Rache: Blendwerk II. Adam Wutkowski

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Название Rache: Blendwerk II
Автор произведения Adam Wutkowski
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783753181431



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einen gesegneten Abend.», sagte dieser, verbeugte sich leicht, machte auf der Stelle kehrt und verließ die Versammlung.

      «Heerführer!», rief der Viehbaron, als dieser draußen umzingelt von seinen Soldaten neben seinem Pferd zum Stehen gekommen war. «Glauben Sie wirklich, dass das hier eine gute Idee ist?», spie dieser die Worte völlig außer Atem aus.

      «Sie meinen, dass ich all denen in der Halle die Wahl gelassen habe, ihren eigenen Vertreter zu wählen?»

      Der Viehbaron blickte in sein Gegenüber und nickte leicht mit dem Kopf.

      Von einem Moment auf den anderen tauchte ein Lächeln auf den Lippen des Heerführers auf. «Mein lieber Herr Viehbaron. Wir hätten natürlich einen Hauptmann bestimmen können. Doch dieser würde von vielen nur als Marionette betrachtet werden. So aber gaukeln wir den Menschen so etwas wie Entscheidungsfreiheit vor und sorgen gleichzeitig dafür, dass jene die nicht wissen, wem sie vertrauen sollen, nicht gleich in die Hände unserer Gegner getrieben werden.»

      «Aber…», begann der Viehbaron und wurde sogleich von dem Heerführer unterbrochen.

      «Nichts aber, mein Lieber. Das, was wir wirklich hier und heute sagen wollten, haben wir gesagt. Alles andere erledigt für uns die menschliche Natur.», erwiderte Garak und grinste breit. «Verstehen Sie mein Lieber.», fuhr dieser fort, legte freundschaftlich seine Hand über die Schulter und drehte den Viehbaron in Richtung der großen Halle. «Viele der Anwesenden in der Halle sind bereits damit beschäftigt, das Geld zu zählen, was sie noch nicht haben, aber eventuell bei uns verdienen könnten. Ob diese sich dadurch kaufen oder indirekt an den Gütern der Chiks bereichern, spielt inzwischen keine wesentliche Rolle mehr. Denken Sie immer daran mein lieber Herr Viehbaron. Der Mensch denkt zuerst an sich und an den augenblicklichen Vorteil und nicht daran, welche Konsequenzen sein Handeln irgendwann in Zukunft möglicherweise haben könnte. So war es immer und so wird es auch in Zukunft sein.»

      Der lange Ritt durch die Berge und Täler des Horas Gebirges hatte bei jedem nicht nur körperliche Spuren hinterlassen, sondern auch psychische. Noch vor ein paar Tagen, da strotzte jeder vor Tatendrang und die Stimmung aller war auf dem Höhepunkt. Doch mit jedem Tag, den der Zug sich durch das Gebirge schlängelte, war der enorme Kraftaufwand und die damit verbundenen Entbehrungen jedem ins Gesicht geschrieben.

      Aber so war es schon immer gewesen. Sobald es anstrengend wurde, wollte man am liebsten alles hinter sich lassen, sich vor das warme Kaminfeuer setzen und die Füße hochlegen. Doch diese Option gab es schlicht weg nicht mehr für Jamie und den vielen anderen im Zug. Und so wälzten sich Ross und Reiter durch die unendliche Vielfalt des Gebirges und träumte davon überall zu sein, nur nicht hier. Schließlich war es irgendwann endlich so weit. Nach Tagen im Sattel erreichte der Zug sein Ziel. Zufrieden und erleichtert stand Jamie mit seinem Pferd Seite an Seite mit Gul-Marak und dessen schwarzen Hengst und blickten auf das Meer von Zelten.

      Es war ein herrlicher Sommertag. Die Vögel zwitscherten und eine leichte Brise aus den Osten vertrieb die schwüle Hitze, die über den Tälern lag. Den Blickfang aber bildete das Meer im Osten, mit den steilen Gebirgszügen im Wasser, die labyrinthartig die Bucht von dem offenen Meer abgrenzten. Jamie konnte seinen Blick von diesem Panorama nicht abwenden. Es war das erste Mal in seinem Leben, dass er das Meer mit seinen Augen betrachtete. Und sofort fühlte er sich in dessen Bann gezogen.

      «Da sind wir endlich.», bestätigte Gul-Marak das Offensichtliche und breitete seine Hände aus. «Eigentlich kommen wir nur im Winter an diesen Platz. Doch mit dem Einmarsch der Arkanischen Armee hielten wir es für das Beste unsere Familien hier in Sicherheit zu bringen. Es gibt noch drei kleinere Täler etwas weiter im Norden, auf denen sich der Rest meines Volkes verteilt hat. Ich persönlich habe dieses Tal all den anderen vorgezogen. Den Grund dafür kannst du im Osten selbst erkennen. Meiner Meinung nach ist es im Winter hier noch schöner. Dann gibt es Robbenfleisch und vieles mehr. Ah, wenn ich nur an die Jagdausflüge mit meinem Vater zurückdenke, dann wünsche ich mir es wäre wieder Winter.», schwelgte Gul-Marak für einen Moment in Erinnerungen.

      Bei der Erwähnung von Alko musste Jamie unweigerlich an seinen Vater und dann an Ilianer denken: «Ich frage mich gerade, wo sie sind!», gab er schließlich seiner Sehnsucht einen Klang.

      «Du meinst mein Vater und deine Schwester?»

      «Ja…, und der Rest von unseren Freunden und Verbündeten.»

      «Mit etwas Glück finden wir ein paar Antworten auf diese Frage bei meinem Volk. Vielleicht haben sie inzwischen ein paar Neuigkeiten zusammengetragen.»

      «Dann lass und keine Zeit mehr verlieren und unsere Neugier stillen.», gab Jamie Gul-Marak zu verstehen und gab seinem Pferd ein Zeichen, sich wieder in Bewegung zu setzen.

      Mit einem Lächeln auf den Lippen gab Gul-Marak seinem Pferd die Sporen und führte, wie der Rest des Zuges, sein Pferd die kleine Anhöhe herunter.

      Um die Mittagstunde saßen viele Männer und Frauen aus dem Zeltlager zusammen mit den Neuankömmlingen verteilt um die vielen Lagerfeuer und verzerrten ihr Mahl bestehend aus gebratenen Fisch, Früchten und Gemüse. Nach den vielen Tagen auf dem Rücken der Pferde tat es den meisten einfach nur gut, sich von vorn nach hinten bedienen zu lassen. Während die meisten Menschen aus dem Norden sich zum ersten Mal an dem Anblick des Meeres labten und das salzige Wasser auf ihrer Haut spüren ließen, saß Jamie mit Brutus, Mulak und Gul-Marak rund um eine ausgebrannten Feuerstelle und besprachen sich mit dem Anführer dieses Lagers.

      «Soweit wir das beurteilen können, hat euch nach eurer Flucht aus eurer Heimat keiner bis hierhin verfolgt. Ihr müsst wissen, wir haben viele Waldläufer entlang verschiedener strategischer Punkte stationiert. Nichtsdestotrotz, es war gewagt hierher zu kommen.», fuhr der Stammesälteste fort, Jamie und Brutus einen Augenblick länger musternd, als das es Jamie lieb gewesen wäre.

      «Alko war sich der Gefahr bewusst. Wir alle haben lange überlegt, welche der vielen Optionen in der Kürze der Zeit die Beste wäre. Letztendlich erschien uns in Anbetracht der Zustände diese als die Aussichtsreichste.», antwortete Gul-Marak stellvertretend für alle.

      Zähneknirschend und sich der Realität des Augenblicks bewusst werdend, ließ schließlich der Redensführer davon ab, weiter über das, was ohnehin nicht mehr zu ändern war, zu sprechen und konzentrierte sich stattdessen auf das Kommende. «Euer Plan ist gewagt.», nahm er den Gesprächsfaden auf, dabei Jamie mit seinen klaren grünen Augen fokussiert. «Seid ihr auch sicher, dass ihr uns den ganzen Plan erzählt habt und nicht nur einen Teil.»

      Bei der Anspielung auf Ian und dessen Offenbarung des wahren Plans auf der Steinebene vor Arag, entglitt Jamie plötzlich ein Lächeln. «Ja, ich bin mir sicher, dass ich euch alles erzählt habe.»

      Plötzlich schien sich eine gewisse Leichtigkeit über alle Anwesenden zu legen. «Dein Vater war ein großer Mann. Vergiss das nicht. Wenn ihr alle zusammen mit Alko so entschieden habt, dann werden wir euch mit allem was wir haben unterstützen.», sagte dieser etwas freundlicher und nahm ein Schluck Wasser aus seinem Trinkhorn.

      «Wir danken euch für eure Unterstützung.», übernahm Gul-Marak das Sprechen und fuhr fort. «Mein Vater hat die meisten Krieger der verschiedenen Clans um sich geschart. Für unser Vorhaben brauchen wir jedoch weitere 700 bis 800 Krieger sowie Vorräte um die Überquerung durch das Gebirge sicher zu bestehen. Den Rest werden wir dann abhängig von der Situation, die wir vorfinden, erledigen.»

      «Wir werden euer Anliegen an alle unsere Krieger weiterleiten. Doch bei dem Ruf, den vor allem ihr innerhalb unseres Volkes genießt, wird es kein Problem sein, genügend Freiwillige zu finden, die euch folgen. Was die Vorräte angeht, so wird es mindestens noch einen weiteren Tag dauern, bis wir alles zur Verfügung gestellt haben.»

      «Danke, ihr seid wirklich eine große Hilfe für uns. Doch sagt! Gibt es Neuigkeiten aus dem freien Grenzland?», hakte Jamie nach.

      «Bis jetzt noch nicht. Unsere Waldläufer sind zwar überall im Norden unterwegs. Aber die hohe Präsenz an Arkanischen Soldaten macht es uns schwer im Moment den Informationsfluss aufrecht zu erhalten. Doch mit der Zeit, wenn die Aufmerksamkeit und die Anzahl an Patrouillen nachlässt, sollten wir in der Lage