Der Gott des Zwielichts. Joachim Kurtz

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Название Der Gott des Zwielichts
Автор произведения Joachim Kurtz
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754187104



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Reiche, vom westlichen Lauf des Dwaownyr an; geschützt von einem gewaltigen Gebirge im Osten wie auch durch die beiden Reiche im Norden, stellten die beständigen Angriffe der Kydhrimar keine unmittelbare Bedrohung für ihn dar. Andererseits, was war ein Vandmar ohne Krieg? Das Regieren überließ er nach Möglichkeit Bhrinnya, seiner Königin, um so, zusammen mit Mraeghdar und Aedhwyn, die meiste Zeit des Jahres an der Kydhrischen Mark verbringen zu können. Der Waffengang war für ihn das, was Spiel und Vergnügen einem kleinen Jungen bedeuteten.

      Aedhwyns Verhalten war dagegen von Starrsinn geprägt: eine Eigenschaft, die durch das Alter nicht eben gemildert wurde. Nicht im Falle des bhyandrischen Königs. Dennoch respektierte ihn Mraeghdar als klugen Heerführer und fähigen Herrscher seines Stammes.

      „Ich verstehe eurer beider Einwände sehr gut“, sprach er schließlich in die Stille hinein und erhob sich langsam. Er trat an das Ruhelager des Gastgebers heran, wo er mit verschränkten Armen stehenblieb. „Aber du. Solltest du es nicht besser wissen, König Aedhwyn? Wenigstens du?“

      Und da er statt eine Antwort zu erhalten nur mit einem stummen Blick belegt wurde, fuhr er fort:

      „Heute hast du am eigenen Leib erfahren, was ein Pfeilschuß anrichten kann. Ich war dabei, als Dhréadyn dir die Spitze aus der Hüfte schnitt. Ich bereue, sie nicht aufbewahrt zu haben, um sie dir zu zeigen. Aber morgen bringe ich dir die von meinen Männern erbeuteten Pfeile, dann sollst du sehen, was....“

      „Spar dir deine Belehrungen, Mraeghdar! Ein Vandmar kämpft mit Schwert, Lanze oder Streitaxt, wer wüßte das besser als du! Mit Pfeil und Bogen jagt er allenfalls Karnickel.“

      „Genau das tut er“, bestätigte der Großkönig. „Warum also nicht auch zweibeinige?“

      Die Frage war kaum ausgesprochen als Lyghdar, der gerade zum Trinken angesetzt hatte, einen Mundvoll Met über den Tisch prustete. Er setzte das Trinkhorn so heftig ab daß es überschwappte, zeigte mit ausgestrecktem Finger auf Mraeghdar, als dieser sich umdrehte, und hielt sich mit der anderen Hand den vor Lachen bebenden Bauch. Dabei brachte er zunächst keinen Laut hervor, wurde aber zusehends roter im Gesicht. Er schien dem Erstickungstod nahe, als es ihm endlich gelang tief Luft zu holen. Lyghdar brüllte wie von Sinnen, fiel rückwärts vom Schemel und stieß dabei mit den Füßen den Tisch um.

      Im Nu kamen aus dem Halbdunkel im hinteren Teil des Zelts zwei Sklaven herbeigeeilt. Unterstützt von der Leibgarde, half einer von ihnen dem sichtlich angetrunkenen und weiterhin von Lachkrämpfen geschüttelten König in die Sitzhaltung zurück, während der andere den Tisch wieder aufstellte und zwei neue, frisch gefüllte Trinkhörner brachte.

      Mraeghdar beobachtete die Szene schweigend, mit regungsloser Miene und leicht verengten Augen. Dann legte er die Arme auf den Rücken, packte das rechte Handgelenk mit der Linken und begann unruhig wie eine Raubkatze zwischen Tisch und Ruhestätte auf und ab zu schreiten. Lyghdar gluckste weiter in sich hinein und wischte sich die Tränen von den Wangen.

      „Zweibeinige Hasen“, hörte der Großkönig ihn flöten. „Bei Bhrygias ranziger Möse! Und wenn wir sie gefangen haben, ziehen wir ihnen die Ohren gebührlich lang....?“

      Endlich konnte Mraeghdar sich nicht mehr beherrschen. Den halbwüchsigen Sklaven, der noch immer damit beschäftigt war den verschütteten Met vom Zeltboden aufzuwischen und Speisereste zusammenzulesen, beförderte er mit einem heftigen Stiefeltritt aus dem Weg und warf ihm beide Trinkhörner hinterher. Lyghdar wußte nicht wie ihm geschah, als er am Wamskragen gepackt wurde. Widerstandslos ließ er sich von seinem Sitzplatz hoch und über den Tisch ziehen. Augenblicklich hatte Bhyldur, seine Leibgarde, das Schwert gezückt und stand ihm zur Seite, wenn auch ratlosen, von einem zum anderen hetzenden Blickes. Hwyrdun war ebenfalls von dem kleineren Tisch aufgesprungen, den man für die Garden der Könige beigestellt hatte, und stand jetzt mit erhobenen Armen und bestürzter Miene neben seinem Herrn, so als lautete die Wahl, ihn gegen einen Angriff zu verteidigen oder an der Ausübung eines Mordes zu hindern.

      „So. Dir ist also nach Späßen zumute, mein Freund? Dann laß dir etwas gesagt sein: wenn du deine Augen ein klein wenig offener halten und die Nase nicht so oft in den Bierkrug stecken würdest, dann wäre dir vielleicht von selbst aufgefallen daß die Lage von Jahr zu Jahr ernster wird. Was glaubst du eigentlich, wozu wir hier sind? Damit uns die Knochen nicht morsch werden? Um unsere Feinde bei Laune zu halten? Hast du Angst, sie laufen uns davon, wenn wir uns nicht genug um sie kümmern?“ Mraeghdar schüttelte den Gefragten durch, als müßte er ihn aus den Fängen eines Traums befreien. „Falls du es noch nicht bemerkt haben solltest, Lyghdar: der Krieg ist längst nicht mehr das, was er war.“

      Mit diesen Worten stieß er sein verblüfftes Gegenüber auf den gepolsterten Schemel zurück und fügte an:

      „Ganz recht, König Lyghdar: noch nicht einmal der Krieg.“

      Stille umfing die Männer, hart und berührbar wie eine Wand, nur durchbrochen vom unvermittelt aufwallenden Grölen und Lachen der Feiernden in einem der umliegenden Zelte. Dann war ein gequältes Stöhnen vernehmbar. Aedhwyn hatte sich, alarmiert von Mraeghdars Wutausbruch, von der Taille an aufgerichtet. Sich wieder niederzulegen bereitete ihm offensichtlich weitaus größere Schmerzen, aber sein Leibsklave war ihm dabei behilflich, indem er ihn stützte und beruhigend auf ihn einsprach.

      Mraeghdar seufzte tief. Schließlich stützte er sich mit geballten Fäusten auf der eichenen Tischplatte ab, blickte Lyghdar aus nächster Nähe in die immer noch ungläubig aufgerissenen Augen und sprach:

      „Komm morgen früh vor mein Lager, bald nach Tagesanbruch. Komm, sieh und lerne etwas dabei. Aedhwyn ist ebenfalls eingeladen, aber ich fürchte er ist zu stolz sich mit seiner Verwundung hinübertragen zu lassen, niedergestreckt von einem beodrischen Pfeil, und so seinen Feinden zu begegnen. Außerdem hat er strengste Ruhe nötig. Aber du wirst für ihn zur Stelle sein und ihm danach berichten, was du gesehen hast. Es geht uns nämlich alle an. – Hwyrdun, zu Pferd!“

      Gefolgt von seiner Leibgarde, die im Hinausgehen eine der bereitstehenden Fackeln im Kohlebecken entzündete, verließ der Großkönig das Zelt, und gleich darauf hörte man die beiden Reiter davongaloppieren. Lyghdar und Aedhwyn blickten einander ratlos an.

      „Was in Khwéals Namen....“

      „Nimm es ihm nicht übel, Lyghdar. Es scheint wohl zu stimmen, daß Kerothys im Sterben liegt.“

      „Der Kydhmar??“ Lyghdar wandte den Kopf zur Seite und spuckte auf den Boden. „Mich wegen eines räudigen Steppenhundes so anzufassen. Und uns die Siegesfeier zu verderben.“

      „Vergiß nicht die Dienste, die seine yildrischen Späher ihm schon geleistet haben. Wir mögen von ihnen halten was wir wollen, aber wir haben ihnen die gleichen Siege mitzuverdanken wie der Großkönig – auch den, welchen du heute zu feiern gekommen bist.“

      Lyghdar grummelte unter seinem überhängenden Schnurrbart etwas unverständliches in sich hinein.

      „Was es dagegen mit der Bogenschießerei auf sich haben soll“, fuhr Aedhwyn fort, „das wissen die Götter. Womöglich hast du recht, und seine kydhrischen Gespielinnen haben ihm den Verstand vernebelt. Andererseits....“

      „Andererseits?! Fängst du jetzt auch schon an? – Sklave, leg ihm die Hand auf die Stirn. Hat er Fieber?“

      „Red keinen Unsinn, Lyghdar. Und vergiß deinen Eid nicht. Wir haben Mraeghdar Treue und Gefolgschaft geschworen, weil wir ihm vertrauen, ihm und seinen Fähigkeiten. Bisher hat er uns keine Gründe bereitet, die Entscheidung zu bereuen. Wir schulden ihm Gehorsam. Begib dich morgen früh zu ihm, und so Dhwyrd will, sind wir danach etwas klüger als jetzt....“

      * * *

      Die beiden Gefangenen boten einen erbärmlichen Anblick.

      Der Nieselregen hatte in der Nacht wieder eingesetzt und nicht mehr nachgelassen, seit Mraeghdar mit seiner Leibgarde Aedhwyns Lager verlassen hatte. Bewacht von Hwyrdun und Hraedlin, saß er unter dem Dach eines rechteckigen, an der Vorderseite gänzlich offenen Zelts, das er in dem von einem weiteren Palisadenwall umschlossenen äußeren Lagerbereich hatte aufschlagen lassen; während er ein üppiges