RETROGRAD. Paul Datura

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Название RETROGRAD
Автор произведения Paul Datura
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742754875



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Laune stieg weiter. Also doch der Held heute. Er winkte Christoph zu: »Bin gleich wieder da!« Christoph machte irgendeine bedeutungsvolle Grimasse und nickte. Gerade kamen einige neue Gäste rein. Der Laden füllte sich so langsam.

      Bea und P. verließen die Bar und gingen die stille Straße in Richtung dem dunklen, mit hohen dichten Bäumen bestandenen Parkplatz. Der Parkplatz war durch zwei hohe und starke Straßenlaternen beleuchtet. Allerdings schafften die Laternen es nur zwei Bereiche im ansonsten recht düsteren Parkplatz richtig auszuleuchten.

      »Hast du eine Taschenlampe?«, fragte er Bea. ›Wie romantisch!‹, dachte er bei sich.

      »Weiß ich nicht«, sagte sie. »Wo steht denn dein Auto?«

      Er lief auf seinen Wagen zu. Ein orangener VW 1600. Guter Wagen eigentlich. Allerdings fanden die meisten das Ding ziemlich hässlich.

      »Oh«, sagte sie, »das ist dein Auto?«

      »Sag jetzt nichts«, lachte er. Inzwischen war seine Laune bestens. »Das ist mein Lieblingswagen und die Farbe finde ich auch spitze.« Sie musste jetzt auch lachen und das Eis war gebrochen.

      Ein Mann näherte sich ihnen aus dem Dunklen heraus. Er kam die Treppe von der höher liegenden Bundestrasse herunter gestolpert und rannte fast, während er sich dauernd umsah. Bei P. schaltete sich der Alarmmodus ein. Während Bea immer noch lachend zu ihm sah, lief der rothaarige Mann hektisch und leicht hinkend in den Rücken der Frau und warf sie um.

      » Hey, du Arschloch!«, entfuhr es P. und er griff sich die Jacke des Mannes und zog ihn von Bea weg. »Ist dir was passiert?«, fragte er Bea und half ihr wieder auf zu stehen.

      Atemlos schrie der Mann los. »Ich brauche Hilfe. Sie wollen mir wehtun. Bitte helfen sie mir! Schnell! Fahren wir weg. Bitte nehmen sie mich mit! Bea, du musst mir helfen!«

      Zwei Typen kamen schnell die Treppe runter. Sie liefen zielsicher auf den Mann zu.

      »Bitte helfen sie mir – oh, jetzt ist es zu spät!«

      Einer der Männer sah P. direkt in die Augen. »Hey, das geht dich nichts an. Hau ab und alles ist ok. Du hast kein Problem, wenn du jetzt gehst!«

      P. zog Bea zu sich. »Wir haben kein Problem mit euch. Was ist denn los?«

      In dem Moment schlug einer der Männer auf den Rotschopf ein. Ein klatschenden Geräusch, als die Faust das Gesicht traf. Der Mann ließ sich sofort fallen und krümmte sich zusammen, die Hände vor dem Gesicht. Jetzt traten die zwei Männer auf den Kopf des Mannes ein. Es klang wie auf dem Fußballfeld. Bea und P. schauten entsetzt zu.

      Der dritte Mann schrie noch mal in ihre Richtung: »Haut endlich ab, das ist nicht euer Ding!«

      P. hatte Erfahrung mit Schlägereien, wobei er so etwas gerne aus dem Weg ging. Allerdings drei auf einen und am Boden Liegende treten war auch ihm zu brutal. Er schätzte seine Chancen auf ein bis zwei Sekunden ein. Diese Typen waren eiskalte Schläger. Sie traten und schlugen auf ihr Opfer ein, ohne ein Anzeichen von Wut oder Erregung. Das war offensichtlich ein Job. Und sie waren sehr professionell in ihrem Job.

      Er nahm Bea an der Schulter und sie gingen in einem sehr schnellen, fast gelaufenen Tempo in Richtung Bundesstraße. Jetzt rollte ein dicker schwarzer Mercedes die Straße runter und fuhr schnell auf den Parkplatz. Mit aufgeblendetem Fernlicht raste der Wagen an P. und Bea vorbei. Ein Mann in Lederjacke saß am Steuer. Kurz vor den schlagenden und tretenden Männern hielt er an und ließ den Motor aufheulen. Die Männer hoben die Hände und traten zur Seite. Mit durchdrehenden Reifen beschleunigte der Mercedes und hielt auf den am Boden liegenden Mann zu. Dieser quälte sich hoch und versuchte wankend zu entkommen. Mit einem hässlichen Knacken verschwand das Opfer unter dem Wagen. Der Wagen zog eine blutige breite Spur hinter sich her und wendete am Ende des Parkplatzes. Das Licht des Wagens erlosch. Langsam rollte der Mercedes in Richtung der Beiden, die immer noch fassungslos auf das Geschehen starrten.

      Jetzt erst bemerkte P., dass die drei anderen Männer in ihre Richtung schauten. Einer der drei griff in seine Jacke und holte ein beängstigend großes Messer hervor. Dann begann er schnell in ihre Richtung zu gehen. Das Messer blinkte im Licht der Straßenlampen hell auf.

      ›Da hat er bestimmt ein wunderbares und gepflegtes Messer. Aber wahrscheinlich will er es mir nicht nur zeigen, sondern es an mir ausprobieren. Uns!‹, verbesserte er sich und schaute auf die vor Entsetzen ganz starr neben ihm stehende junge Frau. Ihr liefen die Tränen an den Wangen herunter und er bemerkte anerkennend, dass kein einziger Schminkschleier zu sehen war. Diese Schönheit war ungeschminkt und echt. Aber er musste sich jetzt konzentrieren und das Richtige tun. Immerhin waren sie gerade Zeugen eines eiskalten und brutalen Mordes geworden. Er bezweifelte stark, dass das Opfer eine Überlebenschance gehabt hatte. Das tonnenschwere Fahrzeug hatte den Mann zerbrochen und zermalmt am Ende des Parkplatzes in einer Blutlache liegend zurückgelassen. Diese Typen ließen einen bestimmt laufen, wenn man nichts mit der Sache zu tun hatte. Jetzt allerdings hatten sie sehr wohl etwas mit dieser Sache zu tun. Und das wollten diese Profis auch sicher gleich klären.

      Also, weg hier!

      Er schnappte die immer noch heftig atmende und erstarrte Bea an ihrer Lederjacke und begann zu laufen. Die Killer waren zwischen ihnen und der Stadt, also liefen sie auf die Bundesstraße zu. Der Mann mit dem Messer verfiel in einen leichten Trab. Er hatte einen entspannten Gesichtsausdruck. So als wollte er sagen: »Ganz ruhig ihr beiden. Das bekommen wir doch zusammen hin«

      Die anderen beiden Männer liefen auf den Wagen zu und stiegen ein. P. war kein Sportler, aber wenn es um sein Leben ging entwickelte er gute Leistungen. Auch Bea war jetzt wieder aus der Schockstarre erwacht und lief stumm mit einem entschlossenem Blick neben ihm her. Als sie an der stark befahrenen Straße ankamen, sank P. der Mut. Hier konnten sie nicht warten. Deshalb lief er geradewegs in den fließenden Verkehr hinein, mit der einen Hand wild winkend und mit der anderen Hand ließ er Bea nicht los. Bea verlor mitten auf der vierspurigen Straße einen der schönen Pumps. Hupend wichen die schnell fahrenden Autos den beiden Fliehenden aus.

      Hinkend auf der anderen Seite angekommen, kickte sie den anderen Schuh ebenfalls weg. »So bin ich schneller«, keuchte sie.

      Sie liefen schnell an der Bruchsteinmauer entlang, die den Wildpark von der Stadt abtrennte. In eine dunkle als Sackgasse gekennzeichnete schmale Straße. Auf ein gusseisernes und mannshohes Tor zu.

      »Dahinter ist der Wildpark, da können wir entkommen!«, schrie er. »Ich kenne mich dort aus, da gibt es noch zwei Ausgänge. Los komm!«

      Er gestikulierte wild und bot Bea eine Räuberleiter mit seinen gefalteten Händen an. Der Mann mit dem Messer stand inzwischen auf dem Mittelstreifen der Bundesstraße und schaute in Richtung des Verkehrs. Ihm bot sich keine Lücke zwischen den Fahrzeugen. Das war ihre Chance. Mit seiner Hilfe kletterte Bea über das Tor und er wuchtete sich ebenfalls darüber. Sie spurteten in die Dunkelheit des unbeleuchteten Parks.

      Erst jetzt sah P., dass Bea etwas braunes und rundes in ihrer Hand hielt. Erst als er nochmal genau hinschaute erkannte er das Objekt. Es war ein Rollbuch aus Leder mit einer Lederschnur zusammengebunden. So etwas hatte er im Urlaub mal als Reisetagebuch dabei gehabt. Man konnte das mit Leder gebundene Buch zusammenrollen und eine Lederschnur darum binden. So war es leichter im Rucksack unterzubringen und auch einigermaßen wasserdicht. Wo hatte sie denn dieses Ding jetzt her?

      Sie rannten, solange sie etwas sehen konnten, auf dem Weg in den Park hinein. An einer Kreuzung der gekiesten Wege hielt P. an und schaute sich zum Tor um. Der Messermann war am Tor angekommen.

      »Er kann uns sehen«, flüsterte Bea außer Atem und verzweifelt.

      Hinter dem Mann bog der Mercedes ein und flutete den Park mit seinem Fernlicht. Zwei Männer stiegen aus und liefen auf das Tor zu.

      »Bleibt doch stehen, wir kriegen euch doch sowieso!«, rief der Mann mit dem Messer.

      Er hatte offensichtlich noch genug Luft zum Rufen. Er war kein bisschen außer Atem. Dann begann er das Tor zu überklettern. Bea schaute P. panisch in die Augen.

      »Wo geht's lang? Wir müssen abhauen!«, schrie sie mit einem hysterischen Unterton.

      Links oder rechts? P. wusste, dass es rechts zur Hauptkasse des Parks ging.