Evelyn. Ralf Lothar Knop

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Название Evelyn
Автор произведения Ralf Lothar Knop
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754171332



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du denn machen sollen, wir haben doch sowieso kein Geld für Nachhilfeunterricht.

      Das ist jetzt wirklich nicht fair. Ich habe mich von Anfang an sehr intensiv um dich gekümmert, du bist nämlich zwei Monate zu früh zur Welt gekommen und wolltest nicht trinken, aber ich habe die Operation, die die Ärzte machen wollten, abgelehnt und ich habe mich stattdessen Tag und Nacht um dich gekümmert, weil du immer wieder die Hälfte ausgebrochen hast, du warst absolut nicht pflegeleicht.

      Jetzt kommt wieder diese alte Leier, wie oft willst du mir das eigentlich noch erzählen, Mutter Teresa, und wie lange ist das jetzt eigentlich her? Kannst du dir nicht mal was Neues einfallen lassen? Glaubst du in der Schule interessiert es auch nur einen einzigen Lehrer, dass ich als Frühchen zur Welt gekommen bin? Ich habe es geahnt, dass es ein Fehler ist, dir von meinen schulischen Problemen zu erzählen. Ich bin volljährig und ich kann auch ohne deine Erlaubnis die Schule verlassen.

      Es tut mir leid, Miriam, aber ich bitte dich inständig, überlege dir das noch mal, mit dem Abitur kannst du auch viele Dinge machen, für die du kein Abitur brauchst, aber ohne Abitur sind dir viele Wege verschlossen.

      Ich war wirklich froh, als Miriam mir ein paar Tage später erzählte, dass sie jetzt doch die Jahrgangsstufe zwölf wiederholen würde, mit neuen Leistungskursen hat sie dann auch das Abitur ohne weitere Probleme geschafft. Doch nach einer kurzen Ruhepause fingen dann im darauffolgenden Schuljahr die schulischen Probleme für Diana und Ricarda an. Meine beiden Zwillinge brachten in der Jahrgangstufe elf nur noch schlechte Noten nach Hause und genau wie Miriam zuvor klagten sie jetzt über ihren täglichen Frust in der Schule, jetzt wollten auch sie die Schule verlassen. Um mir ein genaueres Bild über meine beiden Mädels zu verschaffen, habe ich einen Gesprächstermin mit dem Schulleiter vereinbart.

      Guten Tag, Herr Dr. Wehrmuth, ich wollte mich mal bei Ihnen erkundigen, welche Abschlussmöglichkeiten meine beiden Töchter Diana und Ricarda haben, beziehungsweise wie ihre momentanen Leistungen sind, also ob sie die Versetzung in die zwölf überhaupt noch schaffen können. Es tut mir leid, das sagen zu müssen, aber sie haben sich nie wirklich wohl gefühlt an dieser Schule. Also die beiden sind ganz sicher, dass sie nicht das Abitur machen wollen.

      Ich habe mich bei den Fachlehrern von Diana und Ricarda nach dem Leistungsstand erkundigt und sie haben recht, die Noten sind wirklich nicht besonders gut, aber die Kollegen sind der Meinung, dass sie die Versetzung wohl schaffen werden. Ich würde Ihnen also dringend empfehlen, dass sie wenigstens noch die Jahrgangsstufe zwölf machen sollten, um die Fachhochschulreife zu bekommen. Das ist in jedem Fall besser, als nach der elf abzugehen. Vielleicht überlegen sie es sich in einem Jahr dann ja auch noch einmal anders und versuchen dann doch das Abitur zu machen.

      Meine Zwillinge waren mit diesem Vorschlag einverstanden, sodass schließlich alle drei Mädels im selben Jahr die Schule verließen, Miriam mit dem Abitur und Diana und Ricarda mit der Fachhochschulreife. Miriam hat sich nach dem Abitur an der Technischen Universität Dortmund im Fach Chemie immatrikuliert, die Berufswahl für meine Zwillinge gestaltete sich jedoch wesentlich schwieriger.

      Ricarda wollte gerne Hebamme werden und ich habe sie darin unterstützt, gemeinsam haben wir sehr viel Zeit und Geld in viele Bewerbungen gesteckt, aber es kamen nur Absagen, weil sie noch zu jung war und man empfahl ihr, zunächst einmal ein Jahrespraktikum in einer Klinik zu machen, was dann ohne weitere Probleme möglich war.

      Diana wusste nicht so recht, was sie machen sollte, mal wollte sie studieren, dann wollte sie Köchin werden und schließlich entschied sie sich, eine Ausbildung im pflegerischen Bereich zu machen. Auch sie absolvierte zunächst einmal ein Jahrespraktikum bei der Arbeiterwohlfahrt. Dies hatte den Vorteil, dass sie verschiedene Bereiche ausprobieren konnte, unter anderem konnte sie auch Erfahrungen in der Küche sammeln.

      Da die Verbindungen der öffentlichen Verkehrsmittel zwischen Lüdenscheid und Kierspe sehr schlecht sind, sollte sie ein kleines Auto bekommen, damit sie von den öffentlichen Verkehrsmitteln unabhängig ist. Leider fiel sie jedoch zweimal durch die Fahrprüfung, sodass sie dann doch mit dem Bus nach Kierspe fahren musste, wodurch sie außerordentlich frustriert war, weil sie im Schichtdienst arbeiten musste und die langen Busfahrten sie zusätzlich gestresst haben und wenn Diana frustriert war, dann litten alle anderen auch und für sie war jetzt einfach alles Scheiße.

      Da wir schon ein kleines gebrauchtes Auto gekauft hatten, stand dieses dann Miriam zur Verfügung, sodass sie nicht mehr mit dem Zug nach Dortmund fahren musste.

      Zusammenbruch

      Neben den Schwierigkeiten mit meinen Mädels häuften sich jetzt auch wieder die Probleme an meinem Arbeitsplatz. Ein wirkliches Vertrauensverhältnis hatte ich eigentlich nur zu einer einzigen Kollegin, mit der ich mich auch über private Dinge unterhalten konnte und mit der ich mich deswegen angefreundet hatte. Ausgerechnet diese Kollegin war gesundheitlich so schwer angeschlagen, dass sie ein ganzes Jahr lang ausfiel und ich musste nun ihre Arbeit in vollem Umfang mit erledigen, sodass ich eigentlich zwei volle Stellen ausfüllte, aber nur für eine bezahlt wurde.

      Kaum war diese Kollegin nicht mehr da, wurde mir erst richtig bewusst, dass es in dieser Firma auch kein gutes Arbeitsklima gab, genauer gesagt, unter den Frauen fühlte ich mich wie in einem Haifischbecken. Durch die Verdoppelung meiner Arbeitsaufträge fühlte ich mich schon bald so überfordert, dass viele Aufträge liegen blieben und diese Rückstände haben meine Kolleginnen natürlich sofort unserem Chef gemeldet, der daraufhin jemanden zu meiner Unterstützung abordnete, aber nur für sechs Wochen, sodass ich anschließend wieder in derselben Situation war.

      In dieser Zeit habe ich meine befreundete Kollegin im Krankenhaus besucht, von ihr erfuhr ich, dass es in dieser Firma schon einmal einen Vorfall gegeben hatte, bei dem diese Kolleginnen eine Mitarbeiterin geschlachtet haben, sie haben sie solange gemobbt, bis sie freiwillig gekündigt hat.

      Ich halte das auch nicht mehr lange aus, die machen mich völlig fertig. Wenn ich nicht total durchdrehen will, bleibt mir doch gar nichts anderes übrig als zu kündigen.

      Du musst jetzt die Nerven behalten, geh doch erst einmal zum Arzt und lass dich krankschreiben.

      Doch ich dachte immer noch, dass ich es irgendwie schaffe, denn es handelte sich um eine gut bezahlte Arbeit und wir brauchten ja auch das Geld. Am nächsten Morgen kam noch vor der Frühstückspause eine Kollegin in mein Büro: „Du bist ja immer noch da!“ Ich spürte, wie mein Herz anfing zu rasen und ich einen Schweißausbruch bekam, ich war völlig außer mir, sprang auf und rannte aus der Firma zu meinem Auto. Das war endgültig der Gipfel.

      Als ich an meinem Auto ankam, stellte ich fest, dass ich meinen Autoschlüssel im Büro vergessen hatte, sodass ich gezwungen war, noch einmal ins Büro zu gehen. Als ich dort ankam, traute ich meinen Augen nicht, zwei Kolleginnen waren gerade dabei, meinen Schreibtisch und meine Akten zu durchwühlen, offensichtlich um mir irgendwelche Fehler nachweisen zu können. Ich war schockiert und absolut sprachlos, sodass ich, ohne ein einziges Wort zu sagen, wieder zu meinem Auto rannte, wo ich dann zusammengebrochen bin. Als ich wieder zu mir kam, lag ich in einem Rettungswagen und ein Arzt gab mir gerade eine Spritze.

      Da sind Sie ja wieder. Wir bringen Sie jetzt ins Krankenhaus, dort wird man Sie noch genauer untersuchen.

      Das geht nicht, ich muss nach Hause und mich um meine Kinder kümmern.

      Sie hatten einen Kreislaufzusammenbruch, damit ist nicht zu spaßen. Können wir denn nicht jemanden anrufen, der sich um Ihre Kinder kümmert?

      Nein, mir geht es jetzt wieder gut und ich möchte bitte nach Hause fahren.

      Sie sollten auf keinen Fall jetzt Auto fahren, wenn Sie wieder bewusstlos werden, gefährden Sie sich selbst und auch andere Menschen.

      Natürlich habe ich meinen Willen durchgesetzt und bin nach Hause gefahren, aber am nächsten Morgen bin ich dann doch gleich zu meiner Ärztin gefahren, die mich krankgeschrieben und mir eine Krankenhauseinweisung für die Psychosomatik gegeben hat. Dort untersuchte mich ein sehr junger Arzt und führte anschließend ein langes Gespräch mit mir, in dem ich ihm meine familiäre Situation und vor allem die Vorfälle an meiner Arbeitsstelle