Der Gott des Zwielichts. Joachim Kurtz

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Название Der Gott des Zwielichts
Автор произведения Joachim Kurtz
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754187104



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die Kehle des Todgeweihten. Der eisenbeschlagene Rand fuhr mit solcher Wucht durch den Hals, daß er im Boden stecken blieb. Mraeghdar trat einen Schritt zur Seite, packte den lose daliegenden Kopf am zusammengebundenen Schopf und schleuderte ihn im hohen Bogen Hwyrdun zu, der bereits fünf Häupter an einem eigens dafür vorgesehenen Geschirr aufgebunden mit sich führte. Hraedlin trug weitere sieben, also waren es insgesamt dreizehn.

      Aus der Seitenwunde des Enthaupteten quollen nun, da die Hände schlaff und leblos dalagen, die Eingeweide. Mraeghdar versetzte dem Körper einen achtlosen Tritt und wandte sich an die zuvor von ihm getrennten Streitenden.

      „Dieser Kydhmar war heute der erste, der mit meiner Klinge Bekanntschaft machen durfte“, fuhr er die beiden an. „Was macht euch glauben, einem von euch stünde es zu, seinen Schädel ins Lager zu tragen?“

      Die so geschmähten senkten den Blick. Mraeghdar starrte wütend vom einen zum anderen, ehe er sich verächtlich umdrehte und wieder in den Sattel sprang.

      „Teilt euch auf“, rief er den um ihn her versammelten zu. „Jeder fünfte bleibt hier. Tötet alle noch lebenden Beodhrim, aber ohne sie zu köpfen. Macht keine Gefangenen. Unsere eigenen Verwundeten bringt ins Lager, die Toten ebenso. Der Rest folgt mir in die Ebene. – Hraedlin, sondere die Leute aus! Du bleibst mit ihnen zurück und sorgst dafür, daß sie meine Befehle ausführen.“

      Die Aufteilung geschah zügig. Während der Großkönig auf seinem Hengst voraustrabte und die Männer ihm folgten, zählte Hraedlin die zur Rückkehr ins Lager Bestimmten heraus, immer jeweils einen von fünf, ohne jede Willkür oder Bevorzugung. Niemand wagte sich zu widersetzen, und doch stand jedem einzelnen, dem die Möglichkeit eines weiteren Kampfes versagt blieb, der Unwille ins Gesicht geschrieben. Mraeghdar wußte wie enttäuscht sie waren und schlug die Richtung ein, aus der zuvor die fliehenden Beodhrim gekommen waren.

      Die nicht von der Auszählung betroffenen holten nach und nach mit ihm auf, und schließlich gingen sie alle wie auf Absprache aus dem Trab in den Galopp über.

      Aedhwyn erwartete ihn, wo die Hügel sanft in die Ebene auszulaufen begannen. Das sich hier bietende Bild war das gleiche wie dort, wo sie gerade herkamen: ein Durcheinander von Leichen und Verwundeten, die meisten von ihnen Beodhrim. Die Sieger stapften durch Blutlachen. Einige lasen ihre eigenen Leute vom Boden auf, andere töteten die überlebenden Feinde oder, falls nötig, einen todwunden Kameraden, der mit dem Schwert in der Hand die letzte Ehre einforderte.

      Alles in allem kam der Anblick eher dem von Fleischhauern bei der Arbeit gleich, als von Kriegern bei der Ausübung ihrer Pflicht. Der König selbst wandte dem mit Siegesglück schwer zu vereinbarenden Ausklang der Schlacht den Rücken zu und überblickte von einem der äußeren Hügel, wo der Lenker seinen Streitwagen zum Stehen gebracht hatte, die Ebene. Mraeghdar hielt sein tänzelndes Roß zu Aedhwyns Linken an.

      „Dhwyrd segne dich und dein Haus, König Aedhwyn“, huldigte er dem gemeinsam errungenen Sieg.

      „Bhyrdun schütze dich, Mraeghdar“, lautete die standesgemäße Antwort. „Das Jahr beginnt gut für uns beide. Ich frage mich, wie es Lyghdar ergehen mag....“

      Sein Blick folgte Aedhwyns ausgestrecktem Finger. Das Geschehen am jenseitigen Rand der Ebene konnte er nur mit Mühe ausmachen. Zwar hatte der feine Sprühregen mittlerweile aufgehört, der Tag blieb aber weiterhin diesig und grau, mit tief herabhängenden Wolken. Deutlich war Schlachtenlärm zu vernehmen, während die ineinander verkeilten Heere eine unübersichtliche, vor- und zurückwogende Masse bildeten. Lyghdars Scharen, unterstützt von Mraeghdars Fußvolk, waren auf die Entfernung kaum von den yildrischen Verbänden zu unterscheiden, die sie bekämpften.

      Am Fuß der diesseitigen Hügelkette war Aedhwyns unberittenes Heer versammelt. Die übrigen von Mraeghdars Leuten, sofern sie nicht an dem mörderischen Handwerk zur Vollendung der beodrischen Niederlage beteiligt waren, hatten sich ihnen angeschlossen. Links sah Mraeghdar die Standarte von Herzog Dwaerdun aus der Menge ragen, und etwas weiter entfernt, die von Hwyldrim.

      „Die Bogenschützen konnten nicht allzuviel Schaden anrichten, wie es scheint?“

      „Zwei Salven hatten sie auf das Heer abgeschossen, als ich sie mit meiner Reiterei angriff. Die dritte war auf uns gerichtet, jedoch kam unser Überfall so überraschend, daß nur die Hälfte aller Schützen noch von ihrem Bogen Gebrauch machen konnte, wenn überhaupt.“

      Mraeghdar nickte, und Aedhwyn fuhr fort:

      „Dein Fußvolk schloß rasch mit uns auf. Wir taten unser möglichstes, die Beodhrim in die Ebene zu treiben, um sie mit Hilfe meiner eigenen Fußsoldaten einzukesseln. Aber sie wichen nach Süden aus, weiter ins Hügelland hinein. Sie ahnten offenbar nicht, daß sie euch in die Arme laufen würden. Deine Rechnung ging auf.“

      Mraeghdar strich befriedigt über seinen langen Bart und beobachtete aufmerksam die unentschiedene Schlacht auf der gegenüberliegenden Seite.

      „Kannst du in dem Gewirr etwas erkennen?“ fragte Aedhwyn.

      „Nicht das Geringste. Aber wir sollten trotzdem nicht untätig zusehen. – Hwyrdun! Befiehl den Reitern zum Aufbruch.“ Wieder an Aedhwyn gewandt, erklärte der Großkönig: „Wir werden um die yildrischen Verbände herum reiten und sie von der anderen Seite her angreifen. Du folgst uns mit deinen Scharen, aber nur bis in die Ebene, um den Yildhrim den Rückzug zu verwehren. Noch etwas, König Aedhwyn: ist dir Kerothys begegnet? Weißt du etwas über seinen Verbleib?“

      „Nein. Die Beodhrim waren allerdings nicht zu verfehlen, wir fanden sie sehr gut ohne seine Hilfe.“

      „Von Kerothys also keine Spur?“

      „Ich kann meine Männer befragen lassen, wenn du willst, aber....“

      „Später“, unterbrach Mraeghdar, indem er mit ausgestrecktem Arm auf das Schlachtfeld vor ihnen wies. „Sieh, die Kydhrischen fliehen bereits. Ich will wenigstens noch einige von ihnen vor Khwéals Thron schicken, und dafür muß ich Lyghdars Reitern zuvorkommen.“

      „Ich komme mit dir“, stimmte Aedhwyn zu. „Aber meine Männer mögen hierbleiben; es ist zu spät, sie zusammenzuscharen.“

      „Auch gut. Wir werden ohnehin aufpassen müssen, nicht auch noch mit Lyghdars Kriegern aneinanderzugeraten. Das Bilsenkraut, mit dem die Lugdhrim ihr Bier versetzen, macht sie zuweilen unberechenbar. – Hüa!“

      Mraeghdar ließ die Zügel schnellen und preschte seitwärts den Hügel hinab, dicht gefolgt von Hwyrdun, der mit gezogenem Schwert die Reiterschar anführte.

      Für einen Streitwagen war der Hang zu steil, weswegen Aedhwyns Wagenlenker die sanfter auslaufende Südflanke wählte. Oben, zu seiner Rechten, sah Mraeghdar das zweispännige Gefährt über die Kuppe jagen, um es gleich darauf aus den Augen zu verlieren. Aber hinter sich hörte er das anschwellende Johlen der Reiter, die donnernden Hufschlags über den Hügel geschwärmt kamen. Erneut fühlte er, wie seine Kampfeslust überbordete und sein ganzes Wesen erfüllte. Während er auf die Menge fliehender Yildhrim zugaloppierte, band er sich die Zügel um und griff beidhändig nach seinen Schwertern.

      Diesmal würde er keine Trophäen erwerben, da nur Hwyrdun ihn begleitete. Die Garde führte immer noch die sechs Köpfe vom vorherigen Kampf mit sich. Mraeghdars Kriegerwut flammte dennoch umso mehr auf, je näher er dem Feind kam. Während er einen kehligen Schrei ausstieß, schwang er das Schwert in seiner Linken, und im Vorbeireiten hieb er es dem erstbesten Yildhir in die ledergepanzerte Brust, ehe dieser auch nur versuchen konnte, den tödlichen Streich abzuwehren.

      Aber mit einem Mal war es der Großkönig müde, Fußvolk niederzumähen, so wie ein übermütiger Junge Brennesseln köpfte. Während sein berittenes Gefolge unter Waffengeklirr und Kriegsgebrüll die Horden fliehender Yildhrim zersprengte, suchte er einen würdigeren Gegner, einen, mit dem er auf Augenhöhe kämpfen konnte. So hielt er nach kydhrischen Reitern Ausschau, als ein Stück von ihm entfernt Aedhwyn auf seinem Streitwagen eintraf. Kaum war das Gefährt zum Stehen gekommen, sprang der greise König herunter, um mit Rundschild und Langschwert bewaffnet gegen die Kydhrischen anzurennen. Der zu seiner eigenen Verteidigung mit mehreren Wurfspießen und einer