tür kamen, war mir zu diesem Zeitpunkt nicht klar, aber es kümmerte mich auch nicht. Ich hatte Schmerzen und wollte sterben.

      Nie zuvor hatte ich diesen Drang danach, meinem Leben ein Ende zu setzen, ich wusste nicht, wie lange ich solche Folter ertragen konnte. Wie oft sollte ich das durchstehen, bis sie mir verrieten, welches Ziel mein Aufenthalt hier hatte? Was wollte Luzifer nur von mir? Ich war niemand besonderes, ich bin einfach nur ich, Emily.

      Plötzlich näherten sich schwere Schritte, die Stahltür öffnete sich schwungvoll und ich hob mein weinerliches Gesicht. Die Tür schloss sich und Kieran stand mitten im Raum, ich hatte ihn nur kurz gesehen, als er die Tür geöffnet hatte und das Licht der Fackeln den Raum erhellt hatten. Doch ich würde überall seine unverwechselbare Figur wieder erkennen. Ich senkte meinen Kopf erneut.

      »Lass mich in Ruhe!«, bat ich, aber er kam unbeirrt auf mich zu und hob mich mit seinen starken Armen behutsam hoch. Er legte mich bäuchlings auf ein Bett, das mir in dem lichtleeren Raum vorher nicht aufgefallen war. Ich spürte seinen Atem auf meinem Gesicht. Er flüsterte:

      »Du darfst nicht aufgeben, Emily. Sie wollen dich brechen, du musst stark sein.« Ich verstand nicht, wieso er mir diese tröstenden Worte zusprach, sollten sie mir Mut machen oder gehörten sie zur Folter? Er wischte mir die Tränen weg, die langsam versiegten und dann glitt er mit seiner Hand über meinen Rücken, die Wunden verschlossen sich und die Schmerzen verschwanden. Ich hörte ein Rascheln und war überrascht, als ich das grüne Leuchten meines Steins in seiner Hand sah, die er geöffnet vor mich hielt. Ohne Schmerzen und geheilt setzte ich mich aufrecht hin und betrachtete den Stein in seiner Hand.

      »Du bist anders als die anderen«, stellte ich nüchtern fest. Ich konnte ihm vertrauen.

      Durch das grüne Licht des Steins konnte ich sein zaghaftes Nicken wahrnehmen. Er legte mir den Stein in meine Hand. Ich wunderte mich sehr, wie es möglich war, dass ein Dämon heilen konnte. Trotz meiner tausend Fragen hakte ich nicht weiter nach. Ich lächelte etwas, denn zum ersten Mal seitdem ich hier war hatte ich keine Angst. Er blieb noch einen Moment und wir sahen uns einfach an. Er gab mir für einen kurzen Augenblick, das Gefühl von Sicherheit und ich wünschte, er würde mich hier unten nicht alleine lassen. Er brummte leise und ich wusste, dass es wegen meiner Gedanken war. Dann stand er auf.

      »Bitte bleib!«, flehte ich, denn seine Gesellschaft war mir so viel lieber als die Einsamkeit. Alleine war ich der Ungewissheit ausgeliefert, was als nächstes mit mir passieren würde. Sein Mundwinkel zuckte und ich bildete mir ein, ein kleines Lächeln auf seinen Lippen gesehen zu haben. Aber er ging ohne ein weiteres Wort und die schwere Tür fiel hinter ihm, mit einem lauten Knall, zurück ins Schloss. Ich fing erneut an zu schluchzen und betete zu Gott, dass das alles hier ein schnelles Ende finden würde.

       Mittlerweile hatte ich jegliches Zeitgefühl verloren. Ich wusste nicht, welcher Tag es war oder wie viel Uhr, geschweige denn, ob Tag oder Nacht. Ich nahm mir vor, wachsam zu sein, denn ich wollte mitbekommen, wenn sie mich an einen anderen Ort brachten. So entwickelte ich eine Art Selbstdisziplin und dachte über mein Leben nach, an die Dinge, die ich gerne anders gemacht hätte, und wo ich wohl wäre, wenn ich auf die Warnungen gehört und mich nicht auf Damian eingelassen hätte. Aber wie hätte ich ahnen können, dass sie Recht behielten, dass der nette Damian, den ich nur zu sehen bekam, ein Mittel zum Zweck war? Damals wollte ich ihm eine Chance geben und mir mein eigenes Bild machen. Seit kurzem wusste ich, dass al die Warnungen berechtigt waren. Mir war bewusst, dass jeder hier meine Gedanken lesen konnte und ich höllisch aufpassen musste, aber ich hatte ja keine andere Wahl, alles was mir übriggeblieben war, waren meine Gedanken. Sie waren der Schlüssel zu meiner Seele und ermöglichten mir, ich selbst zu bleiben. Jedes Mal, wenn sie mich wieder schlugen und auspeitschten, dachte ich an meine Mutter, an ihr herzerweichendes Lächeln und ihre wunderschöne Stimme, mit der sie es immer wieder schaffte, mich zum Träumen zu bringen. Ich dachte an meinen Vater, der sein letztes Hemd für mich und Sarah gegeben hätte, damit wir glücklich sind und natürlich dachte ich auch an meine Schwester, den gütigsten Menschen, den ich kannte, die so anders war als ich. Sie ist klug und nicht so naiv, niemals hätte sie sich in den Sohn des Teufels verliebt und niemals hätte sie mich alleine gelassen, im Gegensatz zu mir. Ich war egoistisch und dumm gewesen. Vermutlich hasste sie mich und ich konnte es ihr nicht einmal verübeln, sie war alles, was ich noch hatte von meinem Leben als Mensch, bevor wir alle gestorben sind und wir unsere Eltern nie wieder gesehen haben.

       Plötzlich wurde ich aus meinen Gedanken gerissen, ich kannte dieses schabende Geräusch, welches mich zurück in die Realität holte, sie waren unterwegs, um mich zu holen. Mit einem schweren Knarren öffnete sich die schwere Tür und die Morlocks schleiften mich wortlos und monotonen Schrittes aus meiner Zelle. Normalerweise schrie und weinte ich immer bitterlich bei dieser Prozedur, aber ich hatte das Gefühl leer geweint zu sein und fühlte mich kraftlos.

      Einmal am Tag bekam ich etwas zu essen, gerade so viel, dass ich am Leben blieb, um die Folter, die sie mir antaten, durchzustehen, aber auch nicht genug, um bei vollen Kräften zu sein. Immer wieder wurde ich ohnmächtig und ich fragte mich, wie lange ich diese Folter noch durchstehen würde. Anders als erwartet, brachten sie mich nicht in einen der vielen verwinkelten kargen Räume, die nur so nach Tod rochen, sie schleiften mich zu Luzifer. Ich war lange nicht bei ihm gewesen und fürchtete seinen Anblick, bisher hatte ich noch keinen Schimmer, was überhaupt der Grund war, weswegen ich hier unten bei ihnen war. Vor der Tür standen Kieran und Raziel, wenigstens zwei bekannte Gesichter, auch wenn es mir dadurch nicht leichter fiel. Ich konnte förmlich spüren, wie sie mich angafften, an mir war kein Gramm Fett mehr, ich bestand nur noch aus Haut und Knochen. Meine Beine waren zu schwach, um mich überhaupt noch zu tragen und meine Hüftknochen ragten so spitz hervor, dass sie schon beinahe jemanden aufspießen konnten. Sie zerrten mich in diesen bekannten prunkvollen Raum, den ich schon kannte und ließen mich achtlos auf dem Boden zusammensacken.

      Kieran und Raziel blieben regungslos vor der Türe stehen und ich riskierte einen unauffälligen Blick zu ihnen. Wenn man hier in der Welt der Untoten und der in Ungnade gefallenen Seelen so etwas wie Vertrauen aufbauen konnte, dann galt dies wohl am ehesten Kieran. Ich versuchte, mich aufzuraffen, mein Stolz war zu erhaben, um vor Luzifer wie ein Stück verletztes Vieh auf dem Boden zu liegen. Doch so sehr ich es versuchte, meine knochigen Arme trugen mich nicht und ich brach zusammen. Nicht einmal Verzweiflung machte sich in mir breit, ich war einfach nicht fähig, irgendetwas zu spüren. Die ständig wiederkehrende Folter, die mich das Fürchten gelehrt und meinen Körper geschunden hatte, hatte mich auch stark gegen äußere Einflüsse gemacht.

      Mit einem Mal roch es fürchterlich streng nach Schwefel und ich musste würgen, am liebsten hätte ich direkt vor mich auf den Boden gekotzt. Dieser Gestank nach faulen Eiern brachte mich zum Würgen und ich musste mich vollends darauf konzentrieren, nicht zu brechen.

      Dann standen sie vor mir, seine Füße, eingepackt in edle Lederschuhe. Mehr konnte ich in meiner gebückten Haltung zunächst nicht von ihm wahrnehmen, aber der Gestank ging eindeutig von ihm aus. Ich konnte mir nicht erklären, wieso ich es jetzt roch und nicht schon beim ersten Mal, als ich ihm genau hier begegnet war. Mühsam hob ich meinen Kopf und folgte seinen in Nadelstreifen gepackten Beinen bis zu seiner Hüfte, dann verließen mich die Kräfte erneut und ich konnte ihm nicht in die Augen sehen, wobei das doch genau mein Ziel gewesen war. Ich wollte verdammt nochmal nicht hier liegen und ihm wehrlos unterlegen sein. Mit einem